Der Künstler auf dem Eis Norbert Schramm hat das Publikum fasziniert. Der zweifache Europameister liebte das Entertainment. Heute wird er 60
Frankfurt. Atemberaubende Pirouetten, rasante Schrittkombinationen, wilde Sprünge in knallbunten Kostümen, dazu Musik von den Bee Gees oder Jean-michel Jarre – Norbert Schramm machte Eiskunstlauf zur Kunst auf dem Eis. Klassik war für die anderen, bieder war nicht sein Stil. „Ich hatte das Glück, in einer Zeit meine Erfolge feiern zu dürfen, in der unsere Sportart anders aufgestellt war als heute“, erzählt Schramm. Damals hätten Individualismus und Kreativität mehr gezählt. Lange ist das her, es waren die 1980er Jahre – an diesem Dienstag feiert Schramm seinen 60. Geburtstag.
„Dass ich ein Künstler auf dem Eis gewesen sein soll, damit kann ich mich gut identifizieren“, sagt Schramm. „Später wurde ich zum Lebenskünstler, dann zum Überlebenskünstler. Ich habe alles durchlebt, was mit Kunst zu tun hat.“
Seine Art des Laufens brachte ihm 1982 und 1983 den Europameistertitel sowie in diesen Jahren zusätzlich jeweils Wm-silber ein – und die große Anerkennung eines der größten Kreativen des Eiskunstlaufs. „Ein Läufer wie Norbert Schramm ist nicht aufzuhalten. Man kann eine athletische Maschine aufhalten, aber nicht die Kunst“, befand einst der 2015 gestorbene Kanadier Toller Cranston. „Er war das Pendant im Westen zu Katarina
Witt“, sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislaufunion über Schramm, dessen Karriere 1984 ein abruptes Ende fand.
Nach kritischen Äußerungen über den Verband konnte er bei den Winterspielen in Sarajevo sportlich nicht überzeugen, kam nur auf Platz neun und trat nach der WM in Ottawa, wo er den Start im damaligen Pflicht-wettbewerb verweigerte, zurück. Schramm war damals gerade mal 23 Jahre alt. „Ich war plötzlich der Buhmann“, sagt er.
Er wechselte zu „Holiday on Ice“unterhielt das Publikum in mehr als 2000 Vorstellungen. Es folgten Engagements als künstlerischer Leiter einer Eisshow im Europa-park Rust oder im TV bei „Dancing on Ice“.
Es gab auch Rückschläge: Er erlitt zwei Gesichtslähmungen und musste zwei Scheidungen verarbeiten. Auf Reisen durch Südamerika oder Wanderungen auf dem Jakobsweg war er auf der Suche nach sich selbst. „Wenn es morgen vorbei wäre, hätte ich ein interessantes und vielseitiges Leben gehabt“, sagt er.
Am heutigen Eiskunstlauf und der Aneinanderreihung von Dreiund Vierfachsprüngen fasziniert ihn nichts mehr: „Wenn man einen Läufer gesehen hat, kennt man alle.“Er arbeitet inzwischen für eine Firma im Vertrieb von altersgerechten Wohnungen und blickt gelassen zurück: „Es ist wie im Sport. Man geht neue Wege, und wenn man hinfällt, steht man wieder auf.“dpa