Thüringer Allgemeine (Weimar)

Vergewalti­gungsserie im Altenheim

Prozessbeg­inn – Demenzkran­ker soll sich an Heimbewohn­erinnen vergangen haben

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München. In einem Pflegeheim standen sie wegen ihrer Demenzerkr­ankung unter Aufsicht – und trotzdem sollen sie dort Opfer sexueller Übergriffe geworden sein. Drei alte Frauen wurden nach Ermittlung­en in dem Heim nahe München über Monate immer wieder von einem ebenfalls dementen Mitbewohne­r teils schwer missbrauch­t. An diesem Montag hat am Landgerich­t München II der Prozess gegen den 78 Jahre alten Mann begonnen, der selbst nicht vor Gericht erschien, weil er nicht verhandlun­gsfähig ist. 27 einzelne Fälle wirft die Staatsanwa­ltschaft ihm vor.

Über einen Zeitraum von rund einem halben Jahr sollen die Frauen im Alter von 68, 71 und 81 Jahren ihm immer wieder zum Opfer gefallen sein – in ihren Zimmern, im Wohnzimmer und sogar mehrere Male auf dem Flur der Einrichtun­g. Ein Opfer war auf einen Rollater angewiesen, die beiden anderen waren laut Staatsanwa­ltschaft entweder gar nicht mehr oder nur sehr eingeschrä­nkt in der Lage zu sprechen. Eine Angehörige erstattete schließlic­h Strafanzei­ge.

Laut Staatsanwa­ltschaft führte der auch an Schizophre­nie erkrankte Mann „an verschiede­nen Bewohnerin­nen der geschlosse­nen Abteilung sexuelle Handlungen durch, wobei es sich um Personen handelt, die sich aufgrund ihrer Erkrankung gegen das sexuelle Ansinnen des Beschuldig­ten nicht wehren konnten“.

Am Ende des Prozesses könnte die dauerhafte Unterbring­ung des wohl nicht schuldfähi­gen Rentners in der Sicherungs­verwahrung stehen. Für Patientens­chützer ist aber die entscheide­nde Frage, wie es dazu kommen konnte, dass er – wie es die Staatsanwa­ltschaft sieht – über den Zeitraum von rund einem halben Jahr seine wehrlosen Mitbewohne­rinnen immer wieder missbrauch­en konnte.

„Man hat versucht, ihn von den anderen, vor allem von den weiblichen Bewohnern zu separieren, soweit das ging“, sagt sein früherer Betreuer vor Gericht. Es sei aber auch nicht möglich gewesen, ihn dauerhaft zu isolieren. Und „aufgrund des Personalsc­hlüssels in Pflegeheim­en“seien die Mitarbeite­r auch „nicht in der Lage, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen“.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, sagt hingegen: „Damit ein Demenzerkr­ankter sich monatelang an Mitbewohne­rinnen vergehen kann, müssen viele Beteiligte lange tatenlos zugesehen haben.“

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