Im Dekofieber
Einer meiner Lieblingsweihnachtsfilme spielt in einer amerikanischen Kleinstadt. Als Familienvater Chevy Chase die Lichterkette mit 25.000 Glühbirnen anknipst, springt wegen Überlastung des Stromnetzes im nahen Atomkraftwerk der Alarm an. Das kommt davon, wenn man Männern die Weihnachtsdekoration überlässt.
Normalerweise bewegt sich das Verhältnis eines Mannes zu häuslichen Dekorfragen irgendwo zwischen Minimalismus und Blindheit. Ich könnte seinen Fahrradhelm mit einem Kaktus bepflanzen und ihn mitten auf den Wohnzimmertisch stellen. Ich schwöre, er würde es erst merken, wenn er zu seiner Radeltruppe aufbrechen will. Aber kaum ist erster Advent, wird nach dem Karton mit der Pyramide gesucht und wehe später am Weihnachtsbaum fehlt die rotgoldene Baumspitze mit den Glöckchen. Im Sommer waren wir in Oberhof und betraten ein Geschäft für gläsernen Weihnachtsschmuck. Als wir wieder draußen waren, bettete er behutsam die Schachteln ins Auto. Ihr Inhalt hatte den Gegenwert von geschätzt 30
Corona-tests (offenbar die neue Leitwährung). Das ganze Jahr über rennt man im dunklen Flur gegen Türen, weil man mit der Strompolizei verheiratet ist. Spätestens morgen werden Verlängerungskabel gesucht und Anschlüsse gelegt. Dann leuchtet der Adventsstern bis Ostern am Wohnzimmerhimmel, im Fensterbrett blinkt der Schwibbogen was die Stadtwerke hergeben.
Elf Monate schlummert der männliche Dekorationswille, sammelt Kraft, damit ihn der erste Advent mit Macht zum Durchbruch bringt. Das sind nur empirische Beobachtungen. Aber mal ehrlich. Können Sie sich vorstellen, dass eine Frau es schafft, vier Wochen lang einen älteren bärtigen Herren hilflos auf der Leiter an der Hauswand hängen zu lassen? Wie soll man das Kindern und Enkeln erklären? Oder Starkstrom in den Garten zu verlegen, um Rentiere zum Glühen zu bringen? In einer japanischen Stadt hat ein Künstler mal einen virtuellen Weihnachtsbaum installiert. Der Schmuck lässt sich mit einer App über das Smartphone anbringen. Keine Stromrechnung, keine überteuerte Deko. Ein interessanter Ansatz.