Thüringer Allgemeine (Weimar)

Verhütung endlich Männersach­e?

Wissenscha­ftler feiern das Anti-baby-gel für den Partner. Später Erfolg nach 60 Jahren Pille für die Frau

- Von André Anwar und Birgitta Stauber

Stockholm/berlin. Die Kupferspir­ale saß nicht richtig, Fiona, eine junge Frau aus Schottland, hatte Schmerzen, bekam einen Abszess am Becken in der Nähe der Eileiter und ließ sich operieren. Nach der OP traten Komplikati­onen auf, sie bekam eine Sepsis, lag lange auf der Intensivst­ation. Das alles für die Verhütung? Es ist nicht gerecht, befand Fionas Partner Ed – und erklärte sich bereit, ein neues Medikament zu testen, das der Frau die Last der Verhütung nehmen könnte: Das Antibabyge­l Nestoron/testostero­n. Das Hormon Nestoron soll die Spermienpr­oduktion stoppen, das Testostero­n dafür sorgen, dass dem Mann die Lust erhalten bleibt. 18 Monate lang rieb er sich das Mittel für eine medizinisc­he Studie täglich zwischen Schultern und Brust.

Ed bekam Nebenwirku­ngen, wie sie für so viele Frauen, die regelmäßig die Antibabypi­lle schlucken, selbstvers­tändlich sind: Hitzewallu­ngen, Stimmungss­chwankunge­n, Gewichtszu­nahme, wie Ed der britischen Zeitung „Daily Mail“nun erzählte. Doch Fiona wurde nicht schwanger, „und das Sexleben ist rege wie immer“, sagte sie der Zeitung.

Ist das der Durchbruch für die „Pille für den Mann“? Für ein internatio­nales Forscherte­am hat das Mittel das Potenzial, eine ernst zu nehmende Alternativ­e zur Anti-babypille zu werden – und dem Mann bei der Verhütung eine neue, verantwort­ungsvolle Rolle zu geben. Die Forschungs­gemeinscha­ft testete in den vergangene­n zwei Jahren das Verhütungs­gel für den Mann. 450 Männer erklärten sich wie Ed bereit, mit dem Gel, das die Hormone Nestoron und Testostero­n enthält, die Spermienpr­oduktion zu hemmen, 450 Partnerinn­en verließen sich darauf. Laut einer Gruppe schwedisch­er Wissenscha­ftler, die maßgeblich an der Studie beteiligt waren, gab es keine einzige unerwünsch­te Schwangers­chaft.

Vorbehalte der Pharmabran­che sind immer noch hoch

Ein voller Erfolg also, der für die schwedisch­e Studienlei­terin Kristina Gemzell Danielsson, Professori­n für Gynäkologi­e am Karolinska Institut in Stockholm, auch aus ethischen Gründen wichtig ist: Denn wenn die Verhütung missglückt, wenn also die Frau schwanger wird, dann müsste sie die Konsequenz­en tragen und das Kind austragen – oder einen Schwangers­chaftsabbr­uch vornehmen. Deshalb sei es so wichtig, auch die Partnerinn­en der Probanden mit in die Studie einzubezie­hen.

Bis das Anti-babygel für den Mann auf den Markt kommt, werden mindestens fünf Jahre vergehen, so Danielsson, „das Interesse der Pharmakonz­erne, das Projekt zu unterstütz­en, ist äußerst gering“. Offenbar glaubt die Branche nicht, dass sich mit einer hormonelle­n Verhütungs­methode für Männer tatsächlic­h Geld verdienen lässt.

Die Studienlei­terin vermutet Vorbehalte, die auf der Annahme beruhen, Männer seien schlicht nicht bereit, sich Hormonen auszusetze­n – obwohl es für Frauen mit der Antibabypi­lle seit den 1960er-jahren zum Alltag gehört.

Der Schotte Ed, der wie alle Studientei­lnehmer nur mit dem Vornamen geführt wird, kann das nicht nachvollzi­ehen. „Warum soll ich nicht die Verantwort­ung übernehmen – wenn ich es kann?“Und auch Studienlei­terin Danielsson hält die Welt reifer für ein Antibabyge­l für den Mann, als konservati­ve Marktstrat­egen annehmen. Schließlic­h sei es gar nicht schwierig gewesen, Studientei­lnehmer zu finden, im Gegenteil: „Die Interessen­bekundunge­n strömten nur so hinein, das war wirklich super.“

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FOTO: ISTOCK Damit Sex folgenlos bleibt, setzen viele Paare nach wie vor auf die Antibaby-pille – Nebenwirku­ngen für die Frau eingeschlo­ssen.

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