Thüringer Allgemeine (Weimar)

Cdu-chefin vor heißem Sommer

Annegret Kramp-karrenbaue­r muss um ihren Ruf und die Rolle ihrer Partei kämpfen. Die Zeit ist knapp

- Von Kerstin Münsterman­n

Berlin. Es brodelt in der CDU. Gewissheit­en sind dabei, sich aufzulösen. Die Gewissheit etwa, dass man gemeinsam mit der CSU als Union die entscheide­nde politische Größe in Deutschlan­d ist. Die Gewissheit, dass man seit Jahrzehnte­n den Kanzler stellt. Die Gewissheit, dass man die Partei der bürgerlich­en Mitte ist.

Und mittendrin in dieser Erosion der Gewiss- und Gewohnheit­en steht die Vorsitzend­e Annegret Kramp-karrenbaue­r. Ihre Partei ist in den Umfragen nach der Europawahl auf um die 25 Prozent abgestürzt, liegt teils gleich auf mit den Grünen. Die persönlich­en Umfragewer­te der 56 Jahre alten Parteichef­in sind dramatisch in den Keller gegangen. Sie hat gerade kein politische­s Fortune, vieles ist ungeschick­t, manches ungerecht. Der parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Michael GrosseBröm­er drückte es am Dienstag auf die Frage nach dem Rückhalt so aus: Jeden Tag werde bei Kramp-karrenbaue­r „irgendetwa­s gefunden. Entweder sie sagt zu irgendeine­m Thema nichts,

„Von meiner Partei erwarte ich eine Priorität Ost.“

Mike Mohring, CDU-CHEF Thüringen kannt, dass in der Stadtvertr­etung der mecklenbur­gischen 3000-Einwohner-stadt Penzlin die CDU bei der Wahl von Ausschussv­ertretern eine sogenannte Zählgemein­schaft mit dem einzigen Afd-vertreter gebildet hatte. Im Nachrichte­ndienst Twitter fordern Cdu-vertreter bereits ein Ausschluss­verfahren für die Cdu-politiker vor Ort. Aller Voraussich­t nach wird dieser Vorfall nicht der letzte gewesen sein. Die Cdu-chefin muss diese kleinen Feuer austreten, bevor sie zum Flächenbra­nd werden.

Die Rivalen Mit dem ehemaligen Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz, Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn stehen drei potenziell­e Kandidaten bereit, die sich die Kanzlerkan­didatur zutrauen. Merz hält sich selbst für geeignet. Laschet, der dem mächtigen Landesverb­and NRW vorsteht, sieht sich mindestens in der Rolle des Königsmach­ers und Spahn nutzt seine Popularitä­t als einer der wenigen umtriebige­n Minister der Regierung geschickt. Mit den Mühen der Parteiarbe­it, die Kramp-karrenbaue­r erledigen muss, haben sie nichts zu tun.

Kommunikat­ion und Personal Was AKK rund um die Europawahl auf die Füße gefallen ist, war die Kommunikat­ion – nach innen und außen. Ein Desaster war die ausgeblieb­ene Antwort auf die Vorwürfe, die der Youtuber Rezo in einem Video veröffentl­ichte. Das Potenzial der „Fridays for Future“-bewegung erkannte man zu spät. Die interne Wahlanalys­e, die einen Rechtsschw­enk unter anderem der Jungen Union als Grund für das Wahldebake­l ausfindig machte, war umstritten. Besonders in Cdu-kreisen, die der Vorsitzend­en nicht wohlgesonn­en sind, wurde ihr Vertrauter aus Saarbrücke­r Tagen, Nico Lange, zum Schuldigen erkoren. Er galt zunächst als Kandidat für den vakant gewordenen Posten des Bundesgesc­häftsführe­rs. Lange wird nun eine Art politische­r Kopf des Adenauer-hauses. Die Geschäftsf­ührerstell­e als Verwaltung­schef geht an Stefan Hennewig, einem langjährig­er Mitarbeite­r im Konrad-adenauer-haus. Was Kramp-karrenbaue­r aber dennoch fehle, so definieren es Freunde wie Feinde, sei ein in Berlin erfahrener und vernetzter Berater. Und Social-media-leute, die sich im Netz bestens auskennen.

Wahlen im Osten Der thüringisc­he Landeschef und Spitzenkan­didat Mike Mohring reibt sich im Thüringer Wahlkampf zwischen dem Linke-ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow auf der einen und Afd-rechtsauße­n Björn Höcke auf der anderen Seite auf. Ihm fehlt zunehmend das Verständni­s für seine Partei. „Vertrauen gewinnt man durch Inhalte, nicht durch Personalde­batten. Von meiner Partei erwarte ich eine Priorität Ost“, sagte er unserer Redaktion. Dazu gehöre, dass die Bundesregi­erung das Paket zur Steuerung der Migration durchsetze. Die große Koalition müsse umsetzen, was sie zur Grundrente (eine Rente für besonders Bedürftige) im Koalitions­vertrag beschlosse­n hat. Mohring betont, dass es der Cdu-chefin und der Partei gelingen müsse „Politik aus dem Koordinate­nsystem der Union heraus zu entwickeln und zu erklären.“Es soll über den Sommer hinweg ein Energie-konzept geben. Es muss schnell kommen und überzeugen­d sein, so die Erwartung der Wahlkämpfe­r. Die Sommerpaus­e fällt für die Cdu-chefin dieses Jahr aus.

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FOTO: RETO KLAR Sommerzeit: Auf Cdu-chefin Annegret Kramp-karrenbaue­r – das Foto entstand in ihrer Zeit als Generalsek­retärin – warten große Herausford­erungen.
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FOTO: DPA Jens Spahn wirbt für die Widerspruc­hslösung.

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