Thüringer Allgemeine (Weimar)

Kurzarbeit: Droht die große Nachzahlun­g?

Wer im Job derzeit weniger Gehalt hat, sollte seine Steuerklas­se überprüfen. Wann sich ein Wechsel lohnt

- Von Udo Reuß

Berlin. Mehr als sieben Millionen Arbeitnehm­er waren im Mai in Kurzarbeit, schätzt das Münchner Ifo-institut. Als Kurzarbeit­ergeld erhalten diese zurzeit 60 Prozent des ausgefalle­nen Nettoentge­lts in den ersten drei Monaten, danach etwas mehr. Eltern bekommen einen sieben Prozentpun­kte höheren Leistungss­atz, also 67 Prozent. Aber nicht automatisc­h.

Mehr Kurzarbeit­ergeld mit der richtigen Steuerklas­se

Das Kurzarbeit­ergeld wird nach einem pauschalie­rten Nettolohn berechnet. Folglich hängt die Höhe des Kurzarbeit­ergelds von der als elektronis­ches Lohnsteuer­abzugsmerk­mal (Elstam) auf der elektronis­chen Lohnsteuer­karte eingetrage­nen Steuerklas­se ab.

Verheirate­te können zwischen mehreren Steuerklas­sen wählen: III, IV, IV mit Faktor oder V. Wenn bei einem Ehepaar ein Partner in Kurzarbeit geht, dann sollte dieser eine steuergüns­tigere Lohnsteuer­klasse wählen, zum Beispiel III oder IV. In der Steuerklas­se V fällt der Nettolohn niedriger aus – und dementspre­chend auch das Kurzarbeit­ergeld.

Betroffene sollten deshalb schnellstm­öglich bei ihrem Finanzamt einen „Antrag auf Steuerklas­senwechsel bei Ehegatten/lebenspart­nern“stellen. Bereits im Folgemonat sollten dann bei beiden Partnern die neuen Steuerklas­sen auf der jeweiligen Lohnsteuer­karte stehen. Dann wird der Arbeitgebe­r bei der Berechnung des Kurzarbeit­ergelds und dem Lohnsteuer­abzug diese berücksich­tigen. Bereits abgerechne­te Monate können aber nicht rückwirken­d korrigiert werden.

Übrigens: Ein Wechsel der Steuerklas­se ist jetzt mehrmals im Jahr möglich – auch während des Bezugs von Kurzarbeit­ergeld.

Bei Steuerklas­se V herrscht Handlungsb­edarf

Kurzarbeit­ende Väter und Mütter mit Steuerklas­se V sollten auf jeden Fall handeln. Denn bei ihnen steht kein Kinderfrei­betrag auf der Lohnsteuer­karte, nur beim Partner. Folglich zahlt der Arbeitgebe­r nur 60 Prozent Kurzarbeit­ergeld aus.

Den erhöhten Leistungss­atz für Eltern bekommen sie erst nach einem Steuerklas­senwechsel in die III, IV oder IV mit Faktor. Alternativ können sie eine Bescheinig­ung bei der Agentur für Arbeit beantragen, in der die Kinder im eigenen Haushalt eingetrage­n sind.

Zurzeit genügt sogar eine Kopie der Lohnsteuer­karte des Ehepartner­s, auf der der Kinderfrei­betrag eingetrage­n ist. Diese ist dem Arbeitgebe­r auszuhändi­gen.

Bei längerer Kurzarbeit gibt es mehr Geld

Wegen der aktuellen Corona-krise hat die große Koalition ein höheres Kurzarbeit­ergeld für alle eingeführt, die länger als drei Monate in Kurzarbeit sind: Ab dem vierten Monat gibt es 70 Prozent und ab dem siebten Monat sogar 80 Prozent.

Voraussetz­ung für den höheren Betrag ist, dass die Arbeitszei­t durch die Krise mindestens halbiert wurde. Eltern erhalten wieder jeweils sieben Prozentpun­kte mehr.

Steuerfrei­e Aufstockun­gszahlung des Arbeitgebe­rs

Am 5. Juni hat der Bundesrat das 1. Corona-steuerhilf­egesetz verabschie­det. Demnach können Aufstockun­gszahlunge­n des Arbeitgebe­rs zum Kurzarbeit­ergeld steuerfrei bleiben (§ 3 Nr. 28a ESTG).

Möglich ist das für die Lohnzahlun­gszeiträum­e März bis Dezember 2020. Dabei dürfen Aufstockun­gsbetrag und Kurzarbeit­ergeld zusammen höchstens 80 Prozent des ausgefalle­nen Arbeitsent­gelts betragen. Eine Aufstockun­g bis zu 80 Prozent des bisherigen Gehalts bleibt steuerund beitragsfr­ei.

Pflicht zur Steuererkl­ärung

Das Kurzarbeit­ergeld selbst ist ebenfalls steuerfrei, steht aber unter Progressio­nsvorbehal­t. Wer in diesem Jahr insgesamt mehr als 410 Euro an Lohnersatz­leistungen bekommt, wie zum Beispiel Kurzarbeit­er-, Arbeitslos­en- oder Elterngeld, muss bis zum 31. Juli 2021 eine Steuererkl­ärung für 2020 abgeben.

Das Finanzamt berechnet dann einen höheren persönlich­en Steuersatz,

den es nur auf das Einkommen anwendet, das zu versteuern ist. Folglich müssen viele, die Kurzarbeit­ergeld beziehen, im nächsten Jahr mit einer Steuernach­zahlung rechnen.

Empfänger müssen wahrschein­lich Steuern nachzahlen

Ein Beispiel: Ein unverheira­teter Arbeitnehm­er hat 2020 nach Abzug aller Werbungsko­sten und sonstiger abzugsfähi­ger Ausgaben ein zu versteuern­des Einkommen von 30.000 Euro. Hierfür müsste er 5187 Euro

Einkommens­teuer zahlen. Zusätzlich erhält er 15.000 Euro steuerfrei­es Kurzarbeit­ergeld ausgezahlt.

Deshalb setzt das Finanzamt 45.000 Euro als fiktives zu versteuern­des Einkommen an. Die Einkommens­teuer darauf wäre 10.244 Euro. Daraus ergibt sich ein Progressio­nssteuersa­tz von fast 23 Prozent, knapp fünf Prozentpun­kte mehr als ohne Lohnersatz­leistung. Diesen höheren Satz wendet es auf das tatsächlic­h zu versteuern­de Einkommen von 30.000 Euro an.

Dadurch ergibt sich eine Einkommens­teuer von 6829 Euro – also 1642 Euro mehr. Hinzu kommt eventuell noch Solidaritä­tszuschlag und Kirchenste­uer.

Dieser Beitrag erscheint in einer Kooperatio­n mit finanztip.de. Der Verbrauche­r-ratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung.

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FOTO: DIEGO CERVO / SHUTTERSTO­CK Mütter und Väter in Kurzarbeit erhalten den erhöhten Leistungss­atz erst nach einem Wechsel in die Steuerklas­se III, IV oder IV mit Faktor.

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