Hofatelier: Blick in die Kultur einer persischen Familie
Yasaman Alinezhad Shahrivar stellt eigene Bilder und Textilien ihrer Urgroßmutter aus
Niedergrunstedt. Der Minirock ist keine Erfindung von Mary Quant und der Popkultur der 1960er-jahre. Wer das noch nicht wusste, erfährt es so anschaulich wie überraschend ausgerechnet in der Ausstellung von Yasaman Alinezhad Shahrivar im Hofatelier Niedergrunstedt. Ein Ausstellungsspaziergang am und im Hofatelier versprach am Wochenende einen Parcours durch Bilder, vielleicht auch Skulpturen. Doch die persische Künstlerin (35) hat ihre aktuellen Acrylbilder mit einem Blick in die Kultur ihrer Familie verbunden.
Selbst in Teheran geboren, stammt die Familie von Yasaman Alinezhad Shahrivar aus der iranischen Kulturstadt Kaschan. Dort, an der Wiege der altorientalischen Hochkultur, lebte bis vor wenigen Jahren noch ihre schon als Kind erblindete Großmutter.
Dennoch hatte sie wiederum ihre Mutter bis ins hohe Alter gepflegt. Nach dem Tod von Großmutter und Urgroßmutter fand die Familie das Zimmer der Urgroßmutter nahezu unverändert vor.
Mit den erhaltenen Textilien, Schmuck und Wäschestücken, Decken und Tüchern entdeckte Yasaman Alinezhad Shahrivar einen wahren Schatz persischer Alltagskultur. Alles von Hand gearbeitet, in den Farben ihrer Heimat. Die beeindruckendsten Stücke stellt die Künstlerin nun im Hofatelier gemeinsam mit ihren Aquarellen aus. Der älteste der plissee-artigen Miniröcke stammt aus dem Jahr 1874. Zu sehen sind aber auch Jacken und Westen, die man wenden und von zwei Seiten tragen kann.
„Ich will damit zeigen, was die Kultur meines Landes ausmacht“, sagt die 35-Jährige, die seit sechs Jahren in Deutschland lebt. Und sie stapelt damit nicht hoch. So ist einer der Miniröcke von der blinden Großmutter am Saum mit Gedichten des iranischen Nationaldichters Hafiz bestickt worden. Während andere Röcke auf Puppenständern präsentiert werden, hat Yasaman Alinezhad Shahrivar dieses Röckchen im Rahmen hinter Glas ausgestellt.
In den Acrylbildern von Yasaman Alinezhad Shahrivar dominieren Motive klassischer persischer Architektur: Moscheen, Basare, alte Torbögen. Sie hat aber auch die alten Textilien in Aquarellen festgehalten. Fast überraschend ist da ein Motiv mit farbenfrohen Blumen auf einer Staffelei im Hof.
Wenn es einen Mangel in der Ausstellung gibt, dann sind es die fehlenden schriftlichen Erläuterungen. Man braucht Yasaman Alinezhad Shahrivar persönlich, um den ganzen Reichtum der Ausstellungsstücke zu erfassen.
Von Beruf ist die Künstlerin allerdings Ingenieurin. Sie befolgte den Rat ihrer Eltern und absolvierte ein Studium – weil man sich der Kunst zwar immer widmen, aber nicht immer davon leben könne. So kam die Software-ingenieurin nach zwei Jahren Berufserfahrung 2014 mit ihrem Ehemann eher zufällig in die Stadt Goethes, der Hafiz so verehrte. Ihr Mann studiert an der Bauhaus-universität. Sie arbeitet an der Ernst-abbe-fachhochschule in Jena. Im Service-zentrum Informatik hat sie dort eine feste Anstellung.
Ihrer Leidenschaft, der Malerei, ist sie dennoch treu geblieben. Im Jahr 2018 wurde sie im Kunstverein Hofatelier aufgenommen, wo sie mit Lola Lennartz eine Seelenverwandte traf.
Die Ausstellung im Hofatelier ist noch bis Ende März zu sehen. Je nach Corona-regeln und Wetterlage am Wochenende im Haus und im Freien.