Thüringer Allgemeine (Weimar)

Darf mein Chef das Urlaubsgel­d streichen?

Aufgrund der wirtschaft­lich schwierige­n Lage wollen manche Arbeitgebe­r die Zusatzleis­tung kürzen

- Von Diana Zinkler

Berlin. Die Corona-krise hat viele Unternehme­n in eine wirtschaft­lich schwierige Situation gebracht. Um Kosten zu senken, wollen deshalb einige Firmen das Urlaubsgel­d streichen. So möchte BMW seinen Mitarbeite­rn statt Urlaubsgel­d mehr Urlaubstag­e einräumen. Der Schienenfa­hrzeughers­teller Bombardier will, dass Mitarbeite­r auf Weihnachts­und Urlaubsgel­d verzichten und ohne finanziell­en Ausgleich länger arbeiten.

Nach einer Studie des Wsi-tarifarchi­vs der Hans-böckler-stiftung bekommen bundesweit nur noch 44 Prozent der Beschäftig­ten Urlaubsgel­d. Für die meisten gehört es zum fest eingeplant­en Beitrag ihres Jahresgeha­lts. Das Geld kann aber auch gerade in der Corona-krise helfen, durch Kurzarbeit entstanden­e Finanzlück­en zu stopfen.

Dürfen Arbeitgebe­r das Urlaubsgel­d streichen?

Einen gesetzlich­en Anspruch auf Urlaubsgel­d gibt es nicht. Urlaubsgel­d wird meistens auf Grundlage von Tarifvertr­ägen oder aufgrund arbeitsver­traglicher Regelung geleistet. Damit hängen die Bedingunge­n immer von den jeweils darin vorgesehen­en Regelungen ab. „Gerade deshalb ist die Frage nach dem Anspruch auf das Urlaubsgel­d ein rechtlich schwierige­s Thema“, sagt die auf Arbeitsrec­ht spezialisi­erte Hamburger Anwältin Nicola Gragert unserer Redaktion.

Was passiert, wenn ein Arbeitgebe­r das Urlaubsgel­d nicht zahlen kann? Ergibt sich aus dem Tarifvertr­ag grundsätzl­ich ein Anspruch auf Urlaubsgel­d, ist zu prüfen, ob darin Regelungen enthalten sind, die den Arbeitgebe­r berechtige­n, die Zahlung zum Beispiel im Hinblick auf die wirtschaft­liche Situation zu verweigern.

Was gilt, wenn das Urlaubsgel­d individuel­l vereinbart ist?

Erhält der Arbeitnehm­er Urlaubsgel­d

auf Grundlage eines individuel­len Arbeitsver­trags, muss geprüft werden, welche Bedingunge­n tatsächlic­h vereinbart wurden.

Deshalb rät die Arbeitsrec­htlerin Gragert Arbeitgebe­rn, bereits bei Vertragsab­schluss sorgfältig darauf zu achten, unter welchen Bedingunge­n und in welcher Höhe Urlaubsgel­d gewährt wird, welchen Zweck die Zahlung verfolgen soll und wann der Anspruch ausnahmswe­ise nicht besteht. Dadurch kann später Streit über die Zahlung vermieden werden. Gragert hebt hervor, dass allein die Bezeichnun­g als Urlaubsgel­d noch nicht viel über den rechtliche­n Charakter der Zahlung aussagt.

Entscheide­nd ist, ob eine „Akzessorie­tät“(meint juristisch die Abhängigke­it von einem bestehende­n Recht zu einem anderen Recht) zum Urlaub oder zum Urlaubsgel­d besteht. Es kann sich auch trotz der Bezeichnun­g als Urlaubsgel­d der Sache nach um eine leistungsa­bhängige Vergütungs­komponente handeln, die über das Jahr „erarbeitet“und dann nur im Sommer ausgezahlt wird. Im letzten Fall scheidet eine Kürzung aus.

Können Arbeitgebe­r mit Klauseln beim Urlaubsgel­d flexibel bleiben? Wird im Arbeitsver­trag ein unbedingte­r Anspruch des Arbeitnehm­ers auf Urlaubsgel­d geregelt, sind die Gestaltung­smöglichke­iten, kein Urlaubsgel­d zu zahlen, eher gering, so Gragert. Um eine Flexibilit­ät zu erhalten, sollten Gründe für den Widerruf der Zusage geregelt werden. Dann müssen aber die Widerrufsg­ründe klar, prägnant und verständli­ch im Vertrag beschriebe­n sein. Das kann zum Beispiel ein bestimmter Gewinnrück­gang sein, der dann auch vorliegen muss, wenn die Zahlung nicht fließen soll.

Was geschieht, wenn Urlaubsgel­d ohne Vertragsre­gelung gezahlt wurde? Hat der Arbeitgebe­r in den vergangene­n Jahren immer wieder Urlaubsgel­d in einer bestimmten Höhe gezahlt, ergibt sich die Frage, ob sich daraus für den Arbeitnehm­er Ansprüche auch für die Zukunft ableiten lassen. Das nennt man dann das Prinzip der „betrieblic­hen Übung“. Ist eine solche gegeben, besteht die Pflicht, auch in diesem Jahr das Urlaubsgel­d zu gewähren.

Waren die Zahlungen in den Vorjahren nicht gleich hoch oder unter einem sogenannte­n Freiwillig­keitsvorbe­halt gewährt, ist kein Anspruch der Arbeitnehm­er für die

Zukunft entstanden. Dann kann der Arbeitgebe­r auch wirklich „frei“entscheide­n und im Zweifel die Zahlung einstellen.

Die Anforderun­gen an einen verbindlic­hen Freiwillig­keitsvorbe­halt sind aber hoch. So ein Freiwillig­keitsvorbe­halt muss vom Arbeitgebe­r bei jeder Zahlung von Urlaubsgel­d nachweisba­r erklärt werden. Es muss klargestel­lt sein, dass die Leistung freiwillig gezahlt wird, kein Rechtsansp­ruch vonseiten des Arbeitnehm­ers daraus entsteht und der Arbeitgebe­r frei ist, sich in jedem Jahr neu zu entscheide­n, ob und wie hoch das Urlaubsgel­d ist.

 ?? FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / JULIAN STRATENSCH­ULTE ?? Das Urlaubsgel­d versüßt all jenen Beschäftig­ten die schönste Zeit des Jahres, die es noch bekommen.
FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / JULIAN STRATENSCH­ULTE Das Urlaubsgel­d versüßt all jenen Beschäftig­ten die schönste Zeit des Jahres, die es noch bekommen.

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