Ein Luxus-leben aus Lügen
Mit viel krimineller Energie soll sich Anna Sorokin aus Eschweiler in New Yorks beste Gesellschaft geschwindelt haben
Washington. In einer der schönsten Szenen des Kinofilms „Catch Me If You Can“läuft der Hochstapler und Betrüger Frank Abagnale, der von Leonardo di Caprio gespielt wird, breit grinsend in Piloten-uniform mit sechs adretten Stewardessen am Arm durch den Flughafen. So gelingt ihm das geräuschlose Passieren der Kontrollen. Sehr gut möglich, dass sich die bekannte Tv-produzentin Shonda Rhimes bereits eine ähnliche Schlüsselszene für Anna Sorokin ausgedacht hat, deren wahre Geschichte vom Filmriesen Netflix gekauft wurde. Die 28-jährige Deutsche mit russischen Wurzeln ist gewissermaßen auch eine Überfliegerin, die mit Bruchlandung endete.
Seit Mittwoch steht die Tochter einer Hausfrau und eines Tanklastwagenfahrers, die es mit einer atemberaubenden Lügenstory aus Eschweiler bei Aachen in die Bussi-gesellschaft New Yorks geschafft hat, in Manhattan vor Gericht.
Anklagepunkte: Diebstahl, Leistungserschleichung und Betrug. Ihr drohen mehr als zehn Jahre Haft. Und danach die Ab- schiebung nach Deutschland. Unter dem Namen Anna Delvey gab sich Sorokin als Spross einer wohlhabenden Familie aus. Mit Chuzpe und Hybris schummelte sie sich in die angesagtesten Partykreise, wohnte wochenlang in Nobelhotels, dinierte wie selbstverständlich in den teuersten Gourmet-tempeln, ließ sich regelmäßig für 400 Dollar die Wimpern verlängern, warf im Taxi mit 100-Dollar-trinkgeldscheinen nur so um sich und buchte laut Staatsanwältin Catherine Mccaw Luxus-trips für 7000 Dollar die Nacht in Marrakesch.
Anna Sorokin orderte Privatflugzeuge und erschlich sich mit kaltschnäuziger Dreistigkeit stattliche Bankkredite, die sie wiederum mit Darlehen anderer Institute flüssig hielt. Und das stets zu Lasten Dritter, die sie mit Charme, großen Worten und blauen Augen bezirzte. Und die lange Zeit ignorierten oder ignorieren wollten, dass der falsche Fuffziger aus dem Rheinland nicht mal im Ansatz die erforderlichen Finanzmittel besaß. Auf mindestens 275.000 Dollar soll sich der Schaden belaufen, heißt es in der Anklage. Wie die Täuschungsmanöver vonstatten gingen, wird bis ins Detail im Gerichtssaal ausgebreitet. Die Anklage will bis zu 25 Zeugen vernehmen.
28-Jährige hält sich für unschuldig
Von der Angeklagten ist aller Voraussicht nach kein großes Reuebekenntnis zu erwarten. Eine erste Offerte der Staatsanwaltschaft, sich schuldig zu bekennen und so – verkürzt – drei bis neun Jahre abzusitzen, schlug ihr Anwalt Todd Spodek aus. Seine Mandantin habe niemals jemanden betrügen wollen, sagt er. Sie sei unschuldig. Sorokin selbst erklärte gegenüber dem „New York Magazine“, dass ihr natürlich Fehler unterlaufen seien – „das mindert aber nicht die Hundert Dinge, die ich richtig gemacht habe“.