Verhütung endlich Männersache?
Wissenschaftler feiern das Anti-baby-gel für den Partner. Später Erfolg nach 60 Jahren Pille für die Frau
Stockholm/berlin. Die Kupferspirale saß nicht richtig, Fiona, eine junge Frau aus Schottland, hatte Schmerzen, bekam einen Abszess am Becken in der Nähe der Eileiter und ließ sich operieren. Nach der OP traten Komplikationen auf, sie bekam eine Sepsis, lag lange auf der Intensivstation. Das alles für die Verhütung? Es ist nicht gerecht, befand Fionas Partner Ed – und erklärte sich bereit, ein neues Medikament zu testen, das der Frau die Last der Verhütung nehmen könnte: Das Antibabygel Nestoron/testosteron. Das Hormon Nestoron soll die Spermienproduktion stoppen, das Testosteron dafür sorgen, dass dem Mann die Lust erhalten bleibt. 18 Monate lang rieb er sich das Mittel für eine medizinische Studie täglich zwischen Schultern und Brust.
Ed bekam Nebenwirkungen, wie sie für so viele Frauen, die regelmäßig die Antibabypille schlucken, selbstverständlich sind: Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahme, wie Ed der britischen Zeitung „Daily Mail“nun erzählte. Doch Fiona wurde nicht schwanger, „und das Sexleben ist rege wie immer“, sagte sie der Zeitung.
Ist das der Durchbruch für die „Pille für den Mann“? Für ein internationales Forscherteam hat das Mittel das Potenzial, eine ernst zu nehmende Alternative zur Anti-babypille zu werden – und dem Mann bei der Verhütung eine neue, verantwortungsvolle Rolle zu geben. Die Forschungsgemeinschaft testete in den vergangenen zwei Jahren das Verhütungsgel für den Mann. 450 Männer erklärten sich wie Ed bereit, mit dem Gel, das die Hormone Nestoron und Testosteron enthält, die Spermienproduktion zu hemmen, 450 Partnerinnen verließen sich darauf. Laut einer Gruppe schwedischer Wissenschaftler, die maßgeblich an der Studie beteiligt waren, gab es keine einzige unerwünschte Schwangerschaft.
Vorbehalte der Pharmabranche sind immer noch hoch
Ein voller Erfolg also, der für die schwedische Studienleiterin Kristina Gemzell Danielsson, Professorin für Gynäkologie am Karolinska Institut in Stockholm, auch aus ethischen Gründen wichtig ist: Denn wenn die Verhütung missglückt, wenn also die Frau schwanger wird, dann müsste sie die Konsequenzen tragen und das Kind austragen – oder einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Deshalb sei es so wichtig, auch die Partnerinnen der Probanden mit in die Studie einzubeziehen.
Bis das Anti-babygel für den Mann auf den Markt kommt, werden mindestens fünf Jahre vergehen, so Danielsson, „das Interesse der Pharmakonzerne, das Projekt zu unterstützen, ist äußerst gering“. Offenbar glaubt die Branche nicht, dass sich mit einer hormonellen Verhütungsmethode für Männer tatsächlich Geld verdienen lässt.
Die Studienleiterin vermutet Vorbehalte, die auf der Annahme beruhen, Männer seien schlicht nicht bereit, sich Hormonen auszusetzen – obwohl es für Frauen mit der Antibabypille seit den 1960er-jahren zum Alltag gehört.
Der Schotte Ed, der wie alle Studienteilnehmer nur mit dem Vornamen geführt wird, kann das nicht nachvollziehen. „Warum soll ich nicht die Verantwortung übernehmen – wenn ich es kann?“Und auch Studienleiterin Danielsson hält die Welt reifer für ein Antibabygel für den Mann, als konservative Marktstrategen annehmen. Schließlich sei es gar nicht schwierig gewesen, Studienteilnehmer zu finden, im Gegenteil: „Die Interessenbekundungen strömten nur so hinein, das war wirklich super.“