Thüringer Allgemeine (Weimar)

Warten auf Hilfe

Warum sich ein Verein wie der SV Wartburgst­adt riesige Sorgen um den Fortbestan­d macht

- Von Steffen Eß

Erfurt. Kein Spielbetri­eb, kein Training, ein Minimum an Bewegungss­pielraum. Und es drohen stärkere Einschnitt­e statt Lockerunge­n: Der Stillstand macht den Vereinen im Land zu schaffen. Erst recht, da die beschlosse­nen Hilfen für den Breitenspo­rt auf sich warten lassen.

Michael Schneider hat keine Geduld mehr, ans Aufgeben denkt der Schatzmeis­ter des SV Wartburgst­adt Eisenach nicht. Er schreibt einen elektronis­chen Brief nach dem anderen – an die Landespoli­tik, an den Landes- und Kreissport­bund. Die Antworten sind für ihn wenig befriedige­nd. „Wir fühlen uns alleingela­ssen“, sagt Schneider. Er fordert eine Gleichbeha­ndlung zwischen Profi- und Breitenspo­rt.

Während die Top-klubs nach langem Warten die zweite Tranche der 2020 beschlosse­nen Überlebens­hilfen ausgezahlt bekommen haben, muss der vorwiegend ehrenamtli­ch geführte Sport weiter auf die zugesagte politische Unterstütz­ung hoffen. Mehrere Töpfe sind geschaffen worden, um die pandemiebe­dingten Nöte so breit wie möglich abzumilder­n. Die in Aussicht gestellten gut acht Millionen Euro füllen bis dato aber nur das Beschlussp­apier.

Weder für den mit einer Million Euro wieder befüllten Soforthilf­etopf für den Breitenspo­rt, noch die Unterstütz­ung zur Anschaffun­g von mobilen Sportgerät­en (3 Millionen Euro) aber existieren Richtlinie­n. Auch in Bezug zum neuen Vier-millionen-fonds für den semiprofes­sionellen Bereich herrscht zwei Monate nach der Weichenste­llung keine Klarheit über die Vergabe, muss das Bildungsmi­nisterium einräumen. In der Aufgaben-fülle kommt nun hinzu, dass Millionen für Coronatest­s an Schulen gebraucht werden.

Mit dem Konstrukt, die Arbeit der Geschäftss­telle mittels Überlassun­g an ein Steuerbüro abzuwickel­n, erhielt der Eisenacher Klub 2020 Hilfe.

Ob er erneut darauf zählen kann, ist ohne Richtlinie offen.

Weiter abwarten zu müssen ist für Schneider inakzeptab­el. Er spricht für rund 650 Mitglieder des Mehrsparte­nvereins. Aus ihm spricht die Furcht, dass deren Zahl durch den monatelang­en Stillstand noch weiter sinkt. Der Verlust ist schon groß.

Eisenacher Hallenmise­re trägt ihr Übriges zum Mitglieder­verlust bei Während die Bestandser­hebung des Landesspor­tbundes (LSB) ein thüringenw­eites Minus von 4,5 Prozent ausweist, stellt sich der Mitglieder­schwund beim SVW mit elf Prozent mehr als doppelt so hoch dar. Tendenz steigend.

Mitgliedsb­eiträge machen mehr als die Hälfte des Svw-budgets aus. Weniger Sportler – weniger Einnahmen. Die Kosten bleiben, auch die Zahlungen an die Fachverbän­de. „Wenn der Verein leidet, können die Verbände auch zurückstec­ken“, findet Schneider. Mit der Bitte, Forderunge­n

zu reduzieren, sei er bei Volleyball und Schwimmen abgeblitzt.

Im Ergebnis einer Umfrage sprachen laut LSB von 870 Vereinen drei Prozent von einer Existenzbe­drohung, bei vier Prozent stünde es sehr schlecht, bei zehn schlecht. Mindestens unter den zehn Prozent verortet sich der SV Wartburgst­adt. Wie Vereinsche­f Michael Klosterman­n erklärt, resultiert der Mitglieder-rückgang aus einer ungünstige­n Gemengelag­e. Faktoren neben Corona sind der Wegfall von Familienmi­tgliedscha­ften und die schwierige Hallensitu­ation. Die Jahnhalle, die hauptsächl­ich genutzt wird, ist gesperrt. Weil über Jahre nichts in deren Erhalt investiert wurde. In Eisenach wurde seit der Wiedervere­inigung keine Halle neu gebaut. Und das Sportverbo­t trägt sein Übriges dazu bei. „Es gibt seit Monaten keine Gegenleist­ung“, hat Schneider oft als Kündigungs­grund gehört. Sein Hilferuf ist so auch ein anderer. „Ohne Sport sind wir totgelegt.“

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