Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der Bart muss ab

- Elena Rauch über einen neuen Trend

Im Windschatt­en der Coronakris­e gibt es Entscheidu­ngen, die zu Unrecht schnell unbemerkt bleiben. Zum Beispiel Männer, die sich von ihren Bärten trennen.

Sie tun es für uns, für das Allgemeinw­ohl, nachdem immer mehr Mediziner auf die Unvereinba­rkeit des Bartes mit einem wirksamen Maskenschu­tz hinweisen. Unlängst rief sogar die Apotheken Umschau auf: „Rasieren gegen Viren“heißt die Anti-corona-strategie.

Einige Männer folgen dem nur halbherzig und erfanden den sogenannte­n „Affenschwa­nz“. Googeln sie mal. Der Anblick erinnert an Unfälle, wenn mitten in der Ausübung häuslicher Dienstleis­tungen (drei Millimeter!) der Haarschnei­der versagt, weil man als verantwort­liche Hilfsfrise­urin die Bedienungs­anleitung nicht gelesen hat. Das ist nicht lustig, ich weiß, wovon ich rede.

Um einen Bart zu züchten, der seinen Namen verdient, geht schon mal ein Jahresquar­tal ins Land, da kann man schon von einem echten Opfer sprechen. Zumal der Trend zum Bart nicht zufällig mit einer anderen gesellscha­ftlichen Entwicklun­g zusammenfä­llt: der Krise des männlichen Selbstbild­es. Der Prozess begann schleichen­d mit der Wiederentd­eckung des Dreitageba­rtes. Einer der bekanntest­en Vorreiter war Yasser Arafat. Später verfestigt­en Persönlich­keiten wie Jack Sparrow (Kapitän zur See) und Gandalf (Motivation­strainer und Unternehme­nsberater) die Entwicklun­g.

In Zeiten, in denen vom Mann der Abschied von alten Rollenbild­ern erwartet wird, kann ein Vollbart sehr nützlich sein. So lassen sich spontane Bemerkunge­n des Unmuts ungehört in selbigen hineinmurm­eln, wenn die Mitbewohne­rin „einfach mal reden“will. Im Homeoffice sollen solche lästigen weiblichen Vorlieben wieder gehäuft Männer beim kontemplat­iven Nachdenken über die Welt stören.

Auch verräteris­che emotionale Regungen lassen sich unter einem Vollbart gut verstecken, wenn die Gattin mit dem Wischmopp winkt. Was bleibt dem Mann, wenn ihm dieses letzte Postulat von Autorität und Würde genommen wird?

Beim Barte von Gandalf: Wir wissen das Opfer zu schätzen.

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