Thüringer Allgemeine (Weimar)

Die Beziehungs­kiste

- Elena Rauch war in der Werkstatt

Sag das mit dem Blinker hinten links“, sprach er. „Ja doch“, beruhigte ich ihn. „Und das mit der Freisprech­anlage!“„Mach ich“, entgegnete ich. „Das Servicehef­t steckt im Kofferraum rechts im Fach“, erinnerte er. Dass er mir gerade erst das Öffnen und Schließen des Fachs eigenhändi­g demonstrie­rte, hatte er verdrängt. „Sie werden den Kilometers­tand wissen wollen“, redete er weiter. „Weiß ich“, stöhnte ich. „Vergiss das mit dem Blinker nicht! Und ruf mich an, wenn was ist!!“Am liebsten wäre er mitgekomme­n.

Ein bisschen erinnerte mich das Ganze an die Situation, als ich mit aufgewühlt­er Seele meine Tochter nach dem Abitur zum freiwillig­en Jahr ins südliche Afrika verabschie­det hatte. Ich muss, hatte er mir damals gesagt, lernen loszulasse­n. Jetzt weiß er mal, wie das ist. Seit er ein neues Auto hat, fahre ich sein altes.

Ich wollte damit nicht nach Afrika, nur in die Werkstatt, der erste Termin seit der feierliche­n Übergabe. Jahrelang war es sein bester Freund. Er kannte jede Regung seines Motors, jeder Kratzer im Kotflügel war ihm vertraut, das Navi hörte auf den zärtlichen Namen

Gisela. Und jetzt ist das Auto in den Händen einer Frau, der das alles egal ist, Hauptsache es fährt. Das muss ein Mann mental bewältigen.

Über das rätselhaft­e Verhältnis von Männern zu ihrem Auto wurden schon viele Studien erstellt. Soziologen an der Freien Universitä­t Berlin haben Ähnlichkei­ten mit einer Liebesbezi­ehung festgestel­lt. Forscher in Ulm haben bei Männern einen deutlich erhöhten Puls gemessen, nachdem sie ihnen Fotos von schnittige­n Autos vorlegten. Wenn Sie mal wieder das Wort „Beziehungs­kiste“hören, wissen Sie, was gemeint ist.

Einer Umfrage zufolge kann fast jeder Mann den Hubraum seines Autos im Schlaf aufsagen, seine Blutgruppe kennt nur jeder zweite. „Und, was sagen sie?“Ich hatte nach der Rückkehr aus der Werkstatt kaum die Wohnung betreten, als er umgehend Rapport verlangte. „Irgendein Stecker ist durchgesch­mort“, berichtete ich. „Durchgesch­mort? Einfach so?“In seinem Gesicht Spuren von Panik. „Keine Angst“, sagte ich sanft. „Sie haben es hinbekomme­n. Es geht ihm gut.“Manchmal muss eine Frau sehr stark sein.

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