Chronik eines Machtkampfs
Erst eskalierte der Streit in der Union um die Kanzlerkandidatur, dann nahm er eine überraschende Wende
Berlin/münchen. Zuletzt überschlugen sich die Ereignisse – und der unionsinterne Machtkampf um die Kanzlerkandidatur erreichte einen neuen Höhepunkt. Eigentlich hatten die beiden Anwärter, der Cduvorsitzende Armin Laschet und der CSU-CHEF Markus Söder, versprochen, bis Sonntagabend zu einer Einigung zu kommen. Doch daraus wurde nichts. Die Ereignisse im Überblick:
Sonntag, 19 Uhr: Überraschend trifft Söder mit einem gemieteten Privatjet (die Kosten trug die CSU) in Berlin ein. Doch zunächst nicht, um mit Armin Laschet zu sprechen – sondern um sich mit der Csu-landesgruppe und weiteren Unterstützern zu beraten.
21.07 Uhr: Die Junge Union verschickt eine Erklärung, dass eine Abstimmung am Abend mehrheitlich für Söder ausgefallen ist. Juchef Tilman Kuban teilt mit, dass sich 14 von 18 Landesverbänden für den CSU-CHEF als Kanzlerkandidaten ausgesprochen haben. Für Laschet sei nur der (mitgliederstärkste) Landesverband von NRW gewesen, drei weitere hätten sich enthalten.
22.30 Uhr: Auch aus einer abendlichen Schalte der CDU Niedersachsen dringt die Nachricht nach draußen, dass sich die Teilnehmer mehrheitlich für den Franken ausgesprochen haben. Damit wenden sie sich gegen ihren eigenen Landesvorsitzenden, Bernd Althusmann, der Laschet unterstützt. Laschet ist an diesem Abend selbst für enge Vertraute nicht telefonisch erreichbar. Der angeschlagene Cduvorsitzende trifft am Sonntagabend mit dem Dienstwagen in Berlin ein, geht wortlos in die nordrhein-west(cdu) fälische Landesvertretung.
Gegen 22 Uhr: Laschet und Söder treffen im Bundestag aufeinander. Um 1.15 Uhr endete das Gespräch ergebnislos. Bei Laschets Anhängern macht sich zu diesem Zeitpunkt bereits Wut und Verzweiflung breit. Doch der Kampf ist noch nicht vorbei.
Montag, 8.30 Uhr: Laschet verlässt die Nrw-landesvertretung, wo er bei seinen Berlin-besuchen immer übernachtet, lässt sich in die Cduparteizentrale fahren.
9.30 Uhr: Laschet nimmt an einer Schalte der Cdu-arbeitsgruppe Arbeit und Soziales teil. Die K-frage erwähnt er mit keinem Wort, spricht stattdessen über das Lieferkettengesetz. Er habe übermüdet, aber gefasst gewirkt, berichten Teilnehmer.
13 Uhr: Laschet tritt vor der Parteizentrale kurzfristig vor die Hauptstadtpresse. Zunächst gratuliert er der frisch ausgerufenen Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, und verspricht ihr einen „fairen Wahlkampf“.
Dann der Paukenschlag: Für den Abend kündigt Laschet eine Cdubundesvorstandssitzung an. Er werde dabei einen Vorschlag machen, „wie wir die wichtige Frage zwischen CDU und CSU schnell auflösen“. Er habe auch Söder eingeladen.
München, 14 Uhr: Markus Söder, der am Morgen mit dem Privatjet zurückgeflogen ist, geht nach der
Sitzung des Csu-präsidiums vor die Presse. Zwar bekräftigt er sein Interesse an einer Kandidatur, erklärt aber zugleich, er überlasse in dieser Frage der CDU die Entscheidung. „Es handelt sich bei dieser ganz entscheidenden Personalfrage nicht um einen Streit von CDU und CSU, sondern es geht um eine letztliche Entscheidung und Diskussion innerhalb der CDU“, so Söder. Die Zeit sei „reif“, alle Argumente ausgetauscht. Er lehnt Laschets Einladung zur Bundesvorstandssitzung ab, sagt nur, wenn es dort „eine klare Entscheidung“zugunsten Laschets gebe, „dann werden wir das akzeptieren“. Gerüchten zufolge soll bei Söders Sinneswandel Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine zentrale Rolle gespielt haben. Schäuble soll wie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier am nächtlichen Gespräch im Bun- destag teilgenommen und Söder gewarnt haben, er riskiere die Unter- stützung der CDU.
Der Vorstand der Bundestagsfraktion von CDU und CSU trifft sich zu einer Schalte. Es wird beschlossen, die Bundesvor- standssitzung abzuwarten. Kommt es zu keinem Ergebnis, will man am Mittwoch in der Fraktion über die K-frage beraten. Übersetzt heißt das: Dann gibt es eine Kampfab- stimmung.
„Mir geht es auch um Stil und Anstand.“
Markus Söder, CSU-CHEF, am Montag bei seiner Pressekonferenz in München