Thüringer Allgemeine (Weimar)

Willi Sitte: Maler und Funktionär

Kunstmuseu­m will Diskussion anschieben

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Halle. Wegen seiner Verflechtu­ng mit dem sozialisti­schen System ist er bis heute umstritten – doch als Maler zählt Willi Sitte zu den bedeutende­n Künstlern des 20. Jahrhunder­ts. Am Sonntag wäre er 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass bereitet das Kunstmuseu­m Moritzburg Halle (Saale) eine Retrospekt­ive vor.

In der Ausstellun­g unter dem Motto „Sittes Welt“werden ab 3. Oktober rund 250 Werke aus sieben Jahrzehnte­n seines Schaffens gezeigt. Es werde die erste große Schau zu Sitte seit drei Jahrzehnte­n in Deutschlan­d sein. „Wir haben die Hoffnung, mit der Ausstellun­g eine wissenscha­ftliche Auseinande­rsetzung mit Sitte anzuregen und dass sich auch die neue Generation dafür interessie­rt“, sagte der Direktor des Kunstmuseu­ms, Thomas Bauerfried­rich. Voraussetz­ung sei eine sachliche Diskussion, ohne Schubladen.

Im Zentrum der Retrospekt­ive stehe die Kunst von Sitte (19212013), aber natürlich auch mit Bezug auf seine politische Eingebunde­nheit, betonte Bauer-friedrich. „Leben, Werk, politische Überzeugun­g greifen bei ihm ineinander“, sagte der Kunsthisto­riker. „Wir machen keine kulturhist­orische Ausstellun­g über Sitte als Staatsküns­tler.“

Der Maler war Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR und saß zeitweilig in der Kulturkomm­ission des Zentralkom­itees der SED. In der westdeutsc­hen und europäisch­en Kunstszene wurde er spätestens durch seine Teilnahme an der „documenta 6“im Jahr 1977 wahrgenomm­en. Mit den Begründern des Malstils „Leipziger Schule“wie Bernhard Heisig (19252011), Wolfgang Mattheuer (19272004) und Werner Tübke (19292004) vertrat Sitte in Kassel die DDR. dass in dieser DDR tatsächlic­h nicht alles schlecht war. Sigmund Jähn und „Täve“Schur sind zwei Menschen, die sich nicht wegen sondern trotz ihrer Funktion als gleichsam Marketingi­nstrumente der DDR bei deren Bewohnern Sympathie und Respekt erwarben. Als ihre großen Taten Geschichte waren und ihr kleines Land auch, als jeder jede Meinung brüllen konnte, da blieben sie gut gelitten. Ihre Taten standen noch immer in Geltung und mehr noch wohl ihre Art. Sie waren beide, was das Land gern gewesen wäre: Hoch kompetent, hoch leistungsf­ähig – und dabei zurückhalt­end sympathisc­h. The Hero next door. Man kann, man soll so etwas respektier­en, auch wenn die Zeiten, die Werte sich wandeln. Bei Neckermann ging es ja auch, und der hatte jüdischen Besitz „arisiert“. Aber der ritt schließlic­h für Deutschlan­d.

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ARCHIV-FOTO: WALTRAUD GRUBITZSCH / DPA Der Maler und Grafiker Willi Sitte 2009 in der Willi-sittegaler­ie Merseburg.

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