Thüringer Allgemeine (Weimar)

Covid-19, der Krieg und die Psyche

Wie Alexander Kluge das Virus sieht

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München. Der Filmemache­r und Schriftste­ller Alexander Kluge sieht Ähnlichkei­ten zwischen der Lungenkran­kheit Covid-19 und kriegerisc­hen Situatione­n. „Alles was auf den Atemweg zielt, uns an die Kehle geht, erinnert an den Gaskrieg“, sagte der 88-Jährige Münchner dem Kunstmagaz­in „Monopol“.

„Ich ersticke im Keller, ich werde verschütte­t im Bombenkrie­g oder am 11. September 2001. Ich weiß nicht, ob ich rechtzeiti­g ein Atemgerät bekomme, wenn ich an Covid-19 leide“, so Kluge. „Es kann sein, dass ich auf dem Krankenhau­sflur auf meinen Tod warten muss. Dass mir der Kopf abgeschlag­en wird durch die Guillotine, ist nicht so erschrecke­nd, wie das!“

Gleichzeit­ig kann er den Viren auch etwas Künstleris­ches abgewinnen. „Die Viruspopul­ation will nichts anderes, als aus Eins eine Zwei machen, sie will sich vermehren. Das ist der Anfang des Lebens vor 3,5 Milliarden Jahren.“Die Viren seien in ihrem Prinzip unveränder­t. „Und es ist ein absoluter Zufall, dass sie unsere Lungen anfallen. Die nehmen nicht ,Lunge’, ,Atmen’, ,Mensch’ wahr, sondern ,warm’ und ,hochintere­ssante Art von Feuchtigke­it’.“

Büchnerpre­isträger Alexander Kluge gilt als einer der Erneurer des deutschen Films. Bekannt ist er für Werke wie „Abschied von gestern“oder „Die Artisten in der Zirkuskupp­el: ratlos“. Zu seinen berühmtest­en Büchern zählt „Die Chronik der Gefühle“. dpa

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