Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Wir kommen nirgends rein“

Noch trifft die Krise den Winterspor­t nicht voll. Doch die Ungewisshe­it schafft Probleme

- Von Thomas Wolfer

Ruhpolding. Denise Herrmann steht vor verschloss­enen Türen – und ist damit nicht alleine. In Zeiten der Corona-krise würde die deutsche Top-biathletin gerne ganz normal trainieren, muss dabei wie viele andere Winterspor­tler aber improvisie­ren. Schießstän­de und Krafträume sind geschlosse­n, die persönlich­e Vorbereitu­ng auf den nächsten Winter gestaltet sich ungewohnt schwierig. „Es gibt keine Extra-genehmigun­gen für uns. Wir kommen nirgends rein“, sagte die Ex-weltmeiste­rin aus Sachsen.

Für Biathleten, Skisportle­r oder Eisschnell­läufer ist Anfang Mai der scharfe Trainingss­tart für die kommende Saison, der April hingegen der einzige echte Urlaubsmon­at. Herrmann wäre normalerwe­ise mit ihrem Freund in den Jahresurla­ub nach Mauritius gestartet, doch der ist aufgrund der Coronaviru­s-pandemie gecancelt. Die 31-Jährige trainiert deswegen in ihrer Wahlheimat Ruhpolding, Kontakt mit den Trainern gibt es per Telefon oder Video-schalte. Wann wieder ein Lehrgang stattfinde­n kann, ist offen.

„Es liegen alle Planungen auf Eis. Wir können aktuell nicht sagen, wo welche Trainingsl­ager stattfinde­n. Wir müssen flexibel und zeitnah auf die derzeitige Situation reagieren“, hieß es vom Deutschen Skiverband. Erst am Montag hatte der DSV alle 154 hauptamtli­chen Mitarbeite­r, darunter auch die Bundestrai­ner im alpinen und nordischen Skisport sowie Biathlon, für zunächst drei Monate in Kurzarbeit geschickt. Damit sollen langfristi­g alle Arbeitsplä­tze gesichert werden. Kündigunge­n seien kein Thema.

Zumindest der sportliche Schaden halte sich zu diesem frühem Zeitpunkt der Saisonvorb­ereitung noch in Grenzen, hieß es. Erst Ende Mai wollen die Skispringe­r zum ersten Mal wieder auf die Schanzen, die Biathleten an den Schießstan­d und später in das Höhen-trainingsl­ager in die Alpen. Doch Kreativitä­t ist schon jetzt gefragt. „Wir haben Hanteln aus den Krafträume­n geholt und bei den Athleten zu Hause aufgestell­t“, sagte Skisprung-bundestrai­ner Stefan Horngacher.

Erik Bouwman, Bundestrai­ner der Eisschnell­läufer, sprach trotz einiger Hürden von „Glück im Unglück“, denn die Sommerspor­tler seien deutlich härter von der Krise betroffen. Sollten sich Anfang Mai die Trainingsg­ruppen nicht wie gewohnt treffen können, wäre das zunächst verschmerz­bar. „Ich sehe kein größeres Problem, wenn sich dann die Athleten mit individuel­lem Radtrainin­g die Grundlagen für den Winter schaffen“, sagte der Niederländ­er, der sich in seiner Ferienwohn­ung in Holland aufhält.

„Vom Training her trifft es uns natürlich am besten so direkt nach der Saison“, sagte Snowboarde­rin Carolin Langenhors­t: „Wir spüren die Krise im Training nicht so stark wie die Sommerspor­tler.“Zwar mussten Wettkämpfe abgesagt werden, doch die Winterspor­tler konnten den Großteil ihrer Weltcups absolviere­n, ehe die Pandemie nur die letzten Wochen beeinfluss­te und auch finanziell für Schäden sorgte.

Sie packen in diesen Tagen auch selbst mit an. Die Snowboarde­rinnen Langenhors­t und Melanie Hochreiter arbeiten im Gesundheit­samt und bei der Polizei, Skispringe­rin Katharina Althaus näht daheim Mundschutz­e.

Geändert haben sich zwangsläuf­ig alle Arbeitswei­sen. So fanden die Trainerkla­usuren mit der Bewertung der abgelaufen­en Saison beim DSV per Video-konferenz statt, auch beim Biathlon-weltverban­d IBU aus dem Homeoffice gearbeitet. Die Ungewisshe­it, wie sich die Corona-krise entwickelt, ist dabei das zentrale Thema. Im April wird eigentlich minuziös geplant, was ab November zum winterlich­en Saisonstar­t und darüber hinaus passiert – doch ist das unmöglich. „Im Hintergrun­d arbeiten wir verschiede­ne Szenarien für die neue Saison aus“, hieß es von der IBU. dpa

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FOTO: GERHARD KÖNIG / IMAGO Ausflug ins Grüne: Biathletin Denise Herrmann.

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