Fassadenputz für Schillers Exil
Saniertes Dichtermuseum in Bauerbach schwankt zwischen Stimmung und Substanz
Bauerbach. „Acht Monate Anwesenheit eines rebellischen Jungpoeten haben gereicht“, sagt der Architekt Florian Wirfel am Tag der Wiedereröffnung, „diesen Ort über die Jahrhunderte zu retten. Gerettet wurde aber mehr die Stimmung als die Substanz.“In diesem Bewusstsein planten und betreuten Nicola van der Werf und er die Sanierung dieses Schiller-museums hinter Meiningen, im Auftrag der Klassikstiftung Weimar. „Bauerbach“, so hieß ihr Leitmotiv, „ist reine Aura.“
Es gibt hier ja imgrunde nichts zu zeigen als das 300 Jahre alte Gutshaus selbst, in das sich der 23-jährige Friedrich Schiller am 7. Dezember 1782 flüchten konnte. „Wie ein Schiffbrüchiger“, schrieb er tags darauf, „der sich mühsam aus den Wogen gekämpft hat“, kam er an.
In reichsfreier Gegend entging der Regimentsarzt Schiller so dem Zorn des württembergischen Herzogs Carl Eugen. Der hatte ihn nach der Mannheimer Uraufführung der „Räuber“mit Schreibverbot belegt; die Festungshaft drohte außerdem. Henriette von Wolzogen, mit deren Sohn Wilhelm er als Kadett an der Karlsschule diente, hatte das Exil angeboten. Er nahm sie nun beim
Wort und kam als Dr. Ritter inkognito unter – bis er eine Stelle als Theaterdichter in Mannheim antrat.
In der Zwischenzeit entstand in Bauerbach das bürgerliche Trauerspiel „Luise Millerin“(„Kabale und Liebe“); außerdem entwarf Schiller seinen „Don Karlos“. Dergleichen aber schien und scheint nebensächlich in einem Schiller-museum.
Wieder wie zu Schillers Zeiten: Fachwerk verschwindet hinter Putz An einem solchen Ort tritt stets das Werk hinter die Person: wie überhaupt in jeder Dichtergedenkstätte, deren Gattung ja mit Schillerhäusern begründet wurde. So gilt auch für deren erstes, 1847 in Weimar eingerichtetes, was eine Tafelausstellung in Bauerbach berichtet: Dieses Museum „ist ein lebendiges Dokument der Schiller-verehrung in der Mitte des 19. Jahrhunderts“. Seitdem, lesen wir andernorts, sei der authentische Aufenthaltsort „eine museale Inszenierung“.
So sah der damals mittellose Dichter nur einige Stücke der Einrichtung selbst: einen Tisch zum Beispiel, einen Ofen, auch zwei der Bilder. Vieles andere, dem Biedermeier entsprungen, kam später hinzu. Und die gesamte Außenwand wurde 1880 fast komplett erneuert.
Darauf verweist Architekt Wirfel, der unter anderem einen Fassadenstreit auszufechten hatte. Denn er ließ das Sichtfachwerk hinter abgestuftem Haarkalkputz verschwinden. Das hatte auch konservatorische Gründe: Aufgrund vieler Schäden im alten Fachwerk wäre andernfalls restauratorisches Stückwerk herausgekommen, zudem wäre die Fassade anfällig für künftige Witterungsschäden geblieben.
Vor allem aber, so fand man heraus, hatte auch Schiller hier seinerzeit in einem verputzten Haus gelebt. Erst seit den 1960er-jahren war das Fachwerk wieder sichtbar, das Henriette von Wolzogen in Abgrenzung zu umstehenden Bauernhäusern hatte verschwinden lassen.
Im Haus verschwunden sind nun auch „diese Miefigkeiten der früheren Jahre“, von der Florian Wirfel spricht. Die Fassade gibt demnach jetzt ein Versprechen ab, das im Inneren eingelöst wird: das auf „ein würdiges Museum – was es vorher nicht war“. Ein Empfangsraum in einer ehemaligen Küche ersetzt eine provisorische Kassensituation. Es gibt erstmals Besuchergarderoben. Außerdem wurden später eingebaute Wände herausgerissen, um einen Rundgang zu ermöglichen. In einem Einführungsraum gibt es ab sofort ein vierzigminütiges bebildertes Hörspiel „Der geheimnisvolle Gast“zu hören und zu sehen.
Alles in allem konnten Klassikstiftung und Gemeinde Grabfeld, zu der Bauerbach gehört, 920.000 Euro von Bund und Land investieren. „Es ist ein kleines Projekt im Rahmen unserer Bautätigkeit“, sagt Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz.
Verein betreibt das Museum seit 2009 im Auftrag der Klassik-stiftung Und doch ist es ein großes für Bauerbach, aus dem die Stiftung 2004 ihr Personal abzog, bevor eine Strukturkommission das Haus zu den allenfalls zweitrangigen Museen im Kosmos Weimar zählte. Schließungsgerüchte machten die Runde. „Da haben wir Rot gesehen“, erinnert Ortsteilbürgermeisterin Rosemarie Fickel. Sie gründete einen Schillerverein, der das Museum seit 2009 betreibt. Die Stiftung zahlt ihm dafür jährlich 18.000 Euro als Aufwandsentschädigung.
Der Verein pflegt, davon ist oft die Rede, die „Schillerkultur“oder die „Schillertradition“. Das meint weniger den Dichter als dessen Verehrung. Es meint: eine Stimmung.
Geöffnet ist das Museum dienstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr.