Österreich lockert die Zügel
Die Regierung in Wien will die Einschränkungen schrittweise aufheben – will aber notfalls erneut die „Stopptaste“drücken
Wien. Der Kanzler trägt sie bei jedem öffentlichen Auftritt, auch der Vizekanzler und alle Abgeordneten im Parlament. Nur Vertreter der FPÖ wollen ihre Kollegen offenbar nicht schützen. Maske ist in in Österreich. Es werden bereits Gesichtsmasken geschneidert, die zu Trachtenmode wie Dirndln passen. Seit einigen Tagen gilt eine Maskentragepflicht im Supermarkt. Nun wird diese Pflicht ausgedehnt – das soll die schrittweise Lockerung der verhängten Restriktionen, die nun kommen soll, abfedern.
Tatsächlich entwickeln sich die Infektionszahlen in der Alpenrepublik gut – sowohl bei den Neuansteckungen
als auch bei jenen, die auf Intensivstationen behandelt werden müssen, flacht die Kurve ab. Am Montag verzeichnete das Land rund 12.000 gemeldete Infektionen und 220 Todesfälle. Die Zahl der Infektionen verdoppelt sich inzwischen nur noch alle drei Wochen.
Daher hat sich die Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen darauf verständigt, dass Geschäfte bis 400 Quadratmeter Fläche sowie Bau- und Gartenmärkte ab dem 14. April wieder öffnen dürfen. Es soll aber strenge Einlasskontrollen geben, damit pro 20 Quadratmeter nur ein Kunde im Laden ist.
Die Lockerungen nach Ostern gehören zum „Auferstehungsversprechen“von Kanzler Sebastian
Kurz, das er vor drei Wochen gegeben hat. Sie sind vor allem ein Signal an die Wirtschaft. Ab 1. Mai sollen alle Geschäfte wieder öffnen dürfen – nur große Einkaufszentren und Friseure sollen bis Mitte Mai geschlossen bleiben. Hotels und Gastronomie dürfen voraussichtlich Mitte Mai wieder öffnen. Veranstaltungen dürfen bis mindestens Ende Juni keine stattfinden.
Im Gegenzug wird an vielen Orten Maskenpflicht eingeführt: Just in dem Land, in dem eigentlich Vermummungsverbot gilt, müssen sich die Bürger in sämtlichen Läden, aber auch in allen öffentlichen Verkehrsmitteln ein Tuch oder etwas Ähnliches vor Mund und Nase binden. Kurz betonte am Montag, dass die Kurve nicht erneut in die Höhe schnellen dürfe: „Das geht mit Disziplin, einer möglichst breiten Testung, Big Data und auch der Nutzung von Schutzmasken im öffentlichen Raum.“Falls die Fallzahlen wieder stiegen, würde die Stopptaste gedrückt, so Kurz.
Familienfeste und Ausflüge sowie
Besuche in Pflege- und Seniorenheimen bleiben untersagt. Lockerungen wird es hingegen auch im Bildungswesen geben – die Schulen sollen Mitte Mai wieder öffnen.
Die meisten Österreicher begrüßen die bisherigen Einschränkungen. Das hat vor allem mit der Kommunikationsstrategie der Regierung zu tun. Der Kanzler und der grüne Gesundheitsminister Rudolf Anschober haben mit einer Mischung aus Blut-schweiß-und-tränen-ansprachen und der Einladung an die Österreicher, ein heroisches Projekt zum Erfolg zu führen, die Bürger auf ihre Seite gezogen. In einer Umfrage legten Kurz und Anschober bei den Vertrauenswerten um 32 Prozentpunkte zu.