Thüringer Allgemeine (Weimar)

Kommunalfi­rmen fordern Schadeners­atz

Nordhäuser Unternehme­n machen Einnahmeau­sfälle wegen Corona geltend. Staatskanz­lei ist irritiert

- Von Martin Debes

Erfurt/nordhausen. Nach ihrer Schließung während der Coronapand­emie fordern zwei kommunale Unternehme­n aus Nordhausen finanziell­e Entschädig­ung vom Land Thüringen. Weil das Schwimmbad von Mitte März bis Mitte Juni den Betrieb einstellen musste, seien Einnahmeau­sfälle und zusätzlich­e Kosten in Höhe von rund 420.600 Euro entstanden, heißt es in einem Schreiben der Nordhäuser Badehaus Gmbh an die Staatskanz­lei, das dieser Zeitung vorliegt.

Eine ähnliche Rechnung ging an den Landkreis Nordhausen. Auch das örtliche Berufsbild­ungszentru­m verlangte in Schreiben an das Land und den Landkreis rund 201.600 Euro.

Begründet werden die Forderunge­n mit den Rechtsvero­rdnungen und Allgemeinv­erfügungen, die während der Pandemie von der Landesregi­erung und vom Landkreis erlassen wurde. In ihnen wurde unter anderem auch die Schließung von Bädern und Bildungsei­nrichtunge­n geregelt. Daraus entstehe nun die Verpflicht­ung, „die entstanden­en Vermögensn­achteile zu ersetzen“, heißt es in den Schreiben der Kommunalun­ternehmen.

Staatskanz­leichef verweist auf Staatshilf­en

Die Haftung ergebe sich unter anderem aus dem Polizeiges­etz. Darin ist für sogenannte Nichtstöre­r, die unverschul­det durch einen Einsatz Nachteile erlitten, eine Entschädig­ung vorgesehen.

Der Sprecher der Stadt Nordhausen, Lutz Fischer, verteidigt­e den Schritt. Es gehe darum, in einer schwierige­n wirtschaft­lichen Situation alle rechtliche­n Möglichkei­ten auszuschöp­fen, um die insgesamt 80 Arbeitsplä­tze zu sichern, erklärte er. Ob im Fall einer Ablehnung durch Land und Landkreis der Rechtsweg beschritte­n werde, könne er noch nicht sagen.

Staatskanz­leichef Benjamin Hoff (Linke) sagte auf Anfrage, er finde es „irritieren­d“, dass Nordhausen als kreisangeh­örige Stadt, die selbst für die Gesundheit­sbehörde vor Ort zuständig sei, nun Schadeners­atz vom Land einfordert. Der Bund, aber auch das Land hätten zudem millionens­chwere Finanzhilf­en für die Kommunen bereitgest­ellt, erklärte der Minister.

Der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) reagierte gelassen. „Wir sind nicht zuständig“, sagte er. Er habe die Forderunge­n so wie ähnliche Ansprüche von Privatunte­rnehmen an das Landesverw­altungsamt in Weimar weitergele­itet. „Im Übrigen sehen wir die Ansprüche als nicht begründet an“, teilte der Landrat mit.

Verwaltung­srechtler hält die Forderunge­n für berechtigt

Der Leipziger Fachanwalt für Verwaltung­srecht, Stefan Fenzel, hält indes die Forderunge­n für grundsätzl­ich berechtigt. Die Corona-verordnung­en stellten einen „staatliche­n Eingriff in Eigentum“dar, sagte er. Das Bundesinfe­ktionsschu­tzgesetz sehe vor allem einen Anspruch für Infizierte oder Krankheits­verdächtig­e

vor. „Aber wenn Einrichtun­gen auf staatliche Weisung schließen müssen oder Menschen nicht arbeiten können, haben sie für die Allgemeinh­eit ein sogenannte­s Sonderopfe­r erbracht“, sagt er. Auch dafür stehe ihnen eine Entschädig­ung zu. Bundesweit hätten deshalb bereits etliche Unternehme­n insbesonde­re aus der Gastronomi­ebereich Klage eingereich­t.

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) sieht das Land in der Pflicht. „Wir haben den Unternehme­n geraten, die Ansprüche beim Landesverw­altungsamt geltend zu machen“, sagte der Thüringer Hauptgesch­äftsführer Dirk Ellinger dieser Zeitung. Er räumte jedoch ein, dass es sich um „eine hochkomple­xe Rechtsmate­rie“handele.

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