„Wir kommen nirgends rein“
Noch trifft die Krise den Wintersport nicht voll. Doch die Ungewissheit schafft Probleme
Ruhpolding. Denise Herrmann steht vor verschlossenen Türen – und ist damit nicht alleine. In Zeiten der Corona-krise würde die deutsche Top-biathletin gerne ganz normal trainieren, muss dabei wie viele andere Wintersportler aber improvisieren. Schießstände und Krafträume sind geschlossen, die persönliche Vorbereitung auf den nächsten Winter gestaltet sich ungewohnt schwierig. „Es gibt keine Extra-genehmigungen für uns. Wir kommen nirgends rein“, sagte die Ex-weltmeisterin aus Sachsen.
Für Biathleten, Skisportler oder Eisschnellläufer ist Anfang Mai der scharfe Trainingsstart für die kommende Saison, der April hingegen der einzige echte Urlaubsmonat. Herrmann wäre normalerweise mit ihrem Freund in den Jahresurlaub nach Mauritius gestartet, doch der ist aufgrund der Coronavirus-pandemie gecancelt. Die 31-Jährige trainiert deswegen in ihrer Wahlheimat Ruhpolding, Kontakt mit den Trainern gibt es per Telefon oder Video-schalte. Wann wieder ein Lehrgang stattfinden kann, ist offen.
„Es liegen alle Planungen auf Eis. Wir können aktuell nicht sagen, wo welche Trainingslager stattfinden. Wir müssen flexibel und zeitnah auf die derzeitige Situation reagieren“, hieß es vom Deutschen Skiverband. Erst am Montag hatte der DSV alle 154 hauptamtlichen Mitarbeiter, darunter auch die Bundestrainer im alpinen und nordischen Skisport sowie Biathlon, für zunächst drei Monate in Kurzarbeit geschickt. Damit sollen langfristig alle Arbeitsplätze gesichert werden. Kündigungen seien kein Thema.
Zumindest der sportliche Schaden halte sich zu diesem frühem Zeitpunkt der Saisonvorbereitung noch in Grenzen, hieß es. Erst Ende Mai wollen die Skispringer zum ersten Mal wieder auf die Schanzen, die Biathleten an den Schießstand und später in das Höhen-trainingslager in die Alpen. Doch Kreativität ist schon jetzt gefragt. „Wir haben Hanteln aus den Krafträumen geholt und bei den Athleten zu Hause aufgestellt“, sagte Skisprung-bundestrainer Stefan Horngacher.
Erik Bouwman, Bundestrainer der Eisschnellläufer, sprach trotz einiger Hürden von „Glück im Unglück“, denn die Sommersportler seien deutlich härter von der Krise betroffen. Sollten sich Anfang Mai die Trainingsgruppen nicht wie gewohnt treffen können, wäre das zunächst verschmerzbar. „Ich sehe kein größeres Problem, wenn sich dann die Athleten mit individuellem Radtraining die Grundlagen für den Winter schaffen“, sagte der Niederländer, der sich in seiner Ferienwohnung in Holland aufhält.
„Vom Training her trifft es uns natürlich am besten so direkt nach der Saison“, sagte Snowboarderin Carolin Langenhorst: „Wir spüren die Krise im Training nicht so stark wie die Sommersportler.“Zwar mussten Wettkämpfe abgesagt werden, doch die Wintersportler konnten den Großteil ihrer Weltcups absolvieren, ehe die Pandemie nur die letzten Wochen beeinflusste und auch finanziell für Schäden sorgte.
Sie packen in diesen Tagen auch selbst mit an. Die Snowboarderinnen Langenhorst und Melanie Hochreiter arbeiten im Gesundheitsamt und bei der Polizei, Skispringerin Katharina Althaus näht daheim Mundschutze.
Geändert haben sich zwangsläufig alle Arbeitsweisen. So fanden die Trainerklausuren mit der Bewertung der abgelaufenen Saison beim DSV per Video-konferenz statt, auch beim Biathlon-weltverband IBU aus dem Homeoffice gearbeitet. Die Ungewissheit, wie sich die Corona-krise entwickelt, ist dabei das zentrale Thema. Im April wird eigentlich minuziös geplant, was ab November zum winterlichen Saisonstart und darüber hinaus passiert – doch ist das unmöglich. „Im Hintergrund arbeiten wir verschiedene Szenarien für die neue Saison aus“, hieß es von der IBU. dpa