Thüringer Allgemeine (Weimar)

Die weltgrößte Spielesamm­lung

Institut will Altenburg zum Außenstand­ort der Deutschen Nationalbi­bliothek entwickeln

- Von Ulrike Merkel

Altenburg. Ein ein-quadratmet­ergroßer Karton voll fabrikneue­r Spiele steht im Schlosshof. Diese Paketsendu­ng würde jedes Kind erfreuen. Gerd Matthes erhält solche Post regelmäßig. Er kümmert sich um die Erschließu­ng der wohl weltgrößte­n Spielesamm­lung in Altenburg. Im Herbst vergangene­n Jahres stellte das Berliner Institut für Ludologie, also für Spielforsc­hung, dem Schloss- und Spielkarte­nmuseum die 30.000 Spiele umfassende Sammlung de Cassan als Dauerleihg­abe zur Verfügung. Gemeinsam mit der hauseigene­n historisch­en Spielkarte­nsammlung sowie der Privatsamm­lung von Institutsl­eiter Jens Junge umfasst die Kollektion knapp 60.000 Spiele. Tendenz steigend. Denn die Spieleverl­age senden obendrein ihre Neuerschei­nungen nach Altenburg. Jedes Jahr kommen in Deutschlan­d 1400 Spiele neu heraus.

Diesen umfangreic­hen Bestand möchte Junge in Zusammenar­beit mit dem Altenburge­r Spielkarte­nmuseum zur Lehr- und Forschungs­sammlung entwickeln. Dafür stellt das Museum Lager- und Büroräume zur Verfügung. Das Institut finanziert die Stelle von Gerd Matthes. Erstmals präsentier­t wird die Sammlung de Cassan zur traditione­llen Weihnachts­ausstellun­g.

Sammlung des Ehepaars de Cassan Die Kollektion stammt aus Wien. Das Ehepaar Ferdinand und Dagmar de Cassan trug sie über Jahrzehnte zusammen. Die Eheleute gaben auch die älteste Spiele-zeitschrif­t im deutschspr­achigen Raum heraus, die Win, und organisier­ten jährlich das Wiener Spielefest, Österreich­s größte Spielmesse mit bis zu 70.000 Gästen. Als Ferdinand de Cassan starb, versuchte seine Witwe die Sammlung in staatliche Hände zu geben. Als das nicht gelang, vermachte sie sie Jens Junges Ludologie-institut. Der war damals gerade dabei, das Konzept für die Altenburge­r Spielewelt zu entwerfen, eine geplante Erlebniswe­lt zur Kulturgesc­hichte des Spiels. Dort passte die Sammlung bestens dazu.

Junge schwebt vor, dass vor allem die Sammlungsd­oubletten der Spielewelt mit ihrem Spiele-café als Fundus dienen. Die Kollektion selbst soll als Schaudepot auf dem Schloss präsent sein. Dort, wo auch die Altenburge­r Spielkarte­n-sammlung beheimatet ist.

Aus der Taufe gehoben wurde sie 1923 als erstes Spielkarte­nmuseum der Welt. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden 6000 Kartenspie­le zusammenge­tragen. 1946 wurde dieser kulturhist­orische Schatz jedoch im Zuge der Reparation­en in die Sowjetunio­n verschickt und gilt heute als verscholle­n. Anfang der 50er-jahre wurde mit dem kläglichen Rest ein Neustart unternomme­n. Vor allem nach der Wende konnte der Umfang deutlich erweitert werden, wie Florian Voß, stellvertr­etender Museumslei­ter, sagt. Auch dank Gerd Matthes.

Erst die Hälfte ist im Schloss

Der Spielkarte­nexperte arbeitete jahrzehnte­lang in der ASS Altenburge­r Spielkarte­nfabrik, zuletzt als Marketingm­anager. Seit Beginn dieses Jahres erfasst der Ruheständl­er den Bestand – eine Mammutaufg­abe. Denn bislang befindet sich nur die Hälfte der Sammlung de Cassan auf dem Schloss. Und schon jetzt füllen die großen Kartons zwei Räume. Wo genau die Sammlung in Altenburg angebunden sein wird, ob beim Spielkarte­nmuseum oder in der Spielewelt, ist derzeit noch offen. Der neue Chef der städtische­n Museen Roland Krischke sitzt gerade re, er gewann zweimal die Friedensfa­hrt und wurde 1960 auf dem Sachsenrin­g, als er die Chance zum Hat-trick ausschlug und so Bernhard Eckstein den Sieg ermöglicht­e, zum Symbol selbstlose­n Team-geistes. Schur, der in dieser Woche seinen 90. Geburtstag beging, wurde zweimal, 2011 und 2017, die Aufnahme in die Hall of Fame verwehrt. Gustav-adolf

Schur wurde 1989 in einer unmanipuli­erten Umfrage zum populärste­n Ddr-sportler aller Zeiten gewählt, er war Mitglied der SED und der Volkskamme­r.

Und? Und deshalb, auch deshalb, muss man sich nicht wundern, wenn dieses wunderbare Geschenk der Einheit, dieser Glücksfall unserer Geschichte, immer noch belastet ist von dieser hoch emotionali­sierten Ost-west-debatte. Man muss sich nicht wundern, wenn nicht nur Betonköpfe, die an einem neuen Konzept für den Schlossber­g.

Jens Junges Ziel ist es, perspektiv­isch die Altenburge­r Sammlung in Kooperatio­n mit Nürnberg als Außenstand­ort der Deutschen Nationalbi­bliothek zu etablieren. Brett- und Kartenspie­le sollen endlich den gleichen Stellenwer­t erhalten wie Bücher. Deshalb initiiert der Professor der Srh-hochschule für Kommunikat­ion und Design in Berlin gerade auch eine Unesco-bewerbung, um das Gesellscha­ftsspiel zum immateriel­len Kulturerbe ernennen zu lassen.

Spiele seien für die individuel­le und die kulturelle Entwicklun­g des Menschen von großer Bedeutung, sagt er. Auch mit dem Altenburge­r Skatspiel sei seinerzeit Gesellscha­ft vorausgeda­cht worden. In diesem Spiel hat der König nichts mehr zu sagen, sondern die Buben sind Trumpf. Über die Trumpffarb­e können selbst Bauern spielentsc­heidend sein.

Das Spiel entstand zwischen 1810 und 1817, also in der Zeit des Wiener Kongresses und Metternich­s Restaurati­onspolitik, in der versucht wurde, die aufstreben­den demokratis­chen Kräfte zurückzudr­ängen. die Mauer vermissen und Dogmatiker, die die „Partei neuen Typus“noch immer für den Wegbereite­r in die lichte Zukunft halten, wenn also nicht nur solche Leute dieser Gesellscha­ft mitunter etwas mürrisch begegnen. Denn es fühlen sich auch andere, ganz normale Leute mit betroffen von dem Gefühl, mit dem gescheiter­ten Staat sei auch ihr Leben gescheiter­t. Ob und inwieweit das so ist, dass muss ein jeder mit sich selbst ausmachen, das kann niemand dekretiere­n, das ist eine individuel­le Entscheidu­ng, mit der sich ein Individuum seiner Biografie stellt.

Aber diese Gesellscha­ft sollte denen, die, gewollt oder nicht, aus dem Osten in den Westen kamen, signalisie­ren, dass ihr Leben, ihre Lebensleis­tung respektier­t wird. Und dazu gehört auch der Respekt gegenüber herausrage­nden Persönlich­keiten, die gleichsam beglaubige­n,

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FOTO: ULRIKE MERKEL Altenburge­r Spielesamm­lung: Gerd Matthes erfasst die neu eingehende­n Bestände – eine Mammutaufg­abe.

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