„Wir tun nicht zu wenig für den Klimaschutz“
Wie Lufthansa-chef Carsten Spohr die Kranich-airline durch Klimakrise und Pandemie steuern will
Düsseldorf/berlin. Die Lufthansa musste vom Staat in der Coronakrise gerettet werden, nun drohen neue Klimaauflagen aus Brüssel und Berlin. Konzernchef Carsten Spohr sagt im Interview, wie er die Lufthansa durch die globalen Krisen steuern will.
Herr Spohr, Sie halten den neuen Koalitionsvertrag in den Händen. Verkehrsminister wird wohl kein Grüner, sondern der Fdp-politiker Volker Wissing. Atmen Sie auf bei den Inhalten und der Personalie?
Carsten Spohr: Ich freue mich, dass im Koalitionsvertrag zum Thema Luftverkehr eine wichtige Formulierung gleich zweimal vorkommt – faire Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb. Die brauchen wir als global agierendes Unternehmen unbedingt. In der Pandemie konnten wir uns auf Deutschland verlassen, als wir finanzielle Unterstützung brauchten. Die haben wir nun vollständig zurückgezahlt und zeigen damit: Deutschland kann sich auch auf die Lufthansa verlassen. Und darauf, auch in Zukunft durch uns an die globalen Märkte angebunden zu sein.
Der Flugverkehr scheint im Vergleich mit Straße und Schiene am weitesten entfernt von der Klimaneutralität. Tun Sie zu wenig?
Nein, wir tun nicht zu wenig. Der weltweite Luftverkehr steht für 2,8 Prozent der menschenverursachten Co2-emissionen. Damit sind wir 2,8 Prozent des Problems, dazu bekennen wir uns. Wir tragen aber deutlich mehr als 2,8 Prozent zur Lösung bei. Denn ohne den Luftverkehr können wir nicht den globalen Wohlstand schaffen, den es braucht, um den Klimawandel zu bekämpfen. Und ohne Luftverkehr können wir nicht Wissenschaftler, Politiker, Unternehmen und NGOS zusammenbringen, die die Kräfte im Kampf gegen den Klimawandel bündeln, wie zuletzt in Glasgow. Unseren Co2-ausstoß bei Lufthansa haben wir seit 1990 pro Passagierkilometer um 41 Prozent reduziert, und wir investieren jedes Jahr Milliarden in neue Flugzeuge, um ihn weiter zu senken. Wir sind europaweit der größte Abnehmer von nachhaltigen Kraftstoffen und treiben mit vielen Partnern diese Technologie voran. Allerdings brauchen wir zusätzlich auch noch Kompensationsmaßnahmen, um unseren Ausstoß wie geplant bis 2030 zu halbieren und bis 2050 netto Co2-neutral zu werden.
Der zweite Teil wird der schwierigere, weil die Kondensstreifen laut Klimaforschern noch mehr zum Treibhauseffekt beitragen als der Kerosinausstoß. Ist Klimaneutralität im Luftverkehr überhaupt möglich?
Die Klimawirkung von Kondensstreifen ist noch nicht abschließend erforscht. Wir beteiligen uns auch hier aktiv, indem wir den Effekt optimierter Flughöhen untersuchen. In diesem Zusammenhang brauchen wir endlich einen einheitlichen europäischen Luftraum. Dann könnten wir in der optimalen
Höhe und geradeaus und damit deutlich Co2-effizienter fliegen. Stattdessen müssen wir Millionen von Kilometern auf unnötigen Umwegen in ungünstigen Höhen zurücklegen. Das muss die EU nach über 20 Jahren ergebnisloser Diskussion endlich angehen, wenn ihr wirklich am Klimaschutz gelegen ist.
Während die vierte Corona-welle wütet, haben Sie das für Sie wichtigste Geschäft in Nordamerika wieder aufgenommen. Wie sind die Aussichten?
Nach Öffnung der USA und vieler anderer Gebiete sehen wir, wie sehr die Menschen das Reisen vermisst haben. Das spüren wir auch bei unseren Buchungen für Weihnachten und das nächste Jahr. Die vierte Welle betrifft ja vor allem unsere Heimatmärkte in Deutschland und Österreich. Zwei Drittel unserer Passagiere kommen aber aus anderen Ländern, und die haben Corona aktuell deutlich besser im Griff.
Sehen Sie die Gefahr, dass die USA wieder dichtmachen? Deutschland ist dort Risikogebiet.
Nein, auch die USA setzen inzwischen nicht mehr auf pauschale Restriktionen, sondern auf differenzierte Regelungen für Geimpfte und Genesene. Ungeimpfte dürfen nach Öffnung der USA am 8. November ohnehin nicht einreisen. Diesen Trend sehen wir weltweit. Für Geimpfte und Genesene wird die globale Freiheit erhalten bleiben.
„Für den Steuerzahler war die Rettung der Lufthansa, für die wir alle sehr dankbar sind, ein gutes Geschäft.“Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender
Lufthansa musste vom Staat gerettet werden, Sie haben mehr als 30.000 Stellen abgebaut. Reicht das?
Unser Ziel war und bleibt es, über 100.000 Arbeitsplätze zu sichern. Das werden wir schaffen. Trotzdem schmerzt es, dass wir jetzt über 30.000 Kolleginnen und Kollegen weniger sind. Aktuell haben wir rund 107.000 Beschäftigte, von denen uns noch einige Tausend über größtenteils bereits unterschriebene Freiwilligenprogramme verlassen werden.
Sie haben die Staatshilfen zurückgezahlt, wie viel Zinsen hat Sie das gekostet?
Allein in Deutschland 92 Millionen Euro. Zusätzlich wird der Staat auch noch etwa eine Milliarde Euro an seiner Aktienbeteiligung verdienen. Für den Steuerzahler war die Rettung der Lufthansa, für die wir alle sehr dankbar sind, ein gutes Geschäft.