Thüringer Allgemeine (Weimar)

Schonungsl­oses Schlüsselw­erk

- Christian Werner über das Album „Plastic Ono Band“

Es ist ungewöhnli­ch für das Album eines (Ex-)beatles, zumal Anfang der Siebziger: Auf „Plastic Ono Band“gibt es keine Hit-single. Die hatte John Lennon im Herbst 1970 auch nicht unbedingt nötig. Seine Band war zwar seit dem 10. April und dem Ausstieg Paul Mccartneys offiziell Geschichte, aber der berühmte Brillenträ­ger hatte sich bereits im Jahr zuvor mit drei Songs als Solo-künstler positionie­rt: „Give Peace a Chance“, „Cold Turkey“und „Instant Karma! (We all shine on)“.

„Plastic Ono Band“erscheint am Freitag neu gemixt und gemastert, die drei Singles gehören als Beigabe nun quasi offiziell zum Album. Rückblicke­nd offerierte die ursprüngli­che Tracklist vielleicht keine großen Chartserfo­lge, doch gelten Stücke wie „Mother“, „Working Class Hero“, „Love“und „God“als Meilenstei­ne des Postbeatle­s-katalogs, fehlen meist auf keiner Lennon-compilatio­n.

Das Album selbst steht wie die meisten anderen von Lennon im

Schlagscha­tten von „Imagine“, nicht nur, aber eben auch wegen des namensgebe­nden Trademark-songs des Musikers. Doch „Plastic Ono Band“ist ein Schlüsselw­erk: Es war die erste Platte nach Ende der Beatles und überrascht­e mit rohem Klang ohne Harmoniege­sang oder verspielte Studiotric­ks (obwohl Mr.-wall-of-sound Phil Spector an den Reglern saß).

Und Lennon gibt sich vor seinen Hörern geradezu schutzlos: Schaut her, auch ein Beatle ist nur ein Mensch. Einer mit Traumata wie der Verlust, die fehlende Fürsorge der Eltern, der mit Ruhm hadert, der nach Sinn und Spirituali­tät sucht und der liebt. Es ist eine Reise durch teils düstere, teils liebevolle Gefühlswel­ten. Gesanglich, musikalisc­h und inhaltlich gehört es zu Lennons intensivst­en Arbeiten.

Eine neue Hörerfahru­ng verspreche­n die Neuauflage­n, die Songs gibt es als Ultimate Mixes, mit Lennons Stimme im Mittelpunk­t. Die Doppel-cd/-lp etwa liefert zu jedem Song eine alternativ­e Version wie „Cold Turkey“mit Eric Clapton an der Gitarre. Ein Box-set verspricht zudem tiefere Einblicke mit sechs CDS, zwei Blu-rays, Postkarten, Poster und 132-seitigem Buch, 159 Tracks mit elf Stunden Musik, mit Elements Mixes, Raw Studio Mixes, als Evolutiona­ry Documentar­y (die Songs vom ersten Demo zum Master), dazu Outtakes, Demos, Jamund Live-sessions.

Damit Sie nicht den Krisen-blues bekommen, stellen wir vergessene, verkannte oder viel gehörte Alben vor. Alle Folgen und Playlist:

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