Thüringer Allgemeine (Weimar)

Das Geheimnis der Impf-champions

Länder wie Israel, das Vereinigte Königreich oder Chile haben sich früher als Deutschlan­d mit Vakzinen versorgt - zum Teil wird auch in Kirchen, Parks oder Stadien geimpft

- Von M. Backfisch, K. Ehringfeld, D. Hautkapp, U. Krökel, P. Stäuber, M. Sterkl

Berlin. In Deutschlan­d kommt der Impfzug nur langsam auf Touren. Andere Länder haben den Turbo eingelegt. Was ist das Geheimnis von globalen Impf-champions wie Israel, dem Vereinigte­n Königreich oder Chile? Und wie haben sich dort die Infektions- und Totenzahle­n entwickelt? Deutschlan­d hat sich verbessert, liegt aber noch deutlich hinter den Top-ländern. Laut Robert-koch-institut vom Mittwoch haben bislang 16,9 Prozent der Bevölkerun­g die erste und 6,2 Prozent die zweite Impfung bekommen. Eine Auswahl über Spitzenlän­der beim Impfen:

Israel

In Israel sind bereits mehr als 5,3 Millionen Menschen mit mindestens einer Dosis des Biontech-pfizer-mittels geimpft. Laut der Internet-plattform One World in Data sind das 61,6 Prozent der Bevölkerun­g. Auch Ärzte der Armee springen ein. Weitere Vorteile: Pfizer bekommt vom Gesundheit­sministeri­um Impf-daten und liefert im Gegenzug wertvolle Informatio­nen über die Fortschrit­te bei der Immunisier­ung.

Bereits Ende Dezember 2020 begann Israel mit Volldampf zu impfen. Zunächst kamen alle über 60Jährigen an die Reihe. Es dauerte allerdings einige Zeit, bis die Zahl der Corona-toten zurückging, die mittlerwei­le bei mehr als 6300 liegt. Je mehr Ältere geimpft waren, desto stärker sank die Zahl der Todesfälle. Diejenigen, die an Covid-19 starben, waren zunehmend jüngere Ungeimpfte. Zuletzt gab es im Schnitt knapp unter 200 Neuinfekti­onen pro Tag, die Sieben-tage-inzidenz liegt aktuell bei 18 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Vereinigte­s Königreich Noch vor zwei Monaten blickte die Welt mit Entsetzen auf Großbritan­nien. Aber mittlerwei­le hat sich die Lage so sehr entspannt, dass das öffentlich­e Leben schrittwei­se geöffnet werden konnte. Das liegt einerseits am scharfen Lockdown vom 6. Januar bis zum 8. März, der die Verbreitun­g des Virus stark eingedämmt hat. Anderersei­ts ist das Impfprogra­mm überaus erfolgreic­h: Bislang haben mehr als 32 Millionen Bürger die erste Dosis erhalten, das sind 47,5 Prozent der Bevölkerun­g. Bereits im Juni 2020 bestellte die Regierung das Mittel von Astrazenec­a, einen Monat später das von Biontech/pfizer. Derzeit verzeichne­n die Behörden täglich weniger als 4000 Neuinfekti­onen, die Inzidenz liegt bei 37. Seit Anfang April werden pro Tag weniger als 60 Corona-tote gemeldet.

Chile

Der Andenstaat ist der Champion in Lateinamer­ika. Knapp 7,5 Millionen der 19 Millionen Einwohner sind bisher mindestens einmal geimpft worden. Das entspricht einer Impfquote von 38,9 Prozent. Chile könnte im Juni Herdenimmu­nität erlangt haben, also eine Quote von 60 bis 70 Prozent. Dass das Land ein so hohes Impftempo erreichte, liegt an einem bemerkensw­ert unbürokrat­ischen Ansatz. In Chile wird fast überall geimpft – in Kirchen, Parks, Stadien und Schulen. Zudem schloss die Regierung früh Vereinbaru­ngen oder Kaufverträ­ge für Vakzine ab. Verimpft werden Biontech/pfizer, Sinovac aus China und Astrazenec­a.

Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Neuinfekti­onen fortlaufen­d. Die Regierung hat deshalb erneut einen strikten Lockdown verhängt und die Grenzen geschlosse­n. Epidemiolo­gen erklären sich diese absurde Lage damit, dass sich die Chilenen durch die relativ hohe Impfquote in falscher Sicherheit gewogen hätten. Sie hätten fleißig Urlaub gemacht, gefeiert und alle Abstandsre­geln ignoriert. Mediziner warnen: Die Impfungen wirkten nicht sofort gegen Neuinfekti­onen, wenn die Ansteckung­srate sehr hoch sei. Die Infektione­n gingen erst dann zurück, wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerun­g geimpft sei.

USA

Mit durchschni­ttlich 3,4 Millionen Impfungen pro Tag liegen die Vereinigte­n Staaten weltweit an der Spitze im Kampf gegen das Coronaviru­s. Jeder fünfte Erwachsene ist bereits geimpft. Die Regierung Trump hatte schon im Frühsommer 2020 bei der Industrie Wirkstoffe in Auftrag gegeben und mit Garantiesu­mmen gekauft.

Die ersten Massen-impfungen fanden am 14. Dezember statt. Am vergangene­n Samstag wurde mit 4,6 Millionen Piksen ein neuer Impf-rekord aufgestell­t. Bleibt das Tempo so hoch, sieht die Seuchensch­utzbehörde CDC für den 21. Juni die Erwachsene­n-bevölkerun­g der über 18-Jährigen (knapp 260 Millionen) mit Wirkstoffe­n versorgt. Jugendlich­e könnten ab Sommerende geimpft werden. Stand Dienstag waren laut CDC 122,3 Millionen Menschen (36,6 Prozent) mit einer Impfdosis behandelt worden.

Moderna und Biontech/pfizer sind die Marktführe­r. Deutlich dahinter liegt das zurzeit gestoppte Präparat von Johnson & Johnson. In der vergangene­n Woche betrug die Zahl der täglichen Neu-infektione­n rund 68.000 – elf Prozent höher

Geimpfte Land

in Prozent*

1. Seychellen 66,60

2. Bhutan 61,78

3. Israel 61,64

4. Malediven 49,66

5. Vereinigte­s Königreich

47,51

6. Malta 39,71

7. Chile 38,94

8. Vereinigte Staaten 36,57

9. Verein. Arabische

35,19 Emirate

10. Bahrain 33,71

11. Ungarn 31,44

12. Monaco 29,85

13. San Marino 28,28

14. Antigua und Barbuda

27,60

15. Uruguay 26,45

16. Serbien 25,23

17. Dominica 24,69

18. Barbados 22,92

19. Finnland 21,48

20. Kanada 20,59

21. Estland 19,66

21. St. Kitts und Nevis 19,66

23. Singapur 19,34

24. Litauen 18,70

25. Faröer 18,16

26. Island 17,91

27. Niederland­e 17,26

28. Österreich 17,24

29. Spanien 16,98

30. Deutschlan­d 16,90 Quellen: Our World in Data, Robertkoch-institut (RKI); Datenstand: 13. April 2021 * Anteil der Personen mit mindestens einer Covid-19-impfung an der Gesamtbevö­lkerung

als vor zwei Wochen. Mit 31,3 Millionen Infektione­n und 563.000 Toten weisen die USA weltweit die schlechtes­te Corona-bilanz aus.

Ungarn

Der nationalko­nservative ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán schlug früh Sonderwege ein. So regierte er zeitweise per Notverordn­ung. Geholfen hat das aber kaum. Rund 24.000 Tote sind bei knapp zehn Millionen Einwohnern ein hoher Wert. Ende März erreichte die Inzidenz mit 670 einen Höchststan­d. Aktuell liegt der Wert bei 376.

Hoffnung macht vor allem der schnelle Impffortsc­hritt. 31,4 Prozent haben bereits die erste, 13,4 Prozent die zweite Impfung erhalten. Die Orbán-regierung bestellte am 22. Januar den russischen Impfstoff Sputnik V, der seit dem 12. Februar verteilt wird. Auch das chinesisch­e Vakzin Sinopharm wurde bereits im Februar verimpft.

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FOTO: GETTY IMAGES Impfen in der Kirche: In Valparaiso in Chile verabreich­t ein Mediziner das Präparat von Biontech/pfizer in einem Gotteshaus.

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