Ein Husarenstück
Biograf dekonstruiert die Legende Walter Gropius. Als Bauhaus-chef war er demnach eine Fehlbesetzung und idealer Direktor zugleich
Weimar. Er habe ja, sagt Bernd Polster am Ende dieses Abends, einiges von Walter Gropius gelernt: den Umgang mit scheinbar ausweglosen Situationen zum Beispiel. Eine bittere Pointe, die trifft, obwohl sie nicht zutrifft. Denn da hat sich Polster längst in eine Situation manövriert, aus der er so schnell nicht rauskommt. Der einzige Ausweg: sein Buch zu lesen.
Polster hat jedenfalls nicht die Fähigkeit zur „romantischen Selbstinszenierung“, die er dem Subjekt seines Interesses unter anderem attestiert: in der Biografie „Walter Gropius – Der Architekt seines Ruhms“. Gropius konnte nicht zeichnen. Polster kann nicht vorlesen und vortragen. Er verzettelt sich und ist ein schlechter Verkäufer seiner Ideen.
Aber recherchieren, nachdenken und schreiben kann der Bonner Publizist und Künstler durchaus. Und so mag einem noch rechtzeitig, bevor man diesen tendenziell katastrophalen Auftritt bei den „Weimarer Lesarten“einfach abhakt, ein Bonmot von Heiner Müller einfallen: „Die Autorität ist der Text, nicht der Autor.“
Bernd Polster fand nicht alles, was ihm hilft, Gropius die Maske des Bauhausgründers und großen Architekten vom Gesicht zu reißen, selbst heraus. Gegen die lange Zeit erfolgreiche Legendenbildung stinkt die Wissenschaft schon länger an.
Dass das Bauhaus kein Stil war, sondern allenfalls eine neue Idee und auf jeden Fall eine Marke, setzt sich als Erkenntnis bereits durch. Und dass Gropius, „der Geheimratssohn und doppelte Studienabbrecher“(Polster), systematisch jene unterbutterte, ohne die er nichts geworden und gewesen wäre, auch; Architekt Adolf Meyer etwa ist da zu nennen. Nicht zuletzt will man im neuen Bauhaus-museum zu Weimar, das nächste Woche eröffnet wird, „versuchen, den Mythos nicht weiter zu bedienen, sondern mehr Fragen zu stellen als möglicherweise Antworten zu geben.“So erklärte es Ute Ackermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums, die an diesem Abend im großen Publikum sitzt.
Polster hält sich aber zugute, solche kritischen Ansätze der jüngeren Bauhausforschung jetzt „mit ein paar eigenen kleinen Zugaben“zusam- mengeführt zu haben. Das Ergebnis ist die Biografie eines Hochstaplers, die ja auch ernsthafte Bezüge zu Thomas Manns Felix Krull findet.
Das Wesen des Walter Gropius erklärt uns Polster mit der Kaiserzeit, in der er die ersten 35 Jahre seines Lebens verbrachte und der er nachhing. Geprägt hat ihn demnach auch das „Junkerleben“auf Gütern seines Onkels Erich. Hier lernte er unter anderem früh das Reiten: für Polster ein Schlüssel für den Erfolg. „Sein Pferdeverstand hat ihn befähigt“, sagt der Autor, „auch die Gefühle der Menschen zu erkennen und zu steuern. Das ist doch eine große Leistung!“
Polster erzählt uns hier also was vom Pferd. Aber doch anders, als es verbal rüberkommt. Tatsächlich wollte Gropius, obschon nicht von Adel, Husar werden. Und wurde es. Naheliegend, seine spätere Karriere als Architekt ebenso wie die Geschichte des Bauhauses als Husarenstück zu beschreiben. Und darin muss folglich Anerkennung liegen.
Ausgerechnet in Weimar spart Polster das Weimar-kapitel übrigens vollständig aus. Als Hochschuldirektor, schreibt er darin, sei Gropius „rein formal wie auch fachlich (...) eine Fehlbesetzung“gewesen – und weder für die Lehre noch für die Architektur ausreichend qualifiziert.
Aber das Bauhaus, heißt es gleich danach, war „der perfekte Ort für einen extremen Charakter wie Gropius, der hart und flexibel zugleich war“. Polster bescheinigt ihm Willensstärke, ein gutes Auge für Talente und ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an fähigen Leuten an der Hochschule. Diese „brauchte an der Spitze jemanden, der zu improvisieren verstand und selbst in heiklen Si- tuationen die Ruhe bewahrte.“Derart war er: „ein idealer Direktor.“
Letztlich zeichnet Polster das Bild eines notwendig egozentrischen Künstlers. Das kommt daher als lesbare und alles in allem lesenswerte Provokation zur rechten Zeit: „Bei dem Trara, der im Moment gemacht wird und den ich schwer erträglich finde, kann man doch mal eine kleine Irritation reinbringen“, sagt er.
Kann man. Muss man sogar. Man müsste Gropius nur gönnen können, gleichwohl weitaus mehr produziert zu haben als heiße Luft. Was ihn bis heute groß macht, sei „eine schwierige Frage“, redet sich Polster in Weimar heraus. So schwierig auch wieder nicht, gerade nach diesem Buch.
Der Autor erzählt uns auch etwas vom Pferd