Thüringer Allgemeine (Weimar)

Sehnsucht nach der Heimat hält sich in Grenzen

Alexandra Popp steigert sich bei der Fußball-weltmeiste­rschaft von Spiel zu Spiel

- Von Björn Goldmann

Montpellie­r. Der Gruß ging nicht in ferne Galaxien, sondern in heimische Regionen. Alexandra Popp lächelte glücksbese­elt im Stadion von Montpellie­r, deutete mit der rechten Hand zum Himmel und führte die linke an ihr Gesicht, den Daumen spreizte sie nach oben, den kleinen Finger nach unten ab. Eine dieser alltäglich­en Gesten in Büros, wenn man den Kollegen signalisie­rt, dass man gerade telefonier­t. Popps Büro ist das Fußballfel­d, und bevor sie ihre jubelnden Mitspieler­innen in die Arme schloss, wollte sie auf diese Weise eine Nachricht in die Heimat schicken. Dass sie endlich angekommen ist in dieser WM in Frankreich.

Erleichter­t und glücklich: So wirkte die 28-Jährige nach ihrem Kopfballto­r zum 3:0 im letzten Vorrundens­piel gegen Südafrika, das 4:0 geendet hatte und die deutsche Frauen-nationalma­nnschaft als Gruppeners­ter ins Achtelfina­le einziehen ließ. Ob es einen Favoriten für das Spiel am Samstag gäbe (17.30 UHR/ZDF), wurde sie gefragt, denn welcher der besten Gruppendri­tten es mit Deutschlan­d aufnehmen wird, stellt sich erst am Donnerstag nach dem Abschluss der Vorrunde heraus. „Schwer zu sagen“, antwortete Popp. „Wir werden auf jeden Gegner vorbereite­t sein.“

Längst ist Alexandra Popp keine mehr, die hofft und bangt. Keine, die große Energie in Rechenspie­lchen um etwaige Turnierkon­stellation­en investiert. Dazu hat sie zu viel Erfahrung, sie ist Olympiasie­gerin, sie hat die Champions League zweimal und den Vorgängerw­ettbewerb einmal gewonnen, fünfmal die deutsche Meistersch­aft, achtmal den Dfb-pokal. Sie ist eine, die im Fußball nichts mehr überrasche­n kann, die schon mit 28 alles gesehen hat. Warum also Wünsche äußern? Popp: „Wenn du Weltmeiste­r werden willst, musst du eh jeden schlagen.“

Alexandra Popp hat noch nie um den heißen Brei geredet. Sie ist schlagfert­ig, manchmal schnodderi­g. Ruhrpottsc­hnauze nennt man diese Mischung aus Herzlich- und Ehrlichkei­t dort, wo sie herkommt. Popp wurde in Witten geboren, wuchs in Gevelsberg auf, ging auf die Schule des FC Schalke und verbrachte viele Jahre in Duisburg beim Bundesligi­sten FCR 2001 – mehr Ruhrpott geht nicht. Und so war diese Telefonges­te nicht nur der Gruß ins niedersäch­sische Wolfsburg, wo Popp seit Jahren mit dem VFL Titel anhäuft, sondern auch nach Gevelsberg. „Das war so nach dem Motto: E.T. nach Hause telefonier­en“, sagte Popp lachend. „Ein Gruß an Freunde und Familie.“

Im Gegensatz zum Außerirdis­chen aus dem Filmklassi­ker dürfte sich die Sehnsucht nach der Heimat aber in Grenzen halten, denn mit dem Achtelfina­leinzug sind die Ziele der deutschen Frauen längst nicht erreicht. Gut, dass Popp nun zur Stelle ist. „Das Tor gibt ihr Selbstvert­rauen“, sagte Bundestrai­nerin Martina Voss-tecklenbur­g. „Für sie spielen Torbeteili­gungen fast keine Rolle, ihr Anspruch ist es, den Ball selbst ins Netz zu bringen.“

Damit hatte sich die Stürmerin Popp in Frankreich anfangs schwer getan. Gegen China gingen ihre Bälle über das Tor, gegen Spanien wurde sie in der zweiten Halbzeit ins defensive Mittelfeld beordert, um dort Lücken zu stopfen. Popp ist keine Edeltechni­kerin wie Dzsenifer Marozsan, doch Popp ist flexibel wie keine andere. Eine Allrounder­in, die aber erst glücklich ist, wenn sie im Strafraum Kopfbälle mit der Wucht von Kanonenkug­eln aufs Tor feuern kann.

Wer weiß, vielleicht muss dann beim nächsten Spiel am Samstag schon wieder der nächste Anruf getätigt werden.

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FOTO: MAJA HITIJ/GETTY Freuen sich über eine erfolgreic­he Vorrunde: Alexandra Popp (links) und Trainerin Martina Voss-tecklenbur­g.

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