Die Frauen fahren, ihre Männer basteln
Die Automodellsportfamilie des KSSV Victoria Weimar über den Mix von Lieblingshobby und Sportlerehrgeiz
Weimar. „Woher kommt der Begriff Automodellrennsport?“, fragt Ricarda Gebert – und gibt die rhetorische Antwort prompt selbst: „Wenn man sein Modell nicht beherrscht, rennt man hinterher.“Die Zeiten, in denen mehr gerannt als getüftelt und gefahren wurde, sind bei den routinierten Automodellfreunden des Racing Teams Weimar indes lang vorbei. Im nächsten Jahr wird die derzeit 18-köpfige Crew der im KSSV Victoria integrierten Breitensportabteilung 20 Lenze jung.
Demnach war es 2002, als Ricardas Sohn Marcel sich mit Freunden bei einem Qualifikationsrennen des sogenannten Fighter-cups auf Anhieb für das Deutschland-finale auf der Sonneberger Rennstrecke qualifizieren konnte – und damit die eigene Familie wie auch die spätere Sportlerfamilie ansteckte.
Sonneberg ist das Mekka des deutschen Rc-car-rennsports (Radio Controlled/funkferngesteuert). Im Südthüringischen finden jährlich die Endläufe im Fighter- (Nachwuchs) und Euro-cup statt. Seit einer halben Ewigkeit mit dabei: die Weimarer Familien Gebert und Jansig. „Zuletzt waren wir 2019 vor der Corona-pause mit vier Fahrern am Start“, verrät Andreas Peter. Er ist der Schwiegersohn von Ricarda Gebert, Ehemann und Automodellmechaniker ihrer Tochter Nicole, die wie Mutter Ricarda Dauerqualifizierte beim Deutschland-finale ist. Roland und Alexander Jansig komplettierten das 2019er-quartett. „Wenn man einmal dort ist, zählt der olympische Gedanke. Vieles bei uns befindet sich zwischen Sport und Hobby“, sagt Andreas Peter, der überhaupt erst durch Nicole zum Automodellsport kam.
„In der Familie Gebert fahren die Frauen, die Männer sind die Memodelle chaniker“, verweist er auf die gleiche Konstellation bei seinen Schwiegereltern Ricarda und Axel. „Aber auch das Basteln macht wirklich eine Menge Spaß; es ist eine wunderbare Verbindung von Technik und Friemelei; wenn etwas nicht funktioniert, meldet sich der Jagdtrieb, um den Fehler zu finden. Wir arbeiten ja nicht mit Fertigmodellen, sondern mit Bausätzen. Als ich das erste Mal davor saß, habe ich zwar bestimmt 15 Stunden gebraucht, um das plastisch gut Abgebildete
auf das reale Modell zu übertragen. Aber der Lerneffekt entschädigt ungemein – und der Moment, wenn das fertiggestellte Auto eine Stunde lang über den Sportplatz gejagt wird“, sagt Peter.
Weitgehend fahren die Weimarer die aus Japan stammenden Tamiyamodelle Stock – und im Falle von Alexander Jansig den kosten- und technikintensiveren Eurotourenwagen. „Bei dem ist im Grunde nur noch die Verkleidung aus Kunststoff, während beim Stockauto
Kunststoff verbaut ist. Zum Einsteigermodell gehören zwei Akkus und Ersatzteile sowie die gelungene Anleitung vom Hersteller“, betont Andreas Peter, dass Neulinge kein verschreckendes Hexenwerk vorfinden, wenn sie sich zum Kauf einer eigenen Maschine entschieden haben.
Wer sich sein eigenes Modell anschaffen möchte, muss zwar einige hundert Euro berappen, doch der Einstieg in der Abteilung des KSSV ist deutlich billiger. „Bei uns gibt es
zum Ausprobieren für jedermann“, sagt Ricarda Gebert. Und Personal, das sich seit etlichen Jahren mit der Materie auskennt obendrein. „Groß und Klein sind willkommen. Der Spaß steht im Vordergrund.“Öffentlich hat das Racing Team schon bei zahllosen Veranstaltungen Interesse für sein Hobby geweckt, ob auf der Sportmeile, in Schulen oder zehn Jahre lang beim Pokal des Bürgermeisters im Rahmen des Zwiebelmarktes in Apolda.
Intern kann es bei Vereinsfesten zudem recht sportlich zugehen. Da gilt es nicht nur, wer der Schnellste ist und wer am besten tüftelt.
„Wir bauen auch gern mal einen Hindernisparkour auf oder lassen die Autos Fußball spielen“, verrät Andreas Peter.
„Winterfest sind wir natürlich auch. Draußen wird meist auf Asphalt gefahren, in der Halle auf einem besonderen Teppichbelag. Gerade drin ginge das natürlich nicht mit Verbrennern. Wir nutzen aber ohnehin nur Elektro-modelle.“
Deren Maßstab ist in Sachen Straßenflitzer meist 1:10 – wie auch jener der an einen Formel 1-Kurs erinnernden Rennstrecke in Sonneberg beim Euro-cup. Es gibt aber gerade für Kinder auch die Buggys sowie die 1:12-Trucks.. Fernab der Coronazeit wird dem Racing Team vom Heimatverein KSSV Victoria die Sporthalle des SBBS in Weimarschöndorf gestellt, wofür sich insbesondere Ricarda Gebert im Sinne des sportlichen Gedankens im Verein bedankt: „Wir haben im KSSV eine wunderbare Heimat gefunden, weil nicht nur der Leistungsgedanke zählt, sondern genauso die Solidarität, das Familiäre – genauso wie beim Racing Team.“
www.kssv-weimar.de