Thüringer Allgemeine (Weimar)

Hofatelier: Blick in die Kultur einer persischen Familie

Yasaman Alinezhad Shahrivar stellt eigene Bilder und Textilien ihrer Urgroßmutt­er aus

- Von Michael Baar

Niedergrun­stedt. Der Minirock ist keine Erfindung von Mary Quant und der Popkultur der 1960er-jahre. Wer das noch nicht wusste, erfährt es so anschaulic­h wie überrasche­nd ausgerechn­et in der Ausstellun­g von Yasaman Alinezhad Shahrivar im Hofatelier Niedergrun­stedt. Ein Ausstellun­gsspazierg­ang am und im Hofatelier versprach am Wochenende einen Parcours durch Bilder, vielleicht auch Skulpturen. Doch die persische Künstlerin (35) hat ihre aktuellen Acrylbilde­r mit einem Blick in die Kultur ihrer Familie verbunden.

Selbst in Teheran geboren, stammt die Familie von Yasaman Alinezhad Shahrivar aus der iranischen Kulturstad­t Kaschan. Dort, an der Wiege der altorienta­lischen Hochkultur, lebte bis vor wenigen Jahren noch ihre schon als Kind erblindete Großmutter.

Dennoch hatte sie wiederum ihre Mutter bis ins hohe Alter gepflegt. Nach dem Tod von Großmutter und Urgroßmutt­er fand die Familie das Zimmer der Urgroßmutt­er nahezu unveränder­t vor.

Mit den erhaltenen Textilien, Schmuck und Wäschestüc­ken, Decken und Tüchern entdeckte Yasaman Alinezhad Shahrivar einen wahren Schatz persischer Alltagskul­tur. Alles von Hand gearbeitet, in den Farben ihrer Heimat. Die beeindruck­endsten Stücke stellt die Künstlerin nun im Hofatelier gemeinsam mit ihren Aquarellen aus. Der älteste der plissee-artigen Miniröcke stammt aus dem Jahr 1874. Zu sehen sind aber auch Jacken und Westen, die man wenden und von zwei Seiten tragen kann.

„Ich will damit zeigen, was die Kultur meines Landes ausmacht“, sagt die 35-Jährige, die seit sechs Jahren in Deutschlan­d lebt. Und sie stapelt damit nicht hoch. So ist einer der Miniröcke von der blinden Großmutter am Saum mit Gedichten des iranischen Nationaldi­chters Hafiz bestickt worden. Während andere Röcke auf Puppenstän­dern präsentier­t werden, hat Yasaman Alinezhad Shahrivar dieses Röckchen im Rahmen hinter Glas ausgestell­t.

In den Acrylbilde­rn von Yasaman Alinezhad Shahrivar dominieren Motive klassische­r persischer Architektu­r: Moscheen, Basare, alte Torbögen. Sie hat aber auch die alten Textilien in Aquarellen festgehalt­en. Fast überrasche­nd ist da ein Motiv mit farbenfroh­en Blumen auf einer Staffelei im Hof.

Wenn es einen Mangel in der Ausstellun­g gibt, dann sind es die fehlenden schriftlic­hen Erläuterun­gen. Man braucht Yasaman Alinezhad Shahrivar persönlich, um den ganzen Reichtum der Ausstellun­gsstücke zu erfassen.

Von Beruf ist die Künstlerin allerdings Ingenieuri­n. Sie befolgte den Rat ihrer Eltern und absolviert­e ein Studium – weil man sich der Kunst zwar immer widmen, aber nicht immer davon leben könne. So kam die Software-ingenieuri­n nach zwei Jahren Berufserfa­hrung 2014 mit ihrem Ehemann eher zufällig in die Stadt Goethes, der Hafiz so verehrte. Ihr Mann studiert an der Bauhaus-universitä­t. Sie arbeitet an der Ernst-abbe-fachhochsc­hule in Jena. Im Service-zentrum Informatik hat sie dort eine feste Anstellung.

Ihrer Leidenscha­ft, der Malerei, ist sie dennoch treu geblieben. Im Jahr 2018 wurde sie im Kunstverei­n Hofatelier aufgenomme­n, wo sie mit Lola Lennartz eine Seelenverw­andte traf.

Die Ausstellun­g im Hofatelier ist noch bis Ende März zu sehen. Je nach Corona-regeln und Wetterlage am Wochenende im Haus und im Freien.

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FOTO: MICHAEL BAAR Ausstellun­gsspazierg­ang mit der iranischen Künstlerin Yasaman Alinezhad Shahrivar am und im Hofatelier in Niedergrun­stedt.

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