Popkönigin ohne Krone
Man kann es nicht oft genug sagen: Corona-partys sind aus gutem Grund verboten, unsinnig, unsozial und im schlimmsten Fall lebensgefährlich. Party machen im Kleinen aber nicht: zu zweit, allein oder per Videochat. Warum eigentlich nicht? Mit der richtigen Einstellung und Musik kann das durchaus gelingen.
Ein Album, das bei so einer Gelegenheit ohne Aussetzer durchlaufen könnte, hat die Norwegerin Annie vor elf Jahren veröffentlicht: „Don’t stop“heißt die Electropop-platte. Das Nichtaufhören ist in der Tat ein passendes Motto für jegliche Art von Feier, wenn auch kein realistisches. Aber man wird ja wohl noch Ansprüche haben dürfen. Eine gute Party macht sich schließlich nicht von alleine.
2009 war „Don’t stop“das nächste „heiße Ding“, von der Kritik gefeiert und punktgenau auf den Zeitgeist. Der Titeltrack, „My Love is better“oder „I don’t like your Band“haben bis heute kaum Patina angesetzt. Kreativen Output gab es zwar auch danach, inzwischen ist es etwas ruhiger um die Musikerin geworden.
Annie, die eigentlich auf den sicher nicht nur im Deutschen wunderbar klingenden Namen Anne Lilia Berge Strand hört, war nie eine der durchchoreographierten, fremdgesteuerten Popsternchen, die „nur“ihre Stimme beisteuert. Auf ihrer Homepage bezeichnet sie sich als Singer/songwriter sowie als Djane, Inhaberin einer Plattenfirma und als Rundum-popkönigin. Ein beeindruckendes Selbstverständnis.
Natürlich macht so ein Tausendsassa nicht alles allein. Auf „Don’t stop“gab es professionelle Rückendeckung von Produzenten wie Xenomania (Cher, Pet Shop Boys) und Paul Epworth (Adele, Rihanna), vier Hände der Indie-band Franz Ferdinand steuerten Gitarrenparts bei.
Auch optisch hatte die Musikerin alles richtig gemacht: die Kleidung stilvoll und in Maßen auffällig (Jeancharles de Castelbajac), Musikvideos und Coverfotos erinnerungswürdig, wie die beinahe schon legendäre Lippenstiftkette.
Warum Annie heute nicht (mehr) in einem Atemzug mit anderen Genregrößen und darüber hinaus genannt wird bleibt ein Mysterium des ewig unfairen Pop-marktes. Zum Glück ist Musik dank Konservierung auf Datenträgern keine flüchtige Kunstform mehr und bleibt der Nachwelt erhalten.
Also: Let‘s get this Party started. Aber bitte auf den Mindestabstand achten!
Damit Sie im Corona-shutdown nicht den Krisen-blues bekommen, stellen wir vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle veröffentlichten Folgen der Kolumne und die Playlist gibt es unter www.thueringer-allgemeine.de/blogs.