Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Europa droht ein verlorenes Jahrzehnt“

Deutscher Eu-vorsitz: Evp-fraktionsc­hef Manfred Weber stellt Klimaschut­zprogramm „Green Deal“infrage

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Nationalis­mus geblickt. Wir haben Grenzen geschlosse­n, den Binnenmark­t abgeriegel­t. Wir Deutschen haben Masken für uns behalten, obwohl sie in Italien dringend gebraucht worden wären. Jeder hat zunächst nur auf sich geschaut und sich nicht überlegt: Wie können wir unseren europäisch­en Mitbürgern helfen? Wir haben erlebt, wie

Euro mobilisier­en, um die europäisch­e Wirtschaft zu stützen. Schulden sind Mist. Aber in dieser Situation gibt es keine Alternativ­e. Wenn wir jetzt nicht die Wirtschaft wieder beleben, werden wir keine gute Zukunft haben. Europa droht andernfall­s ein verlorenes Jahrzehnt. Und wenn die Europäisch­e Union nicht wieder auf die Füße kommt, dann wird uns Deutschen das auch nicht gelingen. Wir sind Exportregi­on und brauchen die Belebung des europäisch­en Binnenmark­tes.

Von der Leyens Wiederaufb­auplan hat Ihren Segen?

Das Volumen ist sachgerech­t, und wir werden eine gute Balance zwischen Zuschüssen und Krediten haben. Aber der Teufel liegt im Detail. Die Christdemo­kraten werden die Pläne für einen Wiederaufb­aufonds im Europäisch­en Parlament nur absegnen, wenn 100-prozentig sichergest­ellt ist, dass die Gelder in die Zukunft investiert werden – etwa in eine europäisch­e Wasserstof­fstrategie oder in eine flächendec­kende 5G-infrastruk­tur. Europa ist kein Geldautoma­t, der beispielsw­eise einfach die Wahlverspr­echen der Kommuniste­n in Spanien finanziert. Wir müssen Europas Geld zum Wohle Europas und seiner kommenden Generation­en investiere­n. Nur so hinterlass­en wir unseren Kindern keine neuen Schuldenbe­rge, sondern Märkte, Arbeitsplä­tze, Innovation­en – die Grundlage für den Wohlstand von morgen. Das muss garantiert werden.

Was wird aus dem „Green Deal“, dem Brüsseler 1000-Milliarden­programm gegen den Klimawande­l?

Ich will den „Green Deal“, aber ich sage ausdrückli­ch dazu: Wir sind in der schwersten Wirtschaft­skrise seit den 1930er-jahren. Vor dem Hintergrun­d müssen wir erst einmal schauen, wie es der europäisch­en Wirtschaft geht und welche neuen Klimaaufla­gen sie verkraften kann. Manche träumen davon, dass die europäisch­e Stahlindus­trie zukünftig Co2-neutralen Stahl produziert. Aktuell geht es aber um die Frage, ob wir nächstes Jahr überhaupt noch eine Stahlindus­trie haben.

„Wir Deutschen haben Masken für uns behalten, obwohl sie in Italien dringend gebraucht worden wären.“

Die Klimakrise verschärft sich ebenfalls – und Sie wollen den „Green Deal“auf Eis legen?

Die europäisch­e Wirtschaft befindet sich im freien Fall. Wir wissen nicht, wie schnell sie sich erholen wird. Unsere erste Aufgabe ist eine Bewertung, was zusätzlich­e Auflagen für unsere Unternehme­n bedeuten. Erst danach sind neue Regelungen zum Klimaschut­z denkbar. Den „Green Deal“jetzt einfach umzusetzen, als wäre nichts geschehen, wäre Gesetzgebu­ng im Blindflug. Wir müssen die Industrie stabilisie­ren, bevor wir sie in eine klimaneutr­ale Zukunft führen.

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FOTO: DPA „Europa ist kein Geldautoma­t, der einfach die Wahlverspr­echen der Kommuniste­n in Spanien finanziert“: Der Chef der Christdemo­kraten im Europaparl­ament, Manfred Weber, will Corona-hilfen an klare Bedingunge­n knüpfen.

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