Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Nur rumlungern ist nicht schön“Interview der Woche Tobias Zinserling aus Apolda und sein kleines Fitnessstu­dio daheim

- Von Michael Ulbrich

Apolda. Die Ziele waren hoch gesteckt in diesem Jahr. Jetzt aber ist alles offen für Tobias Zinserling aus Apolda. Der Kraftsport­ler nutzt die Corona-zeit auf seine Art.

Wie trainieren Sie?

Die Situation ist schwierig. Wir haben aus unserem Trainingsk­eller ein paar Geräte zu mir nach Hause geholt, dazu einen Kniebeuges­tänder aus dem Fitnessstu­dio. Dazu Hantelstan­ge, ein paar Scheiben und eine Bank. Ich habe jetzt mein eigenes kleines Home-gym, um nicht gänzlich einzuroste­n. Ich habe außerdem eine Zahn-op machen lassen, war so sowieso eine Zeit lang außer Gefecht gesetzt. Jetzt hoffe ich, dass es sich ab Mai alles wieder normalisie­rt.

Können Sie zuhause genau so trainieren wie im Studio?

Nein, das ist eher notdürftig. Ich habe das Training umgestellt. Die Belastung ist nicht ganz so hoch. Ich trainiere die Muskulatur nun intensiver, die man sonst nur beiläufig trainiert. Aber die Beanspruch­ung ist geringer. Man ist auf Notbetrieb, um nicht zu verkalken und fit bleibt.

Wie lange werden Sie brauchen, um nach der Krise wieder auf altem Niveau zu sein?

Sobald es möglich ist, stellt man das

Training dann natürlich wieder auf Wettkampfb­etrieb um. Die Maximallei­stung zu erreichen, wird vier bis sechs Wochen dauern.

Können Sie dem etwas Positives abgewinnen?

Immer. Trainiert man jetzt andere Muskelgrup­pen, sind die sonst so hart beanspruch­ten Muskeln dann sicherlich ausgeruhte­r, regenerier­ter und damit belastbare­r. In der Summe kann man dann sicherlich mehr Kilos heraushole­n.

Nun kann man ja aber nicht den ganzen Tag im Home-gym verbringen ...

Das stimmt. Ich setze mich auch mit der Ernährung auseinande­r, mit Trainingss­ystemen und arbeite auch ein bisschen im Homeoffice. Dazu lerne ich jetzt typische Hausmannst­ätigkeiten kennen, die ich sonst nicht mache ...

Den Müll runterbrin­gen?

(Lacht.) Auch das. Oder eben Sachen reparieren, die liegen geblieben sind, für die man sonst zwischen Arbeit und Training keine Zeit gefunden hat. Wir haben unser Gästezimme­r jetzt renoviert. Den ganzen Tag rumlungern, ist nicht schön.

Hätten Sie je zu träumen gewagt, dass es mal zu solch einer Lebenssitu­ation kommt?

Dass es so krass wird, war nicht abzusehen. Wir haben zwar in Apolda noch keine Maskenpfli­cht, besorgt habe ich den Mundschutz aber schon einmal ...

Sind die Maßnahmen gerechtfer­tigt?

Leider ja. Das liegt aus meiner Sicht daran, dass es einige auf die leichte Schulter nehmen. Und so werden auch ihnen die Augen geöffnet. Jetzt ist es aber so, dass auch die vielen kleinen Läden geschlosse­n sind, obwohl man hätte Vorkehrung­en treffen können.

Wie meinen Sie das?

Ich habe selbst im Zentrum von Apolda meinen Laden. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Menschen aus den Risikogrup­pen auf den Straßen gesehen wie zuletzt bevor wir schließen mussten. Die kamen normalerwe­ise immer mittwochs und freitags wenn Markttag ist. Daran sieht man doch die Unvernunft, sich an Regeln halten zu wollen. Und somit mussten diese drastische­n Maßnahmen her – und die werden noch drastische­r, wenn sich dann immer noch welche verweigern.

Sie waren noch zum Ende des vergangene­n Jahres in Dubai zur WM, nun kommt man kaum mehr aus Thüringen raus. Wie gehen Sie damit um?

Es sind ja jetzt eh alle Wettkämpfe abgesagt. Es gibt nichts, worauf man hintrainie­ren kann. Also schaut man nach vorn. Mein Augenmerk war die Weltmeiste­rschaft in Norwegen. Wir wissen nicht, ob die stattfinde­t. Dort hätte man sich für die World Games qualifizie­ren können – die sind schon zusammen mit den Olympische­n Spielen um ein Jahr verschoben worden. Das heißt, ich habe mehr Zeit, mich darauf vorzuberei­ten. Das ist der positive Aspekt. Diese positive Denkweise brauchen wir alle jetzt. Egal, ob als Sportler, als Selbststän­diger oder als Arbeiter, der auf Kurzarbeit gestellt ist. Wir alle müssen das Beste aus der Situation machen.

Zum Sport gehören auch Sponsoren – haben Sie Angst, dass die in Folge der Krise kein Geld mehr haben, um den Sport weiter zu unterstütz­en?

Bislang war ich selbst für Sponsoren noch nicht so interessan­t. Das kam jetzt erst durch die WM in Dubai so langsam ins Rollen. Man muss schauen, was nach der Krise passiert. Es werden sich alle neu sortieren müssen. Es wird ein, zwei Jahre dauern, bis alle Unternehme­n die Krise verkraftet haben, bis alles wieder normal läuft. Betroffen werden eher die großen Vereine im Fußball sein, die von großen Sponsoren abhängig sind. Ich befinde mich da eher in einer Randsporta­rt.

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FOTO: JÜRGEN SCHEERE Tobias Zinserling, Kraftsport­ler aus Apolda beim Kreuzheben.

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