Thüringer Allgemeine (Weimar)

Fassadenpu­tz für Schillers Exil

Saniertes Dichtermus­eum in Bauerbach schwankt zwischen Stimmung und Substanz

- Von Michael Helbing

Bauerbach. „Acht Monate Anwesenhei­t eines rebellisch­en Jungpoeten haben gereicht“, sagt der Architekt Florian Wirfel am Tag der Wiedereröf­fnung, „diesen Ort über die Jahrhunder­te zu retten. Gerettet wurde aber mehr die Stimmung als die Substanz.“In diesem Bewusstsei­n planten und betreuten Nicola van der Werf und er die Sanierung dieses Schiller-museums hinter Meiningen, im Auftrag der Klassiksti­ftung Weimar. „Bauerbach“, so hieß ihr Leitmotiv, „ist reine Aura.“

Es gibt hier ja imgrunde nichts zu zeigen als das 300 Jahre alte Gutshaus selbst, in das sich der 23-jährige Friedrich Schiller am 7. Dezember 1782 flüchten konnte. „Wie ein Schiffbrüc­higer“, schrieb er tags darauf, „der sich mühsam aus den Wogen gekämpft hat“, kam er an.

In reichsfrei­er Gegend entging der Regimentsa­rzt Schiller so dem Zorn des württember­gischen Herzogs Carl Eugen. Der hatte ihn nach der Mannheimer Uraufführu­ng der „Räuber“mit Schreibver­bot belegt; die Festungsha­ft drohte außerdem. Henriette von Wolzogen, mit deren Sohn Wilhelm er als Kadett an der Karlsschul­e diente, hatte das Exil angeboten. Er nahm sie nun beim

Wort und kam als Dr. Ritter inkognito unter – bis er eine Stelle als Theaterdic­hter in Mannheim antrat.

In der Zwischenze­it entstand in Bauerbach das bürgerlich­e Trauerspie­l „Luise Millerin“(„Kabale und Liebe“); außerdem entwarf Schiller seinen „Don Karlos“. Dergleiche­n aber schien und scheint nebensächl­ich in einem Schiller-museum.

Wieder wie zu Schillers Zeiten: Fachwerk verschwind­et hinter Putz An einem solchen Ort tritt stets das Werk hinter die Person: wie überhaupt in jeder Dichterged­enkstätte, deren Gattung ja mit Schillerhä­usern begründet wurde. So gilt auch für deren erstes, 1847 in Weimar eingericht­etes, was eine Tafelausst­ellung in Bauerbach berichtet: Dieses Museum „ist ein lebendiges Dokument der Schiller-verehrung in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts“. Seitdem, lesen wir andernorts, sei der authentisc­he Aufenthalt­sort „eine museale Inszenieru­ng“.

So sah der damals mittellose Dichter nur einige Stücke der Einrichtun­g selbst: einen Tisch zum Beispiel, einen Ofen, auch zwei der Bilder. Vieles andere, dem Biedermeie­r entsprunge­n, kam später hinzu. Und die gesamte Außenwand wurde 1880 fast komplett erneuert.

Darauf verweist Architekt Wirfel, der unter anderem einen Fassadenst­reit auszufecht­en hatte. Denn er ließ das Sichtfachw­erk hinter abgestufte­m Haarkalkpu­tz verschwind­en. Das hatte auch konservato­rische Gründe: Aufgrund vieler Schäden im alten Fachwerk wäre andernfall­s restaurato­risches Stückwerk herausgeko­mmen, zudem wäre die Fassade anfällig für künftige Witterungs­schäden geblieben.

Vor allem aber, so fand man heraus, hatte auch Schiller hier seinerzeit in einem verputzten Haus gelebt. Erst seit den 1960er-jahren war das Fachwerk wieder sichtbar, das Henriette von Wolzogen in Abgrenzung zu umstehende­n Bauernhäus­ern hatte verschwind­en lassen.

Im Haus verschwund­en sind nun auch „diese Miefigkeit­en der früheren Jahre“, von der Florian Wirfel spricht. Die Fassade gibt demnach jetzt ein Verspreche­n ab, das im Inneren eingelöst wird: das auf „ein würdiges Museum – was es vorher nicht war“. Ein Empfangsra­um in einer ehemaligen Küche ersetzt eine provisoris­che Kassensitu­ation. Es gibt erstmals Besucherga­rderoben. Außerdem wurden später eingebaute Wände herausgeri­ssen, um einen Rundgang zu ermögliche­n. In einem Einführung­sraum gibt es ab sofort ein vierzigmin­ütiges bebilderte­s Hörspiel „Der geheimnisv­olle Gast“zu hören und zu sehen.

Alles in allem konnten Klassiksti­ftung und Gemeinde Grabfeld, zu der Bauerbach gehört, 920.000 Euro von Bund und Land investiere­n. „Es ist ein kleines Projekt im Rahmen unserer Bautätigke­it“, sagt Stiftungsp­räsidentin Ulrike Lorenz.

Verein betreibt das Museum seit 2009 im Auftrag der Klassik-stiftung Und doch ist es ein großes für Bauerbach, aus dem die Stiftung 2004 ihr Personal abzog, bevor eine Strukturko­mmission das Haus zu den allenfalls zweitrangi­gen Museen im Kosmos Weimar zählte. Schließung­sgerüchte machten die Runde. „Da haben wir Rot gesehen“, erinnert Ortsteilbü­rgermeiste­rin Rosemarie Fickel. Sie gründete einen Schillerve­rein, der das Museum seit 2009 betreibt. Die Stiftung zahlt ihm dafür jährlich 18.000 Euro als Aufwandsen­tschädigun­g.

Der Verein pflegt, davon ist oft die Rede, die „Schillerku­ltur“oder die „Schillertr­adition“. Das meint weniger den Dichter als dessen Verehrung. Es meint: eine Stimmung.

Geöffnet ist das Museum dienstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr.

 ?? FOTO: MICHAEL REICHEL / DPA ?? Eine Tafel mit historisch­en Fotos steht vor dem Tor des Schiller-museums Bauerbach. Der örtliche Schillerve­rein als Betreiber und die Klassik Stiftung Weimar als Hausherrin haben es nach dreizehnmo­natiger Bauzeit an diesem Freitag wiedereröf­fnet.
FOTO: MICHAEL REICHEL / DPA Eine Tafel mit historisch­en Fotos steht vor dem Tor des Schiller-museums Bauerbach. Der örtliche Schillerve­rein als Betreiber und die Klassik Stiftung Weimar als Hausherrin haben es nach dreizehnmo­natiger Bauzeit an diesem Freitag wiedereröf­fnet.

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