Keine Sicherheit durch Corona-schnelltests?
Drosten warnt, dass Antigentests unzuverlässiger sind als bekannt - Was das für die Öffnungsstrategie bedeutet
Berlin. Ein bisschen Sicherheit in 20 Minuten, das war das Versprechen von Corona-schnelltests: Seit sie zugelassen sind, wird in Schulen, vor dem Einkauf und vor privaten Treffen fleißig getestet, in der Hoffnung, auf diese Weise viele Infektionen zu verhindern. Doch jetzt steht infrage, wie viel Schutz diese Tests wirklich bringen.
„An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“
Christian Drosten Virologe
Alarm schlug jetzt der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten. Im „Corona-update“-podcast des NDR erklärte der Experte, dass die Tests in der Praxis Infektionen oft erst spät erkennen. „Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptombeginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös“, sagte Drosten. „Wenn man davon ausgeht, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend ist, heißt das: An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“Drei Tage, während denen Infizierte im Glauben, gesund zu sein, andere anstecken und die Pandemie befeuern können. Wie viel Schutz bieten Schnelltests also wirklich? Und was heißt das für bisherige Öffnungen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie funktionieren die Schnelltests? Antigen-schnelltests weisen bestimmte vom Virus gebildete Eiweiße nach, und das innerhalb von sehr kurzer Zeit. Sind in einer Probe diese Eiweiße vorhanden, wird auf dem Teststreifen ein Enzym aktiviert und die Farbe des Streifens ändert sich: Der Test ist positiv. Bei niedrigen Virusmengen sind sie aber weniger zuverlässig als Pcr-tests.
Kann man damit sicher öffnen?
Mit der derzeitigen Infektionslage: nein, sagt Bernd Salzberger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. „Aktuell sind an Tests gekoppelte Öffnungen keine gute Strategie“, so Salzberger. Testen und Shoppen, Testen und Theater, diese Rechnung der Politik sei löchrig und bei den aktuellen Fallzahlen höchst riskant. „Es ist ein großer Unterschied, ob ich eine Inzidenz von 10 von 100.000 in 7 Tagen habe oder von 150“, so Salzberger. Wie Drosten verweist auch der Bereichsleiter Infektiologie am Uniklinikum Regensburg auf die Schwächen der Antigentests. „Bei einer Inzidenz von 150 spielt die Zahl der falsch negativen Fälle eine viel größere Rolle. Dann kommen viel mehr unentdeckt Infizierte in den Verkehr.“
Die Sinnhaftigkeit einer Schnelltest-strategie hänge also auch mit der Epidemiologie zusammen. Sie sei erst bei niedrigen Fallzahlen praktikabel. Doch die gibt es in Deutschland derzeit kaum irgendwo: Am Mittwoch meldete das RKI eine 7-Tage-inzidenz von 153,2 – so hoch wie zuletzt Mitte Januar während der zweiten Welle. Und das, obwohl man beim Institut davon ausgeht, dass über die Ostertage weniger getestet wurde und auch die Schulferien in vielen Ländern die Dynamik gebremst haben dürften.
Wie viel bringen Schnelltests dann? Auch wenn Schnelltests nicht das beste Diagnosemittel seien: Wenn man „sehr, sehr ausgiebig“teste, reduziere man trotzdem die Zahl der zirkulierenden Menschen, die eine Infektion haben, sagt Salzberger. Dies zu tun, sei also durchaus sinnvoll – negative Tests als Basis für Öffnungen zu nutzen, aktuell dagegen eindeutig nicht. Auch Christian Drosten stellte am Mittwoch auf Twitter klar: Dass nicht alle Infektionen durch Schnelltests gefunden werden, heißt nicht, dass diese gar keinen Nutzen haben.
Was heißt das für Schulen? Regelmäßige Schnelltests von Schülerinnen, Schülern und Personal sind in vielen Bundesländern Teil der Bemühungen, den Präsenzunterricht nach den Osterferien zumindest teilweise zu ermöglichen. Zum Einsatz kommen dabei auch
Selbsttests. Heinz-peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hält das auch trotz Zweifeln an den Tests für richtig: „Uns war allen klar, dass Schnelltests und gerade auch die Selbsttests nicht so zuverlässig sind wie etwa Pcrtests“, sagte Meidinger unserer Redaktion. „Das entwertet aber nicht die Sinnhaftigkeit einer Testpflicht an Schulen als ein zusätzlicher Baustein für mehr Gesundheitsschutz.“Gerade weil ihre Aussagekraft begrenzt ist, dürften Schnelltests aber nicht dazu führen, dass andere Maßnahmen wie die Maskenpflicht vernachlässigt würden, so Meidinger.
Was sagt der Handel?
Der Handel setzt weiter auf Schnelltests, wo sie erforderlich sind. Gleichzeitig ist der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, angesichts der Hygienestandards in Läden und mehrerer Studienergebnisse überzeugt: „Der Einkauf birgt kein erhöhtes Infektionsrisiko. Das haben auch das Robert-koch-institut und die TU Berlin festgestellt.“
Gibt es eine Alternative?
Präziser als Antigen-schnelltests sind Pcr-tests, mit denen sich nachweisen lässt, ob in einer Probe Bestandteile des Viruserbguts vorhanden sind. Doch das Verfahren, das dafür angewandt wird, kann nur in Laboren durchgeführt werden. Pcr-tests sind daher teurer und langsamer als Schnelltests und brauchen freie Laborkapazitäten. Für den flächendeckenden Einsatz, zum Beispiel im Schulbetrieb, sind sie deshalb nicht geeignet.