Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Wir leben weiter in der Pandemie“

Kanzlerin nach 14-tägiger Quarantäne zurück. Merkel arbeitet an einer Exit-strategie, nennt aber kein Datum

- Von Alessandro Peduto und Miguel Sanches

Berlin. Ostern rückt näher, die 14-tägige Quarantäne von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ist zu Ende – die Corona-krise hingegen noch lange nicht. Die Zahl der mit dem Virus infizierte­n Bürger steigt. Am Montag überschrit­t sie die 100.000er-grenze. „Wir leben weiter in der Pandemie“, stellte Merkel klar. Am Dienstag nach Ostern will sie mit den Ministerpr­äsidenten der 16 Bundesländ­er darüber beraten, ob und wann die zumeist bis zum 19. April datierten Kontaktauf­lagen reduziert werden. Die Beschlüsse und Merkels Positionen:

Exit-strategie ohne Enddatum

Das öffentlich­e Leben wird nicht abrupt, sondern schrittwei­se hochgefahr­en. Merkel wäre nach ihren eigenen Worten eine schlechte Kanzlerin, „wenn wir jetzt schon ein Datum nennen würden“. Vor allem glaubt sie, dass sich die Diskussion drehen würde, wenn mehr Menschen sterben, weil das Gesundheit­ssystem überforder­t wird. Merkel will keine Auflagen erst lockern und dann wieder neu anordnen müssen. Auch Saar-ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) warnt vor einer Lockerung. „Es gibt derzeit keinen Grund zur Entwarnung“, sagte er unserer Redaktion. Nach wie vor seien die Infektions­zahlen sehr hoch, mit einem schnellen Rückgang sei nicht zu rechnen.

Garantie für die Maskenhers­teller

37 Millionen Masken sind zuletzt eingegange­n. Die weltweite Beschaffun­g des Mundschutz­es läuft auf Hochtouren. Merkel hat aus dem Verlauf der Krise gelernt, „dass wir eine gewisse Souveränit­ät brauchen, eine Säule der Anfertigun­g“. Eine Reihe von Unternehme­n hat angeboten, bei der Produktion einzusprin­gen. Damit sie Planungssi­cherheit haben, will ihnen Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) einen Rahmenvert­rag bis Ende 2020 anbieten. Das läuft auf eine Abnahmegar­antie hinaus. Der Bund will zudem sicherstel­len, dass auch die Ausgangsst­offe für die Produktion erhältlich sind.

Meldepflic­ht für Intensivbe­tten Derzeit sind nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums 10.000 Betten in der Intensivme­dizin frei. Bisher werden sie freiwillig gemeldet. Jetzt will Spahn die Kliniken verpflicht­en,

Das Coronaviru­s in Deutschlan­d

Wie es sich verbreitet, die aktuellen Todeszahle­n, wo es die meisten Fälle gibt – auf unserer interaktiv­en Karte: ihre Kapazitäte­n täglich zu melden. „Wenn alle transparen­t zusammenar­beiten, gelingt eine bessere Versorgung“, sagte er. Gestern hatten 1015 der 1160 Krankenhäu­ser freie Betten angemeldet. Der Bund will keinen Ausgleich zwischen den Hospitäler­n organisier­en. Das ist Sache der Länder.

Quarantäne für Einreisend­e

Nach zweiwöchig­em Hickhack hinter den Kulissen hat sich Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) mit seiner Forderung durchgeset­zt, allen Einreisend­en eine 14-tägige Quarantäne vorzuschre­iben. Tatsächlic­h kann eine Quarantäne nicht von der Bundespoli­zei angeordnet werden, sondern nur von den örtlichen Gesundheit­sämtern.

Seehofer ist darauf angewiesen, dass alle 16 Bundesländ­er mitziehen. Der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) feiert es als Erfolg, dass er Schließung­en an den Grenzen nach Holland und Belgien verhindert hat: „Der Kampf hat sich gelohnt, die Grenze bleibt offen – ein guter Tag für Nordrhein-westfalen!“

Sofortkred­ite für den Mittelstan­d Die bisherigen Hilfsprogr­amme haben strukturel­l einen Nachteil: Der Staat haftete nur zu 90 Prozent für die Kredite. Das bedeutet, dass die Banken für die restlichen zehn Prozent die Antragstel­ler prüfen mussten. Das ist aufwendig, dabei vergeht Zeit, „die nicht jeder hat“, erkannte Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD). Überforder­t werden gerade kleinere Unternehme­n. Damit deren Liquidität nicht leidet, haben Scholz und Wirtschaft­sminister Peter

Altmaier (CDU) ein Schnellkre­ditprogram­m aufgelegt: Wer schon 2019 aktiv war, Gewinne erzielte und kreditwürd­ig war, soll schnell und unbürokrat­isch Kredite von bis zu 500.000 Euro (bis zu einer Größe von 50 Mitarbeite­rn) erhalten, für noch größere Betriebe sogar 800.000 Euro. Und ab jetzt bürgt der Bund zu 100 Prozent.

„Auch Deutschlan­d wird es auf Dauer nur gut gehen, wenn es Europa gut geht.“Angela Merkel, Bundeskanz­lerin

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FOTO: FRISO GENTSCH / AFP Neue Auftragsla­ge: Mitarbeite­r der Textilabte­ilung des Automobilz­ulieferers Zender fertigen Schutzmask­en.
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