Warten auf Hilfe
Warum sich ein Verein wie der SV Wartburgstadt riesige Sorgen um den Fortbestand macht
Erfurt. Kein Spielbetrieb, kein Training, ein Minimum an Bewegungsspielraum. Und es drohen stärkere Einschnitte statt Lockerungen: Der Stillstand macht den Vereinen im Land zu schaffen. Erst recht, da die beschlossenen Hilfen für den Breitensport auf sich warten lassen.
Michael Schneider hat keine Geduld mehr, ans Aufgeben denkt der Schatzmeister des SV Wartburgstadt Eisenach nicht. Er schreibt einen elektronischen Brief nach dem anderen – an die Landespolitik, an den Landes- und Kreissportbund. Die Antworten sind für ihn wenig befriedigend. „Wir fühlen uns alleingelassen“, sagt Schneider. Er fordert eine Gleichbehandlung zwischen Profi- und Breitensport.
Während die Top-klubs nach langem Warten die zweite Tranche der 2020 beschlossenen Überlebenshilfen ausgezahlt bekommen haben, muss der vorwiegend ehrenamtlich geführte Sport weiter auf die zugesagte politische Unterstützung hoffen. Mehrere Töpfe sind geschaffen worden, um die pandemiebedingten Nöte so breit wie möglich abzumildern. Die in Aussicht gestellten gut acht Millionen Euro füllen bis dato aber nur das Beschlusspapier.
Weder für den mit einer Million Euro wieder befüllten Soforthilfetopf für den Breitensport, noch die Unterstützung zur Anschaffung von mobilen Sportgeräten (3 Millionen Euro) aber existieren Richtlinien. Auch in Bezug zum neuen Vier-millionen-fonds für den semiprofessionellen Bereich herrscht zwei Monate nach der Weichenstellung keine Klarheit über die Vergabe, muss das Bildungsministerium einräumen. In der Aufgaben-fülle kommt nun hinzu, dass Millionen für Coronatests an Schulen gebraucht werden.
Mit dem Konstrukt, die Arbeit der Geschäftsstelle mittels Überlassung an ein Steuerbüro abzuwickeln, erhielt der Eisenacher Klub 2020 Hilfe.
Ob er erneut darauf zählen kann, ist ohne Richtlinie offen.
Weiter abwarten zu müssen ist für Schneider inakzeptabel. Er spricht für rund 650 Mitglieder des Mehrspartenvereins. Aus ihm spricht die Furcht, dass deren Zahl durch den monatelangen Stillstand noch weiter sinkt. Der Verlust ist schon groß.
Eisenacher Hallenmisere trägt ihr Übriges zum Mitgliederverlust bei Während die Bestandserhebung des Landessportbundes (LSB) ein thüringenweites Minus von 4,5 Prozent ausweist, stellt sich der Mitgliederschwund beim SVW mit elf Prozent mehr als doppelt so hoch dar. Tendenz steigend.
Mitgliedsbeiträge machen mehr als die Hälfte des Svw-budgets aus. Weniger Sportler – weniger Einnahmen. Die Kosten bleiben, auch die Zahlungen an die Fachverbände. „Wenn der Verein leidet, können die Verbände auch zurückstecken“, findet Schneider. Mit der Bitte, Forderungen
zu reduzieren, sei er bei Volleyball und Schwimmen abgeblitzt.
Im Ergebnis einer Umfrage sprachen laut LSB von 870 Vereinen drei Prozent von einer Existenzbedrohung, bei vier Prozent stünde es sehr schlecht, bei zehn schlecht. Mindestens unter den zehn Prozent verortet sich der SV Wartburgstadt. Wie Vereinschef Michael Klostermann erklärt, resultiert der Mitglieder-rückgang aus einer ungünstigen Gemengelage. Faktoren neben Corona sind der Wegfall von Familienmitgliedschaften und die schwierige Hallensituation. Die Jahnhalle, die hauptsächlich genutzt wird, ist gesperrt. Weil über Jahre nichts in deren Erhalt investiert wurde. In Eisenach wurde seit der Wiedervereinigung keine Halle neu gebaut. Und das Sportverbot trägt sein Übriges dazu bei. „Es gibt seit Monaten keine Gegenleistung“, hat Schneider oft als Kündigungsgrund gehört. Sein Hilferuf ist so auch ein anderer. „Ohne Sport sind wir totgelegt.“