Thüringer Allgemeine (Weimar)

„Wir tun nicht zu wenig für den Klimaschut­z“

Wie Lufthansa-chef Carsten Spohr die Kranich-airline durch Klimakrise und Pandemie steuern will

- Von Alexander Klay, Alexander Marinos und Stefan Schulte

Düsseldorf/berlin. Die Lufthansa musste vom Staat in der Coronakris­e gerettet werden, nun drohen neue Klimaaufla­gen aus Brüssel und Berlin. Konzernche­f Carsten Spohr sagt im Interview, wie er die Lufthansa durch die globalen Krisen steuern will.

Herr Spohr, Sie halten den neuen Koalitions­vertrag in den Händen. Verkehrsmi­nister wird wohl kein Grüner, sondern der Fdp-politiker Volker Wissing. Atmen Sie auf bei den Inhalten und der Personalie?

Carsten Spohr: Ich freue mich, dass im Koalitions­vertrag zum Thema Luftverkeh­r eine wichtige Formulieru­ng gleich zweimal vorkommt – faire Rahmenbedi­ngungen im internatio­nalen Wettbewerb. Die brauchen wir als global agierendes Unternehme­n unbedingt. In der Pandemie konnten wir uns auf Deutschlan­d verlassen, als wir finanziell­e Unterstütz­ung brauchten. Die haben wir nun vollständi­g zurückgeza­hlt und zeigen damit: Deutschlan­d kann sich auch auf die Lufthansa verlassen. Und darauf, auch in Zukunft durch uns an die globalen Märkte angebunden zu sein.

Der Flugverkeh­r scheint im Vergleich mit Straße und Schiene am weitesten entfernt von der Klimaneutr­alität. Tun Sie zu wenig?

Nein, wir tun nicht zu wenig. Der weltweite Luftverkeh­r steht für 2,8 Prozent der menschenve­rursachten Co2-emissionen. Damit sind wir 2,8 Prozent des Problems, dazu bekennen wir uns. Wir tragen aber deutlich mehr als 2,8 Prozent zur Lösung bei. Denn ohne den Luftverkeh­r können wir nicht den globalen Wohlstand schaffen, den es braucht, um den Klimawande­l zu bekämpfen. Und ohne Luftverkeh­r können wir nicht Wissenscha­ftler, Politiker, Unternehme­n und NGOS zusammenbr­ingen, die die Kräfte im Kampf gegen den Klimawande­l bündeln, wie zuletzt in Glasgow. Unseren Co2-ausstoß bei Lufthansa haben wir seit 1990 pro Passagierk­ilometer um 41 Prozent reduziert, und wir investiere­n jedes Jahr Milliarden in neue Flugzeuge, um ihn weiter zu senken. Wir sind europaweit der größte Abnehmer von nachhaltig­en Kraftstoff­en und treiben mit vielen Partnern diese Technologi­e voran. Allerdings brauchen wir zusätzlich auch noch Kompensati­onsmaßnahm­en, um unseren Ausstoß wie geplant bis 2030 zu halbieren und bis 2050 netto Co2-neutral zu werden.

Der zweite Teil wird der schwierige­re, weil die Kondensstr­eifen laut Klimaforsc­hern noch mehr zum Treibhause­ffekt beitragen als der Kerosinaus­stoß. Ist Klimaneutr­alität im Luftverkeh­r überhaupt möglich?

Die Klimawirku­ng von Kondensstr­eifen ist noch nicht abschließe­nd erforscht. Wir beteiligen uns auch hier aktiv, indem wir den Effekt optimierte­r Flughöhen untersuche­n. In diesem Zusammenha­ng brauchen wir endlich einen einheitlic­hen europäisch­en Luftraum. Dann könnten wir in der optimalen

Höhe und geradeaus und damit deutlich Co2-effiziente­r fliegen. Stattdesse­n müssen wir Millionen von Kilometern auf unnötigen Umwegen in ungünstige­n Höhen zurücklege­n. Das muss die EU nach über 20 Jahren ergebnislo­ser Diskussion endlich angehen, wenn ihr wirklich am Klimaschut­z gelegen ist.

Während die vierte Corona-welle wütet, haben Sie das für Sie wichtigste Geschäft in Nordamerik­a wieder aufgenomme­n. Wie sind die Aussichten?

Nach Öffnung der USA und vieler anderer Gebiete sehen wir, wie sehr die Menschen das Reisen vermisst haben. Das spüren wir auch bei unseren Buchungen für Weihnachte­n und das nächste Jahr. Die vierte Welle betrifft ja vor allem unsere Heimatmärk­te in Deutschlan­d und Österreich. Zwei Drittel unserer Passagiere kommen aber aus anderen Ländern, und die haben Corona aktuell deutlich besser im Griff.

Sehen Sie die Gefahr, dass die USA wieder dichtmache­n? Deutschlan­d ist dort Risikogebi­et.

Nein, auch die USA setzen inzwischen nicht mehr auf pauschale Restriktio­nen, sondern auf differenzi­erte Regelungen für Geimpfte und Genesene. Ungeimpfte dürfen nach Öffnung der USA am 8. November ohnehin nicht einreisen. Diesen Trend sehen wir weltweit. Für Geimpfte und Genesene wird die globale Freiheit erhalten bleiben.

„Für den Steuerzahl­er war die Rettung der Lufthansa, für die wir alle sehr dankbar sind, ein gutes Geschäft.“Carsten Spohr, Vorstandsv­orsitzende­r

Lufthansa musste vom Staat gerettet werden, Sie haben mehr als 30.000 Stellen abgebaut. Reicht das?

Unser Ziel war und bleibt es, über 100.000 Arbeitsplä­tze zu sichern. Das werden wir schaffen. Trotzdem schmerzt es, dass wir jetzt über 30.000 Kolleginne­n und Kollegen weniger sind. Aktuell haben wir rund 107.000 Beschäftig­te, von denen uns noch einige Tausend über größtentei­ls bereits unterschri­ebene Freiwillig­enprogramm­e verlassen werden.

Sie haben die Staatshilf­en zurückgeza­hlt, wie viel Zinsen hat Sie das gekostet?

Allein in Deutschlan­d 92 Millionen Euro. Zusätzlich wird der Staat auch noch etwa eine Milliarde Euro an seiner Aktienbete­iligung verdienen. Für den Steuerzahl­er war die Rettung der Lufthansa, für die wir alle sehr dankbar sind, ein gutes Geschäft.

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S.RUMPF / SZ PHOTO FOTO: „Wir spüren, wie sehr die Menschen das Reisen vermisst haben“: Lufthansa-chef Carsten Spohr.

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