Kommunalfirmen fordern Schadenersatz
Nordhäuser Unternehmen machen Einnahmeausfälle wegen Corona geltend. Staatskanzlei ist irritiert
Erfurt/nordhausen. Nach ihrer Schließung während der Coronapandemie fordern zwei kommunale Unternehmen aus Nordhausen finanzielle Entschädigung vom Land Thüringen. Weil das Schwimmbad von Mitte März bis Mitte Juni den Betrieb einstellen musste, seien Einnahmeausfälle und zusätzliche Kosten in Höhe von rund 420.600 Euro entstanden, heißt es in einem Schreiben der Nordhäuser Badehaus Gmbh an die Staatskanzlei, das dieser Zeitung vorliegt.
Eine ähnliche Rechnung ging an den Landkreis Nordhausen. Auch das örtliche Berufsbildungszentrum verlangte in Schreiben an das Land und den Landkreis rund 201.600 Euro.
Begründet werden die Forderungen mit den Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen, die während der Pandemie von der Landesregierung und vom Landkreis erlassen wurde. In ihnen wurde unter anderem auch die Schließung von Bädern und Bildungseinrichtungen geregelt. Daraus entstehe nun die Verpflichtung, „die entstandenen Vermögensnachteile zu ersetzen“, heißt es in den Schreiben der Kommunalunternehmen.
Staatskanzleichef verweist auf Staatshilfen
Die Haftung ergebe sich unter anderem aus dem Polizeigesetz. Darin ist für sogenannte Nichtstörer, die unverschuldet durch einen Einsatz Nachteile erlitten, eine Entschädigung vorgesehen.
Der Sprecher der Stadt Nordhausen, Lutz Fischer, verteidigte den Schritt. Es gehe darum, in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die insgesamt 80 Arbeitsplätze zu sichern, erklärte er. Ob im Fall einer Ablehnung durch Land und Landkreis der Rechtsweg beschritten werde, könne er noch nicht sagen.
Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linke) sagte auf Anfrage, er finde es „irritierend“, dass Nordhausen als kreisangehörige Stadt, die selbst für die Gesundheitsbehörde vor Ort zuständig sei, nun Schadenersatz vom Land einfordert. Der Bund, aber auch das Land hätten zudem millionenschwere Finanzhilfen für die Kommunen bereitgestellt, erklärte der Minister.
Der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) reagierte gelassen. „Wir sind nicht zuständig“, sagte er. Er habe die Forderungen so wie ähnliche Ansprüche von Privatunternehmen an das Landesverwaltungsamt in Weimar weitergeleitet. „Im Übrigen sehen wir die Ansprüche als nicht begründet an“, teilte der Landrat mit.
Verwaltungsrechtler hält die Forderungen für berechtigt
Der Leipziger Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Stefan Fenzel, hält indes die Forderungen für grundsätzlich berechtigt. Die Corona-verordnungen stellten einen „staatlichen Eingriff in Eigentum“dar, sagte er. Das Bundesinfektionsschutzgesetz sehe vor allem einen Anspruch für Infizierte oder Krankheitsverdächtige
vor. „Aber wenn Einrichtungen auf staatliche Weisung schließen müssen oder Menschen nicht arbeiten können, haben sie für die Allgemeinheit ein sogenanntes Sonderopfer erbracht“, sagt er. Auch dafür stehe ihnen eine Entschädigung zu. Bundesweit hätten deshalb bereits etliche Unternehmen insbesondere aus der Gastronomiebereich Klage eingereicht.
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sieht das Land in der Pflicht. „Wir haben den Unternehmen geraten, die Ansprüche beim Landesverwaltungsamt geltend zu machen“, sagte der Thüringer Hauptgeschäftsführer Dirk Ellinger dieser Zeitung. Er räumte jedoch ein, dass es sich um „eine hochkomplexe Rechtsmaterie“handele.