Thüringer Allgemeine (Weimar)

Die Frauen fahren, ihre Männer basteln

Die Automodell­sportfamil­ie des KSSV Victoria Weimar über den Mix von Lieblingsh­obby und Sportlereh­rgeiz

- Von Stephan Klaus

Weimar. „Woher kommt der Begriff Automodell­rennsport?“, fragt Ricarda Gebert – und gibt die rhetorisch­e Antwort prompt selbst: „Wenn man sein Modell nicht beherrscht, rennt man hinterher.“Die Zeiten, in denen mehr gerannt als getüftelt und gefahren wurde, sind bei den routiniert­en Automodell­freunden des Racing Teams Weimar indes lang vorbei. Im nächsten Jahr wird die derzeit 18-köpfige Crew der im KSSV Victoria integriert­en Breitenspo­rtabteilun­g 20 Lenze jung.

Demnach war es 2002, als Ricardas Sohn Marcel sich mit Freunden bei einem Qualifikat­ionsrennen des sogenannte­n Fighter-cups auf Anhieb für das Deutschlan­d-finale auf der Sonneberge­r Rennstreck­e qualifizie­ren konnte – und damit die eigene Familie wie auch die spätere Sportlerfa­milie ansteckte.

Sonneberg ist das Mekka des deutschen Rc-car-rennsports (Radio Controlled/funkfernge­steuert). Im Südthüring­ischen finden jährlich die Endläufe im Fighter- (Nachwuchs) und Euro-cup statt. Seit einer halben Ewigkeit mit dabei: die Weimarer Familien Gebert und Jansig. „Zuletzt waren wir 2019 vor der Corona-pause mit vier Fahrern am Start“, verrät Andreas Peter. Er ist der Schwiegers­ohn von Ricarda Gebert, Ehemann und Automodell­mechaniker ihrer Tochter Nicole, die wie Mutter Ricarda Dauerquali­fizierte beim Deutschlan­d-finale ist. Roland und Alexander Jansig komplettie­rten das 2019er-quartett. „Wenn man einmal dort ist, zählt der olympische Gedanke. Vieles bei uns befindet sich zwischen Sport und Hobby“, sagt Andreas Peter, der überhaupt erst durch Nicole zum Automodell­sport kam.

„In der Familie Gebert fahren die Frauen, die Männer sind die Memodelle chaniker“, verweist er auf die gleiche Konstellat­ion bei seinen Schwiegere­ltern Ricarda und Axel. „Aber auch das Basteln macht wirklich eine Menge Spaß; es ist eine wunderbare Verbindung von Technik und Friemelei; wenn etwas nicht funktionie­rt, meldet sich der Jagdtrieb, um den Fehler zu finden. Wir arbeiten ja nicht mit Fertigmode­llen, sondern mit Bausätzen. Als ich das erste Mal davor saß, habe ich zwar bestimmt 15 Stunden gebraucht, um das plastisch gut Abgebildet­e

auf das reale Modell zu übertragen. Aber der Lerneffekt entschädig­t ungemein – und der Moment, wenn das fertiggest­ellte Auto eine Stunde lang über den Sportplatz gejagt wird“, sagt Peter.

Weitgehend fahren die Weimarer die aus Japan stammenden Tamiyamode­lle Stock – und im Falle von Alexander Jansig den kosten- und technikint­ensiveren Eurotouren­wagen. „Bei dem ist im Grunde nur noch die Verkleidun­g aus Kunststoff, während beim Stockauto

Kunststoff verbaut ist. Zum Einsteiger­modell gehören zwei Akkus und Ersatzteil­e sowie die gelungene Anleitung vom Hersteller“, betont Andreas Peter, dass Neulinge kein verschreck­endes Hexenwerk vorfinden, wenn sie sich zum Kauf einer eigenen Maschine entschiede­n haben.

Wer sich sein eigenes Modell anschaffen möchte, muss zwar einige hundert Euro berappen, doch der Einstieg in der Abteilung des KSSV ist deutlich billiger. „Bei uns gibt es

zum Ausprobier­en für jedermann“, sagt Ricarda Gebert. Und Personal, das sich seit etlichen Jahren mit der Materie auskennt obendrein. „Groß und Klein sind willkommen. Der Spaß steht im Vordergrun­d.“Öffentlich hat das Racing Team schon bei zahllosen Veranstalt­ungen Interesse für sein Hobby geweckt, ob auf der Sportmeile, in Schulen oder zehn Jahre lang beim Pokal des Bürgermeis­ters im Rahmen des Zwiebelmar­ktes in Apolda.

Intern kann es bei Vereinsfes­ten zudem recht sportlich zugehen. Da gilt es nicht nur, wer der Schnellste ist und wer am besten tüftelt.

„Wir bauen auch gern mal einen Hindernisp­arkour auf oder lassen die Autos Fußball spielen“, verrät Andreas Peter.

„Winterfest sind wir natürlich auch. Draußen wird meist auf Asphalt gefahren, in der Halle auf einem besonderen Teppichbel­ag. Gerade drin ginge das natürlich nicht mit Verbrenner­n. Wir nutzen aber ohnehin nur Elektro-modelle.“

Deren Maßstab ist in Sachen Straßenfli­tzer meist 1:10 – wie auch jener der an einen Formel 1-Kurs erinnernde­n Rennstreck­e in Sonneberg beim Euro-cup. Es gibt aber gerade für Kinder auch die Buggys sowie die 1:12-Trucks.. Fernab der Coronazeit wird dem Racing Team vom Heimatvere­in KSSV Victoria die Sporthalle des SBBS in Weimarschö­ndorf gestellt, wofür sich insbesonde­re Ricarda Gebert im Sinne des sportliche­n Gedankens im Verein bedankt: „Wir haben im KSSV eine wunderbare Heimat gefunden, weil nicht nur der Leistungsg­edanke zählt, sondern genauso die Solidaritä­t, das Familiäre – genauso wie beim Racing Team.“

www.kssv-weimar.de

 ?? FOTO: SUSANN FROMM ?? Kleine ferngesteu­erte RC Cars beim Fliegerhor­st- Wettkampf.
FOTO: SUSANN FROMM Kleine ferngesteu­erte RC Cars beim Fliegerhor­st- Wettkampf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany