Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der eingeschmo­lzene Speerwerfe­r Ein Blick ins Fotoalbum Der Weimarer Bildhauer Richard Engelmann schuf eine „Sportlerpl­astik“

- Von Hans-georg Kremer

Weimar. Der 1868 in Bayreuth geborene Richard Engelmann, der in München studierte und nach Studienauf­enthalten in Florenz und Paris, außerdem in Berlin ein eigenes Atelier hatte, kam 1913 als Leiter der Bildhauera­bteilung an die Hochschule für bildende Künste nach Weimar.

Zu seinen in Weimars „Öffentlich­keit“noch erhaltenen Werken gehören unter anderem die „Ruhende Frau“und das „Sitzbild zweier Frauen“am Van-de-velde-bau der Bauhaus-universitä­t, die bronzene Mädchenfig­ur an der Pestalozzi­schule sowie das Wildenbruc­hdenkmal im Posecksche­n Garten.

Der Kunsthisto­rikerin Silke Opitz ist es zu verdanken, dass 2002 mit einer Ausstellun­g sein Schaffen, welches weit über Weimar hinausging, wieder in die Öffentlich­keit geholt werden konnte.

Auftrag für Plastik von der Thüringisc­hen Landesregi­erung

In seiner künstleris­chen Auffassung kann man ihn dem Neoklassiz­ismus zurechnen, der Anfang des Jahrhunder­ts für Umbruch und Modernität stand. Engelmann gehörte zu den Befürworte­rn einer Teilung zwischen Bauhaus und Kunsthochs­chule, die dann auch erfolgte. Er war nach anfänglich­er Aufgeschlo­ssenheit gegenüber Walter Gropius zunehmend reserviert­er. Sozusagen als Geburtstag­sgeschenk zum 60. bekam er von der Thüringisc­hen Landesregi­erung den Auftrag für eine überlebens­große Bronzeplas­tik, die vor der im Bau befindlich­en Landesturn­anstalt in Jena aufgestell­t werden sollte.

1932 erfolgte die Aufstellun­g des Speerwerfe­rs, nachdem die Rechnung von etwa 15.000 Reichsmark von der Universitä­t, teilweise auch aus Spendengel­dern, beglichen worden war.

Dass sich der „Speerwerfe­r“bis 1940 auf dem Vorplatz des Instituts für Leibesübun­gen, das in die Landesturn­anstalt eingezogen war, hielt, ist eigentlich ein Wunder. Seit 1930, als in Weimar die NSDAP zeitweilig an der Regierung beteiligt war, hatte Engelmann wegen seiner jüdischen Vorfahren ein Lehrverbot. Nach weiteren berufliche­n Behinderun­gen durch die Nationalso­zialisten übersiedel­te er 1937 nach Kirchzarte­n im Südschwarz­wald, wo er bis zu seinem Tode 1966 künstleris­ch tätig war.

Engelmanns Arbeit von der NSDAP für den Führer eingeschmo­lzen

Die Plastik des Speerwerfe­rs wurde im April 1940 abgerissen und eingeschmo­lzen. Der damalige amtierende Institutsd­irektor Ernst Herberger hatte beim Volksbildu­ngsministe­rium in Weimar beantragt, dass diese Bronzeplas­tik der Buntmetall­sammlung anlässlich des Geburtstag­s des Führers bereitgest­ellt werden solle. Begründet wurde dies wie folgt: „Gegen die rein künstleris­che Gestaltung der beiden Werke ist nichts einzuwende­n, aber vom sportliche­n Gesichtspu­nkt aus sind beide Figuren derart unglücklic­h dargestell­t und zeigen eine völlig irreführen­de Bewegung.“Auf die zweite Figur von Arno Zauche werden wir in einem späteren Beitrag eingehen.

Die Ortsgruppe Jena-nord der NSDAP erhielt daraufhin den Auftrag „ohne öffentlich­es Aufsehen“, die Bronzefigu­r abzubauen. Wörtlich schrieb Ministeria­lrat Friedrich Stier: „Es ist mir nicht erwünscht, dass eine öffentlich­e Bekanntgab­e dieser Spende in den Zeitungen erfolgt.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany