Wer soll das bezahlen?
Vor dem Bundesverwaltungsgericht wird verhandelt, wer die Kosten für Hochrisikospiele übernimmt. Entscheidung am Freitag
Leipzig. Es ist schon einige Jahre her, da flatterte bei der Deutschen Fußball-liga (DFL) eine Rechnung rein. Der Betrag: 425.718 Euro. So viel verlangte die Hansestadt Bremen, weil sich beim Nordderby zwischen dem SV Werder und dem Hamburger SV am 19. April 2015 diese zusätzlichen Kosten durch das immense Polizeiaufgebot angestaut hatten. Doch die DFL wollte nicht zahlen, zog vor das Verwaltungsgericht Bremen. Bekam recht. Weiter ging es vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen. Diesmal bekam die Hansestadt recht.
Seit Dienstag geht es nun in die nächste Runde. Diesmal vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Das Urteil wird für Freitag erwartet. Es könnte eine Signalwirkung entfalten – und laut Rechtsexperten den Fußball verändern. Aber der Reihe nach.
Worum geht es?
Bei Hochrisikospielen der Bundesliga und 2. Liga (etwa 50 pro Jahr) sind meist Tausende Beamte im Einsatz. Jetzt wird die Frage verhandelt: Wer soll das bezahlen? Normalerweise der Staat, die freie Hansestadt Bremen will den Mehraufwand bei Hochrisikospielen aber nicht mehr alleine tragen. Deswegen hat sie mittlerweile sieben Rechnungen an die DFL geschickt, sie verlangt insgesamt 2,3 Millionen Euro.
Was macht den Prozess in Leipzig so besonders?
„Das Urteil könnte eine große Signalwirkung haben“, meint der Sportrechtler Ralf Bockstedte im Gespräch mit dieser Zeitung. Denn würde Bremen den Rechtsstreit gewinnen, könnten die anderen Bundesländer dem Beispiel folgen und ebenfalls Rechnungen an die DFL schreiben. Die würde wiederum die Kosten an die Clubs weiterreichen. Insgesamt würde wohl ein großer zweistelliger Millionenbetrag zusammenkommen. Allerdings: Die unterlegene Partei könnte noch in letzter Instanz vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen.
Was sagen die Parteien?
Schon bevor die Verhandlung begann, wurde deutlich, wie weit die Meinungen auseinander liegen. Erst erklärte DFLPräsident Reinhard Rauball: „Ob jemand arm oder reich ist, kann überhaupt keine Rolle spielen.“Dann meinte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer: „Wir haben eine Profi-liga, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von 4,4 Milliarden Euro gemacht hat. Da kann es nicht sein, dass die Liga alle Einnahmen behält.“Die DFL hält entgegen, dass die 36 Profiklubs „zuletzt rund 1,3 Milliarden Euro Steuern und Abgaben im Jahr“bezahlt hätten. Was ist ein Hochrisikospiel? Keine leichte Frage. Denn der Begriff Hochrisikospiel taucht in keinem Gesetz auf, die Kriterien richten sich nach den Richtlinien des Deutschen FußballBundes. Im Grunde legt also der Heimverein gemeinsam mit den Verbänden fest, wie eine Begegnung eingestuft wird. Dabei fließen etwa das Verhältnis der Anhänger, Erkenntnisse aus bisherigen Partien und die Infrastruktur mit ein. Die Polizei wird miteinbezogen, trifft aber eine eigene Beurteilung. Deswegen existiert auch keine offizielle Statistik, wie viele Hochrisikospiele pro Saison stattfinden. Insgesamt fielen in der Saison 2016/17 in der ersten und zweiten Liga etwa 1,4 Millionen Polizei-arbeitsstunden an. Kosten: circa 80 Millionen Euro.
Welche Folgen drohen den Clubs in Thüringen?
Wenn Bremen den Prozess gewinnt, könnte sich natürlich auch das Land Thüringen überlegen, die eigenen Clubs zur Kasse zu bitten. Hochrisikospiele gibt es jedoch nur bei Derbys. Und: „In der Folgewirkung könnten auch Vereine aus untergeordneten Ligen zahlen müssen“, sagt Bockstedte. Etwa der FC Carl Zeiss Jena oder der FC Rot-weiß Erfurt. Abwarten.
Wie läuft es im Ausland?
In vielen europäischen Ligen beteiligen sich die Profiklubs bereits an den Polizeikosten. In England zahlen PremierLeague-clubs für die Summen, die im Stadion entstehen. In Spanien sichern meist private Sicherheitsdienste die Lage in den Arenen. In der italienischen Serie A sind die Vereine dazu verpflichtet, zwischen ein und drei Prozent der Ticketeinnahmen für die Polizeikosten abzugeben. Am strengsten ist das Gesetz in Frankreich. Im deutschen Nachbarland müssen Vereine einen Stundensatz von 20 Euro pro Polizeistunde zahlen. Bei finanzschwächeren Clubs gibt es Zugeständnisse, um deren Existenz nicht zu gefährden.
Was meint der Experte?
„Ich sehe juristisch kein Argument, warum die DFL zahlen sollte“, erklärt Bockstedte. „Für die Sicherheit ist der Staat zuständig. Dafür zahlen wir Steuern.“
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