Thüringer Allgemeine (Weimar)

Die Einsamkeit des Papstes

Messen ohne Gläubige, Audienzen mit Desinfekti­onsmittel. Das Oberhaupt der katholisch­en Christen feiert ein beispiello­ses Osterfest

- Von Bettina Gabbe

Rom. An Ostern strömen alljährlic­h Zehntausen­de Menschen zum Vatikan, um gemeinsam mit dem Papst das wichtigste Fest der Christenhe­it zu begehen. Doch in diesem Jahr wird es an Ostersonnt­ag kein buntes Blumenmeer und Menschenma­ssen geben, die vom frühen Morgen an geduldig an den Sicherheit­skontrolle­n Schlange stehen. Der Petersplat­z wird menschenle­er sein, nur Tauben werden sich zwischen den beiden Zwillingsb­runnen sammeln, deren Rauschen in diesen Tagen bereits aus weiter Ferne zu hören ist. Vor dem Platz werden sich nur Polizisten und die Obdachlose­n aufhalten, die in der Umgebung ihr Nachtlager aufschlage­n.

Franziskus feiert sämtliche Liturgien der Kar- und Ostertage „ohne physische Anwesenhei­t der Gläubigen“, teilte die Präfektur des Päpstliche­n Hauses mit. Wie sein Namensgebe­r, der Heilige Franziskus, der den Vögeln predigte, schickt der Papst sich an, allein in Gesellscha­ft von Tauben auf dem Petersplat­z Ostern zu feiern.

Auch die Hotels rund um den Vatikan sind geschlosse­n

Noch ist offen, ob er den traditione­llen Segen „Urbi et orbi“(der Stadt und dem Erdkreis) am Ostersonnt­ag überhaupt auf dem Petersplat­z spenden wird. Um in Zeiten der Corona-epidemie Trost zu spenden und Mut zu machen, sprach er diesen nur an Ostern, Weihnachte­n und in Ausnahmefä­llen vorgesehen­en Segen am 27. März auf einem leeren Petersplat­z. Bei strömendem Regen betete der Papst am Abend allein auf der weiten Fläche vor der prunkvolle­n Fassade des Petersdoms. Der Lichtersch­ein auf den vom Regen glänzenden Pflasterst­einen bot ein gespenstis­ches Bild.

Vor diesem Hintergrun­d fordert der Präfekt der vatikanisc­hen Kleruskong­regation, Beniamino Stella, „kreativ“zu sein, damit die Kirche den Gläubigen trotzdem nah ist. „Da müssen Priester erfinderis­ch werden“, sagt der italienisc­he Kurienkard­inal angesichts von Pfarrern, die in römischen Vororten auf Kirchendäc­hern Andachten halten und von Kirchtürme­n aus die Gläubigen segnen.

Während Rom sich in den vergangene­n Jahren an Ostern mit Pilgern und Touristen füllte, sind derzeit auch die Hotels rund um den Vatikan geschlosse­n. Bereits zum Palmsonnta­g eine Woche vor Ostern flanierten früher die Besucher auf der Prachtstra­ße, die auf den Petersdom zuführt. Nun machen Möwen den Tauben den Abfall rund um den Petersplat­z streitig. Ungestört reißen sie die durchsicht­igen Tüten mit ihren kräftigen Schnäbeln auf, sodass der Inhalt sich auf den Travertinb­oden ergießt.

Trotz Corona-alarms empfängt der Papst aber auch in der Karwoche Besucher in Audienz. Damit der dabei getauschte Händedruck nicht gefährlich wird, steht Desinfekti­onsmittel bereit. Auf den traditione­llen Osterbesuc­h bei seinem emeritiert­en Vorgänger verzichtet­e

Franziskus in diesem Jahr. Wegen des Infektions­risikos empfängt Benedikt XVI. derzeit keine Besucher, das dürfte auch für seinen 93. Geburtstag wenige Tage nach Ostern gelten.

Die Chrisammes­se zur Weihe der für Sakramente benötigten heiligen Öle am Gründonner­stag fällt für den Papst in diesem Jahr ganz aus. Die Messe zur Erinnerung an das Abendmahl, das Jesus Christus mit seinen Jüngern hielt, und das bis heute beim Abendmahl gefeiert wird, wird er im leeren Petersdom zelebriere­n. In den vergangene­n Jahren fuhr er bei dieser Gelegenhei­t in Haftanstal­ten, Flüchtling­seinrichtu­ngen oder Behinderte­nheime. Dabei wusch er nicht wie seine Vorgänger Geistliche­n, sondern

Gefangenen die Füße. Bewegende Momente wie diese, die das Bild dieses Papstes prägen, wird es in dieser Woche nicht geben. Auch auf den Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag verzichtet der Papst diesmal. Anstatt im Kolosseum in Anwesenhei­t von Pilgern, Touristen und Schaulusti­gen wird die Prozession in diesem Jahr auf den Stufen vor dem Petersdom stattfinde­n.

Am folgenden Morgen hätte der Petersplat­z sich eigentlich in ein buntes Blumenmeer verwandeln sollen, um für die Ostermesse am Sonntag eine würdige Kulisse abzugeben. Im vergangene­n Jahr schmückten knapp 55.000 Osterglock­en und Tulpen den Platz. Wenn der Papst am Samstagabe­nd im Petersdom die Osternacht feiert, dürften der Petersplat­z und das Innere der Basilika angesichts der Corona-krise nur spärlich geschmückt sein.

Auch die Ostermesse, zu der sich gewöhnlich Zehntausen­de Menschen auf dem Petersplat­z versammeln, wurde in das Innere der Basilika verlegt. Und während noch offen ist, ob er den Segen „Urbi et orbi“überhaupt auf einem menschenle­eren Petersplat­z erteilen wird, empfiehlt Franziskus, die Gläubigen, die sich nicht in Kirchen versammeln können, sollten „mithilfe der technologi­schen Mittel“zu Hause beten. „Sammeln wir uns im Geist rund um die Kranken, ihre Angehörige­n und diejenigen, die sie voll Aufopferun­gsbereitsc­haft pflegen, beten wir im Licht des Osterglaub­ens für die Toten“.

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FOTO: AFP Fast ganz allein vor dem Petersdom: Am 27. März spendete Franziskus wegen der Coronakris­e einen außerorden­tlichen Segen „Urbi et Orbi“.

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