Unterhaus sucht nach Brexit-ausweg
Übernimmt das Parlament die Kontrolle? Premierministerin May ist geschwächt wie nie
London. Kurz vor Ablauf der Frist für ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU auf Grundlage des Brexit-deals hat das Unterhaus teilweise das Ruder übernommen. Gegen den Willen der Regierung wollen die Abgeordneten im Unterhaus in London jetzt auf eigene Faust eine Alternative für das bereits zweimal abgelehnte Austrittsabkommen von Premierministerin Theresa May suchen.
Dafür hatten die Abgeordneten am späten Montagabend die Regel außer Kraft gesetzt, wonach nur die Regierung die Tagesordnung im Parlament bestimmt. Sie sicherten sich diesen Mittwoch für eine Debatte und Abstimmungen über einen Ausweg aus der Brexit-sackgasse. Geplant sind sogenannte indica- tive votes – richtungsweisende Abstimmungen, mit denen ausgelotet werden soll, für welche Alternative es eine Mehrheit gibt.
Als mögliche Optionen werden etwa verschiedene Varianten einer engeren Anbindung an die Europäische Union oder ein zweites Referendum gehandelt. Aber sogar eine Abkehr vom Brexit durch Zurückziehen der Austrittserklärung ist im Gespräch. Ein Votum für eine dieser Optionen wäre rechtlich zwar nicht bindend. Es würde aber einen Hinweis darauf geben, wofür es eine Mehrheit im Parlament geben könnte.
Mehrere Staatssekretäre legten ihre Ämter nieder, um gegen die Regierung votieren zu können. Insgesamt hatten etwa 30 Abgeordnete der regierenden Konservativen für den Vorschlag gestimmt. Brexit-hardliner Andrew Bridgen hält inzwischen eine Neuwahl im Sommer für wahrscheinlich. May müsse als Premierministerin zurücktreten, sagte der Tory-politiker in einem Gespräch mit dem Sender Sky News.
Ursprünglich sollte Großbri- tannien schon am Freitag die EU verlassen. Brüssel bot London kürzlich eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an. Bedingung dafür ist allerdings, dass das Unterhaus in dieser Woche dem Austrittsvertrag zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll.
Sollte Großbritannien ohne Abkommen aus der Staatengemeinschaft ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet. Auch die deutsche Autoindustrie wäre davon betroffen. Denn rund 20 Prozent der deutschen Autoexporte gehen nach Großbritannien. (dpa)