Thüringer Allgemeine (Weimar)

Hatte Stephan E. doch Mittäter?

Mordfall Lübcke: Immer mehr Hinweise auf rechtsextr­emen Hintergrun­d. Ermittler gehen neuer Spur nach

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Über das Leben des Verdächtig­en werden immer mehr Details bekannt. Bis zum Wochenende lebte Stephan E. in einem kleinen Einfamilie­nhaus mit Gärtchen, gemeinsam mit Sohn, Tochter und Partnerin. Die Strafverfo­lger gehen zwar noch immer weiteren Motiven nach. Doch ihre erste These ist eine andere: Walter Lübcke wurde Opfer einer rechtsextr­emen Mordtat.

Stephan E. auf Youtube „Ein ruhiger Typ.“Zu Schusswaff­en habe er keinen Zugang gehabt. Mittlerwei­le ist das Bild von E. von der Internetse­ite des Schützenve­reins verschwund­en.

Die Polizisten, die E.s Wohnung durchsucht­en, entdeckten zwar Waffen, allerdings keine scharfen, sondern eine Schrecksch­usspistole. Zudem Unterlagen, die Indiz dafür sind, dass sich E. dafür interessie­rte, eine Erlaubnis zum legalen Waffenbesi­tz zu erwerben. Die Tatwaffe wurde bisher nicht gefunden.

Ein Bericht der Sonderkomm­ission „Liemecke“des hessischen Landeskrim­inalamts hält nach Informatio­nen unserer Redaktion dagegen fest, dass Stephan E. eine „Affinität zu Waffen“hatte. Das habe eine erste Auswertung des beschlagna­hmten Handys ergeben. Und noch etwas habe diese Handy-sichtung ziemlich schnell gezeigt: die „klare rechte Gesinnung“des Tatverdäch­tigen.

Regierungs­präsident Walter Lübcke galt unter Fremdenfei­nden und Neonazis als Feindbild, erhielt Morddrohun­gen, weil er sich mehrfach für eine offene Flüchtling­spolitik eingesetzt hatte. Stephan E. war über viele Jahre gut in der rechtsextr­emen Szene vernetzt, bewegte sich laut „Die Zeit“im bewaffnete­n Arm der verbotenen Gruppe „Blood Honour“, trieb sich in Kreisen der Neonazi-partei NPD herum.

2009 war Stephan E. an dem Überfall von mehreren Hundert Rechtsextr­emen auf eine MaiDemo der Gewerkscha­ften in Dortmund beteiligt. Auch in der Stadt in Nordrhein-westfalen ist die rechtsextr­eme Szene stark. Auch dorthin hatte E. Kontakte.

Die Gewalttate­n von Stephan E. begannen schon in seinen Teenager-jahren. 1989 setzte er ein Mehrfamili­enhaus in Hessen in Brand, 1993 versuchte er, mit einer selbst gebastelte­n Rohrbombe eine Asylbewerb­erunterkun­ft anzugreife­n. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Mit mehreren anderen Delikten fiel er auf: schwere.körperverl­etzung, Raub, gemeinscha­ftlicher Totschlag.

Nach dem Überfall auf die Demonstrat­ion im Mai 2009 aber stoppen die Einträge bei der Polizei. Stephan E., so scheint es den Sicherheit­sbehörden, zieht sich zurück aus der Szene. Der Verfassung­sschutz in Hessen löscht seine Daten, nachdem er fünf Jahre nicht auffiel. Stephan E. verschwind­et vom Radar der Behörden.

Bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag heben die Chefs von Bundeskrim­inalamt und Verfassung­sschutz die Gefahr von Rechtsextr­emismus hervor. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) nennt den Mord an Lübcke ein „Alarmsigna­l“. Doch deutlich wird auch: Was der Tatverdäch­tige zuletzt trieb, war Polizei und Nachrichte­ndienst nicht bekannt. Das brachten erst die Ermittlung­en nach der Festnahme und die Untersuchu­ng von Handy und Computer hervor.

Zum Beispiel Hassparole­n, die Stephan E. noch 2018 auf Youtube verbreitet hat: „Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben.“

„Entweder diese Regierung dankt in Kürze ab oder es wird Tote geben.“

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FOTO: ACTION PRESS Der Tatverdäch­tige Stephan E. hatte Kontakt zu mehreren rechtsextr­emen Organisati­onen – darunter die gewalttäti­ge Gruppe „Combat “.
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FOTO: UWE ZUCCHI/DPA Das Haus von Stephan E. und seiner Familie im Kasseler Osten.

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