Streit um Verpflegungskosten im Heim
Seniorin wird über Magensonde ernährt, soll aber dennoch für sämtliche Mahlzeiten bezahlen. Einigung auf Vergleich
In dem Zivilrechtsstreit, dessentwegen sich am Freitag der Weimarer Uwe Sommerfeld und Alexander Wieck als Leiter des Azurit-seniorenzentrums Schillerhöhe im Amtsgericht Weimar trafen, ging es lediglich um eine dreistellige Summe. Doch um das Geld war es Uwe Sommerfeld auch nur in zweiter Linie bestellt. Der Weimarer vermutet vielmehr, dass das, was ihm und seiner hochbetagten Mutter in dem Heim mutmaßlich widerfahren ist, kein Einzelfall und vielleicht sogar gängige Praxis bei dem Heimbetreiber ist, in dessen Einrichtungen fast 7000 Bewohner leben. Das wiederum, findet Sommerfeld,
könnte auch für die Kommunen von Interesse sein. Sind sie es doch, die in der Regel einspringen, wenn die Rente und die Ersparnisse Pflegebedürftiger für die Zahlung des Eigenanteils nicht ausreichen.
Die Azurit Gmbh hatte Sommerfeld verklagt, weil er sich weigerte, für die Vollverpflegung seiner Mutter während ihres Aufenthalts in dem Seniorenzentrum zu zahlen. Dessen Begründung: Die 85-Jährige, die dort nach einem Schlaganfall von April bis September 2020 betreut wurde, war bereits mit einer Magensonde in das Heim verlegt worden. Sie war überhaupt nicht in der Lage, etwas zu essen, sagt ihr Sohn, der sie seither zu Hause pflegt. Seit der Rückkehr in ihr
Haus habe sie kein einziges Mal auf normalem Wege Nahrung aufnehmen können. Er geht davon aus, dass das während des Heimaufenthalts nicht anders war.
Heimleiter Wieck allerdings widersprach in der Güteverhandlung: Sommerfelds Mutter habe durchaus zusätzlich zur Sondenernährung kleine Portionen zu sich genommen. Das alles sei auch dokumentiert. Folglich habe das Heim Anspruch auf die Zahlung der Vollverpflegungspauschale und den ausstehenden Betrag von 528 Euro.
Richterin Karin Reckert tat sich allerdings schwer mit der Vorstellung, dass das bei jeder einzelnen Mahlzeit so gewesen sein soll. Sie appellierte deshalb eindringlich an beide Seiten, sich auf einen Vergleich zu verständigen. Scheitere dieser Versuch und das Verfahren gehe in die Beweisaufnahme, bei der Pflegekräfte als Zeugen gehört werden müssten, zöge sich das Ganze womöglich in einem Maße hin, das in keinem Verhältnis mehr zum Streitwert des Prozesses steht.
Für die Sicht des beklagten Weimarers zeigte die Richterin zwar Verständnis („ich kann Ihre Motivation verstehen“). Doch ihre Erfahrung zeige, dass das Ziel, das auch Sommerfeld verfolge – die Aufarbeitung des Geschehens, möglicherweise Worte der Entschuldigung von der Gegenseite –, fast nie erreicht werde. Um „unnötigen Streit zu vermeiden“, empfahl sie eine gütliche Einigung und die Halbierung der Kosten, womit sich Heimleiter Wieck sofort, der Beklagte nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt Steffen Ludwig bereiterklärte.
Im Ergebnis wurde Folgendes vereinbart: Die 806 Euro, die die Sommerfelds aus verschiedenen Gründen als Forderung gegenüber der Azurit Gmbh aufmachten, werden geteilt – und die Hälfte davon wiederum von jener Summe abgezogen, die das Heim von den Sommerfelds verlangte. Die Familie muss damit nur rund 120 Euro an das Heim zahlen, das Anfang 2021 schon einmal in den Schlagzeilen war: Mehr als 20 seiner Bewohner waren an Covid-19 gestorben, die Stadt zeigte es daraufhin an.