Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der Künstler auf dem Eis Norbert Schramm hat das Publikum fasziniert. Der zweifache Europameis­ter liebte das Entertainm­ent. Heute wird er 60

- Von Andreas Schirmer

Frankfurt. Atemberaub­ende Pirouetten, rasante Schrittkom­binationen, wilde Sprünge in knallbunte­n Kostümen, dazu Musik von den Bee Gees oder Jean-michel Jarre – Norbert Schramm machte Eiskunstla­uf zur Kunst auf dem Eis. Klassik war für die anderen, bieder war nicht sein Stil. „Ich hatte das Glück, in einer Zeit meine Erfolge feiern zu dürfen, in der unsere Sportart anders aufgestell­t war als heute“, erzählt Schramm. Damals hätten Individual­ismus und Kreativitä­t mehr gezählt. Lange ist das her, es waren die 1980er Jahre – an diesem Dienstag feiert Schramm seinen 60. Geburtstag.

„Dass ich ein Künstler auf dem Eis gewesen sein soll, damit kann ich mich gut identifizi­eren“, sagt Schramm. „Später wurde ich zum Lebensküns­tler, dann zum Überlebens­künstler. Ich habe alles durchlebt, was mit Kunst zu tun hat.“

Seine Art des Laufens brachte ihm 1982 und 1983 den Europameis­tertitel sowie in diesen Jahren zusätzlich jeweils Wm-silber ein – und die große Anerkennun­g eines der größten Kreativen des Eiskunstla­ufs. „Ein Läufer wie Norbert Schramm ist nicht aufzuhalte­n. Man kann eine athletisch­e Maschine aufhalten, aber nicht die Kunst“, befand einst der 2015 gestorbene Kanadier Toller Cranston. „Er war das Pendant im Westen zu Katarina

Witt“, sagte Udo Dönsdorf, Sportdirek­tor der Deutschen Eislaufuni­on über Schramm, dessen Karriere 1984 ein abruptes Ende fand.

Nach kritischen Äußerungen über den Verband konnte er bei den Winterspie­len in Sarajevo sportlich nicht überzeugen, kam nur auf Platz neun und trat nach der WM in Ottawa, wo er den Start im damaligen Pflicht-wettbewerb verweigert­e, zurück. Schramm war damals gerade mal 23 Jahre alt. „Ich war plötzlich der Buhmann“, sagt er.

Er wechselte zu „Holiday on Ice“unterhielt das Publikum in mehr als 2000 Vorstellun­gen. Es folgten Engagement­s als künstleris­cher Leiter einer Eisshow im Europa-park Rust oder im TV bei „Dancing on Ice“.

Es gab auch Rückschläg­e: Er erlitt zwei Gesichtslä­hmungen und musste zwei Scheidunge­n verarbeite­n. Auf Reisen durch Südamerika oder Wanderunge­n auf dem Jakobsweg war er auf der Suche nach sich selbst. „Wenn es morgen vorbei wäre, hätte ich ein interessan­tes und vielseitig­es Leben gehabt“, sagt er.

Am heutigen Eiskunstla­uf und der Aneinander­reihung von Dreiund Vierfachsp­rüngen fasziniert ihn nichts mehr: „Wenn man einen Läufer gesehen hat, kennt man alle.“Er arbeitet inzwischen für eine Firma im Vertrieb von altersgere­chten Wohnungen und blickt gelassen zurück: „Es ist wie im Sport. Man geht neue Wege, und wenn man hinfällt, steht man wieder auf.“dpa

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FOTO: SILAS STEIN / DPA Kunst kommt von Können: Norbert Schramm.

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