„Ein schwerer Schlag“
Für Thüringens besten Turner Nils Dunkel steht der Traum von Olympia durch eine Verletzung auf dem Spiel
Erfurt/halle. Zumindest moralisch hat Nils Dunkel beste Unterstützung. Seine Freundin wohnt mit ihm seit Beginn des Jahres zusammen in Halle, seit ein paar Monaten der neue Lebens- und Trainingsmittelpunkt von Thüringens bestem Turner. „Und sie trägt mir auch ein paar Sachen von A nach B, mit Krücken geht das ja nicht so gut. Ich bin froh, dass sie bei mir ist“, sagt der 24jährige Erfurter, der sich vor gut einer Woche in einem Trainingswettkampf so schwer verletzte, dass er bei der EM und womöglich auch bei den Olympischen Spielen nicht dabei sein wird. Wir sprachen mit ihm über den erneuten Schicksalsschlag.
Wie genau hat sich Ihre Verletzung, durch die Sie die EM in dieser Woche verpassen, ereignet?
Bei einem internen Testwettkampf vor der Europameisterschaft bin ich bei einem relativ neuen Sprung, den ich noch nicht einwandfrei beherrsche, sehr tief und linkslastig gelandet. Es hat im Fuß geknackt. Nach MRT und Röntgen war klar: Das Syndesmoseband, das das Schienund Wadenbein zusammenhält, ist gerissen. In der Operation wurde es nicht herkömmlich genäht, sondern es wurde ein künstliches Band eingesetzt, damit ich schneller wieder zurück im Training sein kann.
Wann wird das mutmaßlich sein?
Das Ziel – ein sehr hochgestecktes – ist es, dass ich den Fuß in vier Wochen wieder voll belasten kann. Ob und wie schnell ich dann gerade Boden und Sprung wieder hundertprozentig turnen kann, hängt vom Heilungsverlauf, meinem Kopf und Schmerzempfinden ab.
Ihr Vater und Heimtrainer Stephan Dunkel bezifferte Ihre Chancen, bei Olympia in Tokio dabei zu sein, da noch in dem Glauben, dass Sie bei der EM einen fünften Startplatz für Deutschland erturnen könnten, mit 50 Prozent. Wie sieht es jetzt, ohne Europameisterschaft, mit nur vier Startplätzen aus?
Die Zeit wird für mich jetzt sehr knapp. In vier Wochen ist der erste Qualifikationswettkampf. Wenn überhaupt, turne ich da nicht fit und nicht alle Geräte. Die Verletzung war für mich ein schwerer Schlag auf dem Weg zu Olympia. Es wird sehr, sehr, sehr, sehr schwer, aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.
Wer wird auf jeden Fall in Tokio dabei sein und mit wem kämpfen Sie, wenn alles gut läuft, um die verbliebenen Plätze?
Lukas Dauser und Andreas Toba werden mit Sicherheit dabei sein.
Sie sind zurzeit die besten deutschen Turner, an ihnen wäre ich auch fit nicht vorbei gekommen. Dahinter entscheidet die Tagesform. Ich war zuletzt der Drittbeste im Mehrkampf, aber da auch geschaut wird, wer an Einzelgeräten eine Medaillenchance hat, war das für mich noch kein sicheres Ticket.
Wäre es insofern denkbar, dass Sie sich auf Ihr Paradegerät Pauschenpferd, an dem Sie zweimal deutscher Meister waren, fokussieren, um die Belastung zu reduzieren und sich darüber zu empfehlen?
Ich muss mit meinem Trainer schauen, welche Schwierigkeitsgrade nach der Verletzung umsetzbar sind. Grundsätzlich ist meine Übung am Pauschenpferd, wenn ich sie fehlerfrei turne, international konkurrenzfähig. Wahrscheinlich muss ich den Fokus jetzt sowieso weg vom Mehrkampf verlegen.
Falls es mit Olympia nicht klappen sollte, würden Sie 2024 einen neuen Versuch starten?
Wenn es mir körperlich gut geht und keine weiteren Verletzungen hinzukommen, habe ich schon vor, Olympia 2024 anzugreifen. Mit 27 wäre ich dann sicher noch einigermaßen am Leistungszenit.
Im vergangenen Jahr sind Sie nach Halle gewechselt. Warum?
2020 war für uns alle ein schwieriges Jahr. Weil wenige Wettkämpfe waren, hatte ich Zeit zum Nachdenken und bin zu dem Schluss gekommen: Ich stagniere hier in Berlin und brauche einen neuen Input, um mich weiterzuentwickeln. Halle war für mich die einzige logische Alternative, da ich Nick Klessing sowie Trainer Hubert Brylok schon gut kannte und mit Lukas Dauser ein langjähriger Trainingspartner auch mit dorthin gewechselt ist.
Plädieren Sie dafür, Vereinssport für den Nachwuchs wieder zu erlauben?
Die Gesundheit aller ist das Wichtigste, da muss jeder Abstriche machen, auch wenn ich das große Privileg habe, voll trainieren zu dürfen. Doch einige politische Maßnahmen, konkret was den Nachwuchssport betrifft, finde auch ich undurchsichtig und unlogisch.