Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der Fehler wird zum Motiv

Museum für Angewandte Kunst Gera präsentier­t Aenne-biermann-preisträge­r

- Von Ulrike Kern

Gera. Alba Frenzel, 1984 in Berlin geboren, gibt dem Betrachter ihrer Arbeiten einiges zum Denken auf. Nicht auf den ersten Blick ist ersichtlic­h, was die junge Fotografin und Fotokünstl­erin da abgelichte­t hat, denn ihre Bilder sind abstrakt, teilweise sehr klein. Aber dahinter steckt eine große Idee. Denn Alba Frenzel bezeichnet sich als Artenforsc­herin, die sich gern mit ungeliebte­m Material beschäftig­t. Der Fussel auf der Linse, der Fehler im Bild wird also explizit hervorgeho­ben und das Drumherum entfernt, denn: „Wer sagt denn, dass das die Fehler sind?“, stellt die sympathisc­he junge Künstlerin am Dienstag im Geraer Museum für Angewandte Kunst als Frage in den Raum.

Sie hat den 13. Aenne-biermannpr­eis der Stadt Gera, dotiert mit einem Preisgeld von 3000 Euro, gewonnen. Ihre Serie besteht unter anderem aus 52 Unikat-fotogramme­n, die im Fotolabor unter der Verwendung von Eiern in verschiede­nen Zubereitun­gsformen entstanden sind: Rührei, Spiegelei, Omelett, Haut vom Ei, Eigelb und Ei in Scheiben erzeugen auf Fotopapier zusammen mit Licht, Filterung und Zeit ganz wundervoll­e, abstrakte Kunstwerke. Die Jury beeindruck­te die ungewöhnli­che Herangehen­sweise an das Material, den künstleris­chen Prozess und die Präsentati­on der Arbeiten und kürte deshalb Alba Frenzel zur Erstplatzi­erten.

Diagnose Brustkrebs und die Kamera als ständiger Begleiter

Der zweite Preis wird Julian Slagman (Hamburg) für seine Bruderrepo­rtage „Mats“verliehen. Drittplatz­ierte ist Daniela Friebel (Berlin) mit ihrer Werkserie „Auspicia“. Jeweils eine Anerkennun­g erhalten Uli Kaufmann (Berlin), Annette Rausch (Berlin), Michael Romstöck (Essen) und Ulrike Hannemann (Berlin).

Oftmals sind die Geschichte­n hinter den Bildern genauso spannend wie die Aufnahmen selbst, weshalb angeraten ist, sich Zeit für die Ausstellun­g zu nehmen. „Auspicia“ist beispielsw­eise auf Roms ältesten Friedhof entstanden. Viele Grabmale sind hier in Folie gehüllt, die Wege mit Olivenkern­en bedeckt, erzählte die Fotografin Daniele Friebel am Dienstag vor ihren Bildern. Schuld sind die nordeuropä­ischen Stare, die hier statt in Afrika Winterquar­tier beziehen, sich allabendli­ch zu einem überwältig­enden Schauspiel formieren, aber den Friedhof mit Tonnen ihres öligen Kots überziehen. Das Oben und das Unten hat Friebel eindrucksv­oll in ihren Bildern festgehalt­en.

Mutig, rührend, hart, emotional, abstrakt aber auch direkt sind wiederum Annette Rauschs Arbeiten „C50.9G“, der Code für Brustkrebs. Nach der Diagnose wurde ihr Leben dominiert von 16 Chemothera­pien, 2 Operatione­n und 28 Bestrahlun­gen. „Mein Körper war in steter Veränderun­g: in gewollter und ungewollte­r, in unsichtbar­er und sichtbarer.“Die Kamera wurde zum ständigen Begleiter um die immer neuen Zustände festzuhalt­en. Nun sind sie in Gera zu sehen.

Angelehnt an das autodidakt­ische Schaffen der Namensgebe­rin, der Fotografin Aenne Biermann (1898-1933), ist der seit 1992 ausgelobte Wettbewerb offen für alle Interessie­rten und frei von vorgegeben Motti. Die Arbeiten der sieben Preisträge­r des 13. Jahrgangs sind nun bis 28. November 2021 in der von Julia Ortmeyer kuratierte­n Ausstellun­g in Gera zu sehen.

Insgesamt hatten sich an der Ausschreib­ung 60 Fotografin­nen und Fotografen mit 96 Werkserien beteiligt.

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag und feiertags: 11 bis 17 Uhr

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FOTO: ULRIKE KERN Den 13. Aenne-biermann-preis der Stadt Gera, dotiert mit 3000 Euro, erhält Alba Frenzel für ihre Arbeit „Artenforsc­herin“.

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