Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der schwere Weg nach oben

Gerade einmal neun Polizistin­nen haben es in Thüringen auf Spitzenpos­itionen im gehobenen Dienst geschafft

- Von Kai Mudra

Erfurt. Werden Frauen bei der Thüringer Polizei benachteil­igt? Im Saal 3 am Verwaltung­sgericht Weimar drehte sich vor einigen Tagen vieles um diese Frage. Eine Polizeibea­mtin fühlte sich bei einer Beförderun­g 2018 ungerecht behandelt, weil sie aus ihrer Sicht mehr als ihre männlichen Kollegen geleistet hatte, trotzdem aber übergangen worden war. Eine befriedige­nde Antwort wird das Gericht im konkreten Fall nicht geben können. Die Beförderun­gen sind abgeschlos­sen. Der Klage fehle deshalb die Aussicht auf Erfolg, deutet der Richter an.

Ob Frauen benachteil­igt sind, die Frage stellt sich aber. Etwa ein Viertel der Polizei im Freistaat sind Frauen, sowohl im mittleren als auch im gehobenen Dienst. Bundesweit beträgt der Frauenante­il bereits knapp 30 Prozent. Doch richtig dünn wird die Luft für Polizistin­nen, wenn es um Führungspo­sitionen geht. Gerade einmal sechs Polizeiobe­rrätinnen und drei Polizeidir­ektorinnen haben es in den Spitzenzir­kel geschafft, verraten Zahlen des Innenminis­teriums.

Anders ausgedrück­t: Neun Frauen mit goldenen Sternen stehen 86 männliche Kollegen gegenüber. Entscheidu­ngsgewalt und Rollen scheinen klar verteilt. Polizeidir­ektorin Heike Langguth dürfte die bekanntest­e unter ihren Kolleginne­n sein, spätestens seit sie 2016 als erste Frau deutschlan­dweit die Bereitscha­ftspolizei als Chefin übernommen hat.

Seit 2019 leitet sie im südthüring­ischen Meiningen das Bildungsze­ntrum samt Fachhochsc­hule für die Polizei. Mit Polizeidir­ektorin Sandra Pflug-hellwig führt eine weitere Frau derzeit die Landespoli­zeiinspekt­ion Gera mit den Inspektion­en Altenburg und Greiz. Als Kriminaldi­rektorin

trägt auch Katrin Sander im Landeskrim­inalamt (LKA) Führungsve­rantwortun­g.

Bei der Kriminalpo­lizei haben zwei weitere Frauen Verantwort­ung für die Verbrecher­jagd übernommen. Kriminalob­errätin Bianka Ißleib leitet seit knapp anderthalb Jahren die Kripo in Gotha. Seit Juli steht Kriminalob­errätin Helena Loch an der Spitze der neu gebildeten Lka-mordkommis­sion. Polizeiobe­rrätin Christiane Höfer führt zudem die Polizeiins­pektion Schmalkald­en-meiningen.

Von Polizistin­nen ist immer wieder zu hören, dass für eine solche

Karriere enorme Opfer zu bringen seien. Was bedeute, mehrere Jahre weitgehend auf Familie zu verzichten. Vor dem Aufstieg steht die Bewährung in verschiede­nen Polizeidie­nststellen im Freistaat, um Führungser­fahrungen zu sammeln. Danach folgt das zweijährig­en Masterstud­ium an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münsterhil­trup (Nordrhein-westfalen).

Der Kritik an der mangelnden Familienun­freundlich­keit dieses Karrierewe­ges schließt sich die Gewerkscha­ft der Polizei (GDP) an. Thüringens Landeschef Kai Christ fordert ein Umdenken bei den Aufstiegsa­nforderung­en

in die Chefetage. Das gelte besonders für Frauen, aber auch für Männer, sagt er. An der Meininger Fachhochsc­hule seien unter den Besten des Bachelorst­udiums für die Kommissars­laufbahn regelmäßig mehr Frauen als Männer. Trotzdem würden nur wenige von ihnen danach weiter Karriere machen.

Auch Cdu-innenexper­te Raymond Walk verweist darauf, dass es kaum Bewerberin­nen für die oberste Chefetage bei der Polizei gebe. Die Frauenförd­erung habe nur wenig bewirkt. Zudem müsse das Gleichgewi­cht der Anforderun­gen an Männer und Frauen bei den künftigen Führungskr­äften gewahrt bleiben, mahnt er.

Die GDP fordert ein konsequent­es Umdenken, um Familie und Beruf in Führungspo­sitionen in Einklang bringen zu können. Der aufwendige und langwierig­e Prozess des Bewährens in unterschie­dlichen Dienststel­len müsse überdacht und abgekürzt werden, so Kai Christ. Sonst werde sich an der Situation nichts ändern.

Das betreffe aber nicht nur Thüringen. Die Situation für Frauen sei bei der Polizei in den anderen Bundesländ­ern kaum anders.

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FOTOS: SASCHA FROMM,POLIZEI THÜRINGEN In Führungspo­sition: Polizeidir­ektorin Heike Langguth (links) ist derzeit mit der Leitung des Bildungsze­ntrums der Polizei in Meiningen beauftragt. Polizeidir­ektorin Sandra Pflug-hellwig ist amtierende Leiterin der Landespoli­zeiinspekt­ion Gera.
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