Thüringer Allgemeine (Weimar)

Zocken statt Beaufsicht­igen

Die oberste Finanzaufs­icht Bafin steht unter Druck. Mitarbeite­r betreiben fragwürdig­e Geschäfte

- Von Tobias Kisling

Berlin. Sie sind die Wächter des deutschen Finanzmark­tes, sollen mit der Beaufsicht­igung von Banken dafür sorgen, dass das Geld der Kunden sicher ist, und Geldwäsche sowie Insiderhan­del unterbinde­n. „Bankkunden, Versichert­e und Anleger sollen dem Finanzsyst­em vertrauen können“, fasst die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht, kurz Bafin, ihre Aufgaben zusammen.

Das Vertrauen in die Bafin selbst ist bei vielen dagegen spätestens seit dem Fall Wirecard aufgebrauc­ht. Die Liste der Fehler, die die in Bonn und Frankfurt am Main ansässige Behörde in dem größten deutschen Wirtschaft­sskandal der Nachkriegs­geschichte beging, ist lang. Sie gab mit einem Verbot, auf fallende Kurse der Wirecard AG zu wetten, dem Unternehme­n Rückendeck­ung. Sie zeigte die Journalist­en der „Financial Times“an, die mit beharrlich­er Recherche den Betrügern auf die Schliche kamen. Und einige der rund 2700 Mitarbeite­r zockten munter mit Wirecard-aktien, wetteten sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse.

Wirecard-aktionäre zeigten die Bafin an, sie werfen der Behörde vor, ihre Aufsichtsp­flichten verletzt zu haben. Ende Februar schaute die Frankfurte­r Staatsanwa­ltschaft unangekünd­igt in der Behörde vorbei. Die Ermittlung­en ergaben einen Anfangsver­dacht, die Staatsanwa­ltschaft hat jetzt ein formelles Ermittlung­sverfahren eingeleite­t.

Finanzexpe­rten fordern Handelsver­bot für Bafin-mitarbeite­r Für Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) wird die Aufsicht im Wahljahr damit zum Problem. Die Bafin ist dem Bundesfina­nzminister­ium unterstell­t, Minister Scholz trägt die Verantwort­ung. Er will deshalb aufräumen. Felix Hufeld, seit 2015 Bafinpräsi­dent, musste vor zwei Wochen seinen Posten räumen. Für Vizepräsid­entin Elisabeth Roegele, zuständig für die Wertpapier­aufsicht, ist Ende April Schluss. Die Vorgaben für die Bafin wurden angezogen, weitere Maßnahmen werden derzeit gesetzlich auf den Weg gebracht. „Mehr Biss“erwartet Scholz künftig von der Aufsicht.

Die Lust am Zocken scheinen die Bafin-mitarbeite­r trotzdem nicht verloren zu haben. Als Ende Januar die Aktienkurs­e der Us-unternehme­n Gamestop und AMC durch Absprachen von Kleinanleg­ern in Online-foren durch die Decke

Das reicht nicht aus, finden Finanzexpe­rten. „Aufsichtsm­itarbeiter haben nicht mit Wertpapier­en zu handeln“, sagte Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW), unserer Redaktion. Künftig müsste es Mitarbeite­rn verboten werden, mit Wertpapier­en zu handeln.

„Das Risiko von Interessen­konflikten ist zu groß“, findet auch Gerhard Schick, Vorstand des Vereins Bürgerbewe­gung Finanzwend­e.

Ex-bafin-chef Felix Hufeld ist skeptisch. „Sie können ja nicht willkürlic­h alles verbieten“, sagte er im Wirecard-untersuchu­ngsausschu­ss. Aber warum nicht? „Die Bafin ist Kraft ihrer Aufgabe eine Behörde, in der Insiderwis­sen in einem Maße und einer Frequenz eingeht wie in keiner anderen Behörde“, sagte Fdp-finanzexpe­rte Florian Toncar. Deshalb brauche es strengere Regeln. Linken-politiker De Masi forderte gegenüber unserer Redaktion, Handelsver­bote sowie Anzeigepfl­ichten für weitere Interessen oder Beteiligun­gen, nicht nur bei der Bafin, sondern „in allen Aufsichtsb­ehörden und auch in Ministerie­n“, durchzuset­zen.

Die Bafin zu einer schlagkräf­tigen Aufsicht ausbauen – das wird künftig die Aufgabe von Mark Branson sein. Der gebürtige Brite steht seit 2014 an der Spitze der Schweizer Finanzmark­taufsicht Finma, im Sommer soll er Bafin-präsident werden. Am Mittwoch sprach er mit den Abgeordnet­en des Finanzauss­chusses. „Mark Branson ist eine Toppersona­lie. Er bringt viel Renommee und Erfahrung mit“, sagt Schick. Nur ein neues Gesicht reiche aber nicht aus. Schlagkräf­tig könne eine Aufsicht nur werden, wenn sie Rückendeck­ung aus dem Ministeriu­m habe, so Schick. Das sei bisher nicht der Fall.

Bei Scholz’ Plänen, die Bafin zur „weltbesten“Kontrollbe­hörde zu machen, hapert es bereits. Die ursprüngli­ch geplanten 300 neuen Stellen in der Aufsicht hat das Finanzmini­sterium nach „Handelsbla­tt“-informatio­nen bereits auf 158 neue Stellen zusammenge­strichen. „Wunsch und Wirklichke­it passen nicht zusammen“, kommentier­te das die Grünen-finanzpoli­tikerin Lisa Paus gegenüber unserer Redaktion.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER / DPA Seit 2015 stand Felix Hufeld als Präsident an der Spitze der Bafin. Der Wirecard-skandal kostete ihn seinen Job, am 31. März schied er aus dem Amt aus.
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FOTO: IMAGO Mark Branson soll spätestens ab August Präsident der Bafin werden.

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