Putin droht dem Westen: „Unsere Reaktion wird hart sein“
Russlands Präsident warnt das Ausland vor „roter Linie“und nährt Spekulationen über Invasion in der Ukraine und Belarus
Moskau. Für einen Moment ist am Mittwoch der Kalte Krieg zurück. Wladimir Putin hat sich in seiner Rede zur Lage der Nation gerade der Außenpolitik zugewandt, da kündigt er eine „Stärkung des Warschauer Paktes“an. Kurz räuspert sich der russische Präsident. Dann verbessert er sich. Man werde die Bindungen in der „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“stärken. Dabei handelt es sich um ein Militärbündnis von sechs postsowjetischen Staaten, nicht um den historischen Widerpart der Nato. Es war wohl nur ein Versprecher. Oder steckt mehr dahinter?
Es ist bekannt, dass sich Putin akribisch auf seine Auftritte vorbereitet. Wer will, kann den Hinweis auf den Warschauer Pakt daher auch als gezielte Spitze verstehen. Gegen den Westen, dem er im gleichen Reklammergriff
schwere Vorwürfe macht. EU und USA wollten „nicht zur Kenntnis nehmen, dass eine Ermordung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko geplant ist“. Russland werde in einen
genommen. Spätestens an dieser Stelle erlebt der Kalte Krieg eine rhetorische Neuauflage. „Russland hat seine roten Linien“, sagt Putin und droht: „Wenn jemand unseren guten Willen als Schwäche interpretiert, wird unsere Reaktion schnell und hart sein.“
Die Worte selbst sind hart, aber auch zu vage, um daraus auf jene „konkreten Schritte“zu schließen, die Putin ankündigt, ohne sie konkret zu benennen. Umso bedrohlicher wirkt die Aussage. Denn alle, die dem russischen Präsidenten an diesem Mittwoch zuhören, wissen, dass das russische Militär in den vergangenen Wochen mehr als 100.000 Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine zusammengezogen hat. Sie wissen auch, dass enge Vertraute des Kremlchefs für den Fall von Provokationen „das Ende der Ukraine“in Aussicht gestellt haben.
Der Kremlchef widmet sich aber lieber Belarus. Dort, wo Machthaber Lukaschenko 2020 eine monatelange Freiheitsrevolte mit Gewalt unterdrückt hatte, drohe nun „ein Putsch“. Am Wochenende hatte der russische Geheimdienst zwei Männer festgenommen, die einen Mordanschlag auf Lukaschenko geplant haben sollen. Die belarussische Opposition vermutet eine Inszenierung. In Moskau gebe es Planspiele, Belarus zu annektieren.
Ist also der Truppenaufmarsch im Grenzgebiet zur Ukraine nur ein Ablenkungsmanöver? Solche Fragen schießen ins Kraut. Putin lässt die Spekulationen am Mittwoch weiterwuchern. Der russische Staat agiere stets „geduldig und gutwillig“. Tatsächlich zeigt der russische Staat, noch während Putin spricht, seine Krallen. Mitstreiter des inhaftierten Regimekritikers Alexej Nawalny werden verhaftet.
Doch das ist wohl erst der Andeabschnitt fang. Für den Abend hatte das „Team Nawalny“zu landesweiten Protesten aufgerufen. Nach Angaben einer Beobachtergruppe werden mehr als tausend Menschen bei den Protesten festgenommen. Allein bei der Kundgebung in Sankt Petersburg habe die Polizei mehr als 350 Demonstranten in Gewahrsam genommen, teilt die unabhängige Gruppe OVD-INFO am Mittwoch mit. In Moskau sei die Demonstration hingegen ohne größere Zwischenfälle verlaufen.
Der inhaftierte Nawalny, klagt seit Wochen über Schmerzen und Lähmungserscheinungen. Um eine angemessene Behandlung zu erzwingen, ist der 44-Jährige Ende März in einen Hungerstreik getreten. Doch die wird ihm verweigert, sagen seine Anwälte. Derzeit liegt der Putin-herausforderer in einem Gefängniskrankenhaus und bekommt Vitaminspritzen.