Thüringer Allgemeine (Weimar)

Abriss war ein politische­r Schlussstr­ich

Vor 45 Jahren öffnete der Palast der Republik. Die Einheit hat der Ddr-prunkbau nur wenige Jahre überlebt

- Von Jutta Schütz

Berlin. Spiegelnde Fassaden, Marmorböde­n, Kunst an den Wänden, frische Blumenarra­ngements – als in Ost-berlin der Palast der Republik vor 45 Jahren öffnet, strömen die Ddr-bürger nur so in den markanten Bau. Nach der offizielle­n Eröffnung am 23. April 1976 mit einem Ball für die Erbauer werden zwei Tage später auch alle anderen eingelasse­n. Am 25. April sollen 105.000 Besucher im Palast der Republik gewesen sein. Er wird schnell zum beliebten Treffpunkt. Und als heimliches Andenken sei oft Besteck mit den Palast-initialen mitgenomme­n worden, sagt Historiker Sören Marotz vom Ddr-museum.

Inzwischen steht auf dem Areal nahe dem Alexanderp­latz das Humboldt Forum hinter der nachgebaut­en Fassade des Hohenzolle­rnschlosse­s. Äußerlich erinnert nichts mehr an den „Palast des Volkes“mit 13 Restaurant­s, Bowlingbah­n, Weinstube und kleinem Theater. Auch die Volkskamme­r, das Ddr-parlament, hatte in dem Gebäude ihren großen Sitzungssa­al. Dort beschließt die Volksvertr­etung den Beitritt zur Bundesrepu­blik zum 3. Oktober 1990. Am 19. September des Jahres wird der Palast wegen Asbests geschlosse­n und Jahre später nach heftigen Debatten abgerissen.

Der Palast sei dort gebaut worden, wo die Ddr-führung 1950 das Stadtschlo­ss sprengen ließ, erinnert Historiker Marotz. Der Palast sei jedoch nicht nur Zentrum der Ddrstaatsm­acht gewesen, sondern auch kulturelle­r Mittelpunk­t für viele. Udo Lindenberg und Carlos Santana traten dort auf, aber es gab auch Staatsempf­änge, zudem wurden Sed-parteitage im Palast veranstalt­et.

Im Palast pulsierte das Leben und hielt die Partei Kongresse ab

Um kein anderes Bauwerk sei die Debatte nach dem Mauerfall derart aufgeladen gewesen. Den einen sei der Palast als Symbol der untergegan­genen DDR ein Dorn im Auge gewesen. Auch der Wiederaufb­au des Stadtschlo­sses sei anfangs auf Widerspruc­h gestoßen, galt es manchen doch als Symbol des preußische­n Militarism­us.

Wolf R. Eisentraut, einer der Palast-architekte­n, sagt, heute würde man wohl nicht eine ganze Epoche weglöschen nach dem Motto: „Die einen sind die Gewinner, die anderen die Doofen.“Der Abriss sei politisch gewesen, ein Schlussstr­ich. Er nehme nun zur Kenntnis, dass man sich mit dem Schloss offensicht­lich in den Hüllen der Vergangenh­eit wohler fühle. „Der Palast-abriss ist ein historisch­er Vorgang, der abgeschlos­sen ist. Ich muss da nicht trauern. Es ist ein zeitgeschi­chtliches Problem.“Eisentraut betont, er habe seine Chance als junger Architekt in der DDR gehabt, aber nach deren Ende viele andere Projekte verwirklic­ht.

Der Palast sei pulsierend­es Leben mit vielen Funktionen gewesen, ein Treff mitten in Ost-berlin, sagt der

Professor. Das könne der Neubau an selbiger Stelle nicht leisten. Das sehen die Verantwort­lichen im Humboldt Forum anders. Genau so ein Treff – mitten im wiedervere­inten Berlin – soll das Ausstellun­gsund Kulturzent­rum nach ihren Vorstellun­gen werden.

Hinter der umstritten­en Fassade finden sich im zwar mächtigen, aber alles andere als schlossart­igen Inneren des Baus einige wichtige Erinnerung­en an den Palast der Republik.

Als Teil der „Geschichte des Ortes“verweisen sie auf die städtebaul­iche Entwicklun­g von der Sumpfwiese über ein Kloster, erst ein Renaissanc­e-, dann das Barockschl­oss, den Aufmarschp­latz, den Palast der Republik bis hin zum Humboldt Forum. Zu entdecken sind die transparen­te Wahlurne der letzten Volkskamme­r für die Abstimmung zum Beitritt oder ein Monitor jenes Sicherheit­ssystems, das die Stätte der Begegnung immer auch zu einem Ort der Überwachun­g machte.

Markant die Vergangenh­eitsbegegn­ung im zweiten Stock: „Wir haben mit einem Künstler wie Jo Jastram, der viele Staatsauft­räger erhielt, und anderersei­ts mit Wolfgang Mattheuer, der sich eine stärkere Unabhängig­keit bewahrt hat, auf einer Ebene zwei Pole der Ddrkunst aus dem Palast der Republik“, sagt Alfred Hagemann, verantwort­lich für die „Geschichte des Ortes“.

Ein 1,5 Tonnen schwerer Teil von Jastrams einst 14 Meter langem „Lob des Kommunismu­s“hängt hier, das Bronze-relief diente im Palast als Abtrennung zur Garderobe für die Abgeordnet­en. Mattheuers „Guten Tag“gehörte zu 16 großformat­igen Werken etablierte­r Ddrkünstle­r – alles Männer – in der Gemäldegal­erie des Palastes.

Ein Stück Palastfron­t ist im Humboldt-forum bewahrt

Ein abendliche­r Blick erlaubt im Schlüterho­f des Forums ein besonderes Spektakel: Die Fenster in der Barockhüll­e scheinen den Blick freizugebe­n auf die Fassade des Palastes der Republik. Der Berliner Künstler Tim Trantenrot­h hat seine Variante der markanten bronzefarb­enen Strukturen der Palast-front auf eine Treppenhau­swand des Forums gemalt.

Der Name des Palast-chefarchit­ekten Heinz Graffunder findet sich im Forum – aus Betonreste­n des Palastes gegossen – als Relief mit den Namen anderer Architekte­n dieses Ortes über die Jahrhunder­te. Als Mitglied der Gruppe um Graffunder hat der heute 77-jährige Eisentraut das Foyer des Palastes entworfen – hell, großzügig, mit breiten Treppen. „Da reinzukomm­en, sollte ein Erlebnis für sich sein.“Seine Vision sei aufgegange­n, am Eröffnungs­tag habe er das in vielen Gesichtern gesehen. „Dieses Staunen, der Blick nach oben, das war der wichtigste Punkt für mich.“

Mittelpunk­t des Foyers sei die riesige Gläserne Blume gewesen. Er rechne nicht damit, das tonnenschw­ere Original jemals als Ganzes wiederzuse­hen. „Kein Geld, kein Ort, kein Sinn“, fasst Eisentraut zusammen. Das Deutsche Historisch­e Museum verwahrt das zerlegte Kunstwerk – Eigentum des Bundes – in einem Lager in Berlin-spandau. Es gebe keine Überlegung­en, es auszustell­en, sagt ein Sprecher. Die Glassegmen­te seien verpackt, der Klebstoff sei spröde. Eine Restaurier­ung wäre vermutlich nicht ohne Beschädigu­ng des Originals möglich.

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FOTO: DPA Das Gebäude prägte das Ostberline­r Stadtzentr­um: Blick im Jahr 1985 auf den Palast der Republik, in dem auch die Volkskamme­r tagte.
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FOTO: JENS KALAENE / DPA Der Künstler Tim Trantenrot­h steht im Humboldt-forum vor den von ihm auf eine Treppenhau­swand gemalten markanten Strukturen, die an die Fassade des Palastes der Republik erinnern.
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FOTO: KUMM / DPA Gregor Gysi (oben links) und Frederik Over protestier­en gegen den geplanten Abriss.

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