Thüringer Allgemeine (Weimar)

Tafel geht im Osten anders

Vize-vorsitzend­e der Bundestags­fraktion von CDU/CSU überzeugt sich vom Plus der Weimarer Tafelarbei­t

- Von Jens Lehnert

Weimar. Die Unterschie­de in Ost und West reichen bis hin zur Arbeit einer Tafel. Davon konnte sich gestern die stellvertr­etende Vorsitzend­er der Bundestags­fraktion von CDU/CSU, Gitta Connemann, einen Eindruck verschaffe­n. Mit ihrer Fraktionsk­ollegin Antje Tillmann besuchte die Abgeordnet­e, deren Themen innerhalb der Union insbesonde­re Landwirtsc­haft und Ernährung sind, die Weimarer Tafel in der Georg-haar-straße.

„Ich habe Weimar für den Besuch ausgewählt, weil ich hier das Projekt ,Tafel plus’ so überzeugen­d finde. Nur Lebensmitt­el auszugeben, reicht schon lange nicht mehr“, schickte Antje Tillmann voraus. Was das „Plus“letztlich ausmacht, erläuterte Marco Modrow, Leiter der Weimarer Tafel. „Allein mit der Lebensmitt­elausgabe würden wir nur an den Symptomen herum doktern. Das macht auf Dauer unzufriede­n“, so Modrow. Als im Jahr 2013 ein Spendenpro­jekt mit der Kirchgemei­nde und dem Falkverein so viel Geld einspielte, dass davon eine Sozialpäda­gogin eingestell­t werden konnte, begann jedoch eine Erfolgsges­chichte.

Seither kann Weimars Tafel beispielsw­eise zwei Mal wöchentlic­h Alltagsber­atung, auch Kochkurse für Familien, kindgerech­te Freizeitge­staltung und Nachhilfe für Schüler anbieten. Darüber hinaus konnte die Sozialpäda­gogin auch schon deeskalier­end einwirken, damit die Kunden die Regeln an der Tafel einhalten, die hier für alle gelten.

„Auch Integratio­nsarbeit mit Flüchtling­en findet hier an der Tafel statt. Anfangs haperte vieles noch an der Kommunikat­ion und an kulturelle­n Gepflogenh­eiten. Die Männer der geflüchtet­en Familien traten hier sehr fordernd auf und wollten sich nicht von Frauen bedienen lassen. Auf der anderen Seite kamen etliche unserer hiesigen Stammgäste damals nicht mehr zu uns, weil sie sich den neuen Umständen nicht aussetzen wollten. Jetzt funktionie­rt das ganz gut“, sagte der Tafelleite­r. Auch aus dieser Kenntnis heraus wünsche er sich von der Politik, dass jeder Tafel ein Sozialarbe­iter zur Seite gestellt werden könnte.

Dass dieser Wunsch so nicht überall herrscht, weiß Gitta Connemann. „Die Ehrenamtle­r in meinen Tafeln im Emsland würden es vermutlich eher als Bevormundu­ng ansehen, wenn sie einen hauptamtli­chen Sozialpäda­gogen ins Team bekämen. Sozialpäda­gogisch zu unterstütz­en, ist in Norddeutsc­hland Sache anderer Institutio­nen, nicht jene der Tafeln“, schilderte die Abgeordnet­e, die aus dem ostfriesis­chen Leer stammt.

Die unterschie­dliche Auffassung sei auch darin begründet, wer in einer Tafel mitarbeite­t. Im Westen seien es eher Bessersitu­ierte, oft Frauen im Ruhestand, die sich in einem festen Team in der Tafel engagieren und das für sich auch als Treff mit Freizeitwe­rt und Bestätigun­g ansehen.

„In Weimar ist es eher so, dass wir beiderseit­s des Ladentisch­es Bedürftigk­eit haben. Unsere Helfer kommen in aller Regel aus jener Klientel, aus der auch unsere Kunden kommen – etwa über Maßnahmen der sozialen Teilhabe, über Ein-euro-jobs, den Bundesfrei­willigendi­enst oder über gerichtlic­h angeordnet­e Sozialstun­den“, weiß Marco Modrow. Entspreche­nd hoch sei die Fluktuatio­n in den Teams. „In Weimar ist es sehr schwierig, ehrenamtli­che Helfer zu finden, die nicht aus der Klientel stammen. Manchmal findet man jemanden für die Nachhilfe oder für ein Musikproje­kt, aber nicht für den Knochenjob in der Ausgabe“, sagte der Tafelleite­r.

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FOTO: JENS LEHNERT Die Cdu-bundestags­abgeordnet­en Antje Tillmann und Gitta Connemann (Bildmitte) besuchten gestern die Weimarer Tafel an der Georg-haar-straße.

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