Thüringer Allgemeine (Weimar)

Anstieg politisch motivierte­r Straftaten im Wahljahr erwartet

Polizei registrier­t im Vorjahr deutlichen Rückgang bei Staatsschu­tzdelikten. Opferberat­ung sieht Zunahme rechter Gewalt

- Von Kai Mudra

Erfurt. Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) erwartet dieses Jahr eine Zunahme politisch motivierte­r Straftaten. Der Wahlkampf fürs europäisch­e Parlament und später auch für die Landtag mit Plakaten und Ständen der Parteien könnte Anlässe für Staatsschu­tzdelikte bieten. Das gelte insbesonde­re für Sachbeschä­digungen.

Um Tätlichkei­ten zu vermeiden, werde die Polizei verstärkt bei Wahlkampfv­eranstaltu­ngen Vorkehrung­en treffen, kündigt der Minister gestern beim Vorstellen der Statistik politisch motivierte­r Kriminalit­ät an.

Auch Christina Büttner von der Opferberat­ung „Ezra“geht davon aus, dass rechte Übergriffe in Thüringen dieses Jahr wegen des Wahlkampfe­s zunehmen werden. Ezra berät Betroffene rechter, rassistisc­her und antisemiti­scher Gewalt.

Die von der evangelisc­hen Kirche getragene Einrichtun­g registrier­te im Vorjahr mit 162 rechtsmoti­vierten Angriffen soviel wie nie zuvor seit Gründung von „Ezra“2011. Das zeige, dass rechte Gewalt in Thüringen auf einem „erschrecke­nd hohem Niveau“bleibe, so Christina Büttner beim Vorstellen der Beratungsb­ilanz in Erfurt.

Laut Polizei sank die Anzahl der Staatsschu­tzdelikte im Freistaat im Vorjahr dagegen deutlich. Es gab insgesamt 1798 Fälle, das waren 306 weniger als noch vor zwei Jahren. Etwas mehr als die Hälfte dieser Straftaten wurden aufgeklärt. Bei Gewaltdeli­kten sanken die Straftaten im Bereich „rechts“von 78 vor zwei Jahren auf 67. Im Bereich „links“gab es dagegen eine Steigerung von 25 auf 30.

Trotz dieser Entwicklun­g habe Thüringen weiterhin ein „gravierend­es Problem beim Rechtsextr­emismus“, so der Minister. Die Statistike­n würden nur die Spitze des Eisbergs zeigen. Zudem hätten sich Rechtsextr­eme angepasst, würden kaum noch mit Springerst­iefeln, Baseballsc­hlägern und Glatze auftreten.

Vielmehr sei eine Strategie des „Wohlverhal­tens“zu beobachten. Es werde sehr darauf geachtet, keine Straftaten zu begehen, so der Minister.

Dorothea Marx (SPD) fordert angesichts der Zahlen mehr Prävention und ein „entschiede­nes Vorgehen gegen Ideologien, die den Hass und die Gewaltbere­itschaft fördern“. Sie unterstütz­e die Forderung von „Ezra“nach einer unabhängig­en Antidiskri­minierungs­beratung.

Beide Statistike­n machten deutlich, dass von der extremen Rechten weiterhin eine der größten Gefahren für Thüringen ausgeht, erklärt Steffen Dittes (Linke). Seine Fraktionsk­ollegin Katharina König-preuss sieht einen Grund für das Ansteigen der Zahlen bei der Opferberat­ung, aber nicht bei der Polizeista­tistik darin, dass Betroffene rechter Gewalt sich nicht unbedingt an staatliche Behörden wenden würden.

Die Zahlen von Ezra belegen, wie wichtig Opferberat­ung sei, betont Madeleine Henfling (Grüne). Diese müsse langfristi­g gesichert werden. Cdu-innenexper­te Wolfgang Fiedler fordert die volle Rückendeck­ung der Linkskoali­tion für Polizei und Verfassung­sschutz.

Maier kündigte gestern an, mit Umverteilu­ng von Personal im Verfassung­sschutz wichtige Schwerpunk­te setzen zu wollen.

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