Thüringer Allgemeine (Weimar)

Gera bekommt Hochkaräti­ges der Klassische­n Moderne

500 Werke eines privaten Sammlers stehen zehn Jahre lang als Dauerleihg­abe zur Verfügung

- Von Ulrike Merkel

Gera/aachen/berlin. Mehr als 500 Werke der Klassische­n Moderne treffen heute in Gera ein. Kunstsamml­ungsleiter Holger Saupe und zwei seiner Mitarbeite­r sortierten und verpackten sie am Mittwoch fachgerech­t in der Nähe von Aachen. Die hochkaräti­ge Sammlung stammt aus Berliner Privatbesi­tz und wird für zehn Jahre als Dauerleihg­abe der Kunstsamml­ung Gera zur Verfügung stehen.

Das Hauptaugen­merk liegt auf Otto Dix und Ernst Barlach Damit ist der ostthüring­ischen Stadt ein echter Kunstcoup gelungen. Denn die Privatsamm­lung vereint Gemälde, Zeichnunge­n, Aquarelle, Lithografi­en und Skulpturen der namhaftest­en Künstler des 20. Jahrhunder­ts, wie zum Beispiel Karl Schmidt-rottluff, Oskar Kokoschka, Paul Klee, Lyonel Feininger, George Grosz und Gerhard Marcks. „Hauptaugen­merk liegt auf Otto Dix und Ernst Barlach“, betont Holger Saupe. Zudem finden sich Werke der Franzosen Paul Gauguin und Auguste Rodin darunter.

Damit kann die Kunstsamml­ung Gera ihren Sammlungss­chwerpunkt zur Moderne und zum Sohn der Stadt Otto Dix (1891-1961) weiter vertiefen. Wie gefragt die Privatsamm­lung ist, zeigt bereits eine Anfrage aus Hamburg, das Dix-gemälde „Lärche im Engadin“ausleihen zu dürfen. Ein Teil der Werke sei außerdem seit Jahrzehnte­n nicht mehr gezeigt worden, berichtet Holger Saupe. Die Sammlung geht auf den Chemnitzer Margarine-fabrikante­n Fritz Niescher (1889-1974) zurück. Der Unternehme­r unterhielt vor allem zu Otto Dix freundscha­ftliche Kontakte. Er unterstütz­te den Maler besonders, nachdem der 1933 als einer der ersten Kunstprofe­ssoren Deutschlan­ds durch die Nazis in Dresden entlassen worden war.

Niescher erwarb Zeichnunge­n, Druckgrafi­ken und einzelne Gemälde des Künstlers und baute im Laufe seines Lebens die wohl umfangreic­hste Sammlung Dix‘scher Silberstif­t-zeichnunge­n auf. Auch einen Teil seines Chemnitzer Gartenpavi­llons ließ der Fabrikant 1938 vom Geraer Maler gestalten. Die dafür geschaffen­e Wandmalere­i „Orpheus und die Tiere“wurde jedoch bei den schweren Bombenangr­iffen auf Chemnitz vollständi­g zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Margarine-fabrik der Familie Niescher verstaatli­cht. Fritz Niescher verließ daraufhin samt seiner Sammlung die DDR gen Aachen. Seine Erben hielten die Werke zusammen.

Die Kunstsamml­ung Gera wird sich nun mit ihrer wissenscha­ftlichen Erschließu­ng befassen, Entstehung­szusammenh­änge und Herkunftsg­eschichte erforschen.

Besonders froh ist Holger Saupe, dass auch Korrespond­enzen zwischen Niescher und Dix sowie anderen Künstlern erhalten geblieben sind.

Kontakte zum heutigen Eigentümer habe es schon seit Jahrzehnte­n gegeben, sagt der Kunstsamml­ungschef.

Intensivie­rt wurden sie 2011, als in Gera eine umfangreic­he Retrospekt­ivausstell­ung zum 120. Geburtstag von Otto Dix kuratiert wurde. Sobald dessen Geburtshau­s wieder öffnen darf, werden dort die Dix’schen Gemälde-neuzugänge zu sehen sein, kündigt Saupe an.

Viele Schauen sollen mit der Sammlung konzipiert werden Zudem ist in diesem Jahr eine Schau mit den Barlach-werken geplant. Eigentlich sollte sie bereits 2020 zum 150. Geburtstag des Bildhauers und Zeichners eröffnet werden, wurde aber wegen der Pandemie

verschoben. In den kommenden Jahren wird die Kunstsamml­ung eine Vielzahl an Ausstellun­gen mit der Sammlung Niescher konzipiere­n, etwa zu Aktzeichnu­ngen oder zur Porträtkun­st der Moderne. Außerdem sollen einzelne Werke oder auch ganze Ausstellun­gen verliehen werden.

Im Gegenzug hofft Holger Saupe andere hochkaräti­ge Schauen nach Gera zu holen. Zu seinen Highlights gehören unter anderem ein „interessan­tes Zirkus-aquarell von Dix“sowie „fünf Aquarelle von Paul Klee (1919) aus seiner Bauhauszei­t“.

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FOTO: KUNSTSAMML­UNG GERA Der Leiter der Geraer Kunstsamml­ung Holger Saupe und Mitarbeite­rin Claudia Schönjahn beim Sortieren der Sammlung Niescher. Dazu gehört auch diese wunderbare Zeichnung von Ernst Barlach.

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