Ein Bogen für Borchert
Weimar benennt Straße nach dem Schriftsteller, der hier kurze Zeit kaserniert war. Zahlreiche Veranstaltungen
Weimar. Jetzt ist es sicher: Weimar wird einen Wolfgang-borchert-bogen erhalten. Der Stadtratsbeschluss ist eindeutig: ohne Gegenstimmen bei zwei Enthaltungen wird dem Schriftsteller quasi ein Denkmal gesetzt. Und zwar gerade rechtzeitig vor seinem 100. Geburtstag am 20. Mai. Zudem ist es bald 80 Jahre her, dass Borchert in Weimar war – und zwar von Juni bis September 1941 in der Weimarer Wehrmachtskaserne. Bereits 1947 verstarb der junge Borchert.
Mit dem jetzigen Beschluss, Borchert eine Straße zu widmen, ist zugleich in dem neuen Wohngebiet „Am Kirschberg“ein „Literaturviertel“mit Blick auch auf Autorinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbunden: Nach Gabriele Reuter und Marie-luise Kaschnitz werden ebenfalls Straßen benannt. Möglich wurde dies, weil sich bereits seit 2019 ein Kreis prominenter Unterstützerinnen und Unterstützer aus Kunst und Kultur – alle voran Persönlichkeiten, die den Weimar-preis erhalten haben – eingesetzt haben. Der Anstoß kam von Martin Rambow, einem Pfarrer, der seinen Ruhestand in Weimar verbringt und in der friedlichen Revolution in Gotha aktiv war. Rambow ist friedensbewegt und hat sich in den 1990ern in Erfurt für das dortige Deserteursdenkmal eingesetzt.
Es gibt jetzt gleich zwei Anlässe, sich Borchert zu widmen: neben seinem 100. Geburtstag ist es der 80
Jahre zurückliegende Kasernenhofdrill und Kadavergehorsam, den er in Weimar erlebte und erlitt, sagt Rambow. Diese Zeit habe Borchert in eine tiefe seelische Krise geführt. „Wo immer solche Erzählmotive in seinen Texten auftauchen, sind sie auf die Monate in Weimar zurück zu führen. Hier liegen also die Wurzeln zu seinem späteren Schreiben gegen den Krieg, seinem aufrüttelnden ‘Sag Nein!’“, ist Rambow überzeugt. Nach Borcherts frühem Tod zwei Jahre nach Kriegsende wurde er zu einem der meistgelesenen Autoren der Nachkriegs- und insbesondere der Antikriegsliteratur, erläutert Rambow. In der Zeit der Wiederbewaffnung und der Hochrüstung allerdings blieb er den kalten Kriegern in Ost wie West suspekt.
In den neuen Bundesländern – wo es bisher nur drei Städte mit einer Wolfgang-borchert-straße gibt – sei Weimar nun als vierte die erste mit einer biografischen Verbindung zum Autor. Und mit der
Benennung des Wolfgang-borchertbogens verbunden ist zugleich eine Veranstaltungsreihe, die Deutsches Nationaltheater Weimar (DNT), Bauhaus-unibibliothek, Lesarten und das Kommunale Kino sowie die Jakobskirche verbindet.
Bereits am heutigen Donnerstag wird mit „Draußen vor der Tür“ein Tonfilm nach Wolfgang Borchert um 20 Uhr Online-premiere beim DNT haben. Es geht um das Schicksal eines Kriegsheimkehrers. Der Film will eine Brücke vom Jetzt ins
Damals schlagen, heißt es. Bis Ende Juni folgen weitere Veranstaltungen, darunter eine Filmreihe im Mon-ami-kino und eine Ausstellung in der Bauhaus-unibibliothek, die sich mit Borcherts Leben, Werk und Wirkung befasst und am 100. Geburtstag am 20. Mai eröffnet wird. Schirmherr der Veranstaltungsreihe ist der bekannte Schriftsteller Lutz Seiler. Er soll zum Literaturfestival „Lesarten“Mitte Juni nach Weimar kommen. Abschluss wird Ende Juni eine Veranstaltung in der Jakobskirche zu Borcherts Auseinandersetzung mit der Gottesfrage sein. Rambow und sein Unterstützerkreis hoffen, dass dann wieder größere Präsenzveranstaltungen möglich sein werden.
Film als Video-on-demand bis 22. April auf www.nationaltheater-weimar.de