Wie gefährlich ist B.1.1.529?
In Südafrika entdeckte Variante B.1.1.529 könnte bedrohlicher als bisherige Virustypen sein. Flugverkehr wird eingeschränkt, Börsen brechen ein
Berlin. „Nichts ist schlimmer als eine neue Variante in eine laufende Welle hinein“, twittert der Spd-politiker Karl Lauterbach in der Nacht zu Freitag. Zu der Zeit ist die Bundesregierung längst alarmiert. Um zehn Uhr schalten sich die Experten beim Robert-koch-institut (RKI) per Video mit ihren südafrikanischen Kollegen kurz, um alles über die neue Coronavirus-variante B.1.1.529 zu erfahren. Binnen Tagen war die Zahl der Infektionen in Johannesburg explodiert. Genomanalysen zeigten in zunächst 22 Fällen eine neue Variante. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte B.1.1.529 am Freitagabend als „besorgniserregend“ein. Offiziell benennt sie die Variante nach dem griechischen Buchstaben Omikron.
Wie groß ist die Gefahr?
Viren verändern sich. B.1.1.529 weist ungewöhnlich viele Mutationen auf. Einige davon an Stellen des Coronavirus, wo Antikörper ansetzen. Das könnte die Wirksamkeit von Therapien und Impfstoffen einschränken. Nach Ansicht von James Naismith, Professor für Strukturbiologie an der Universität Oxford, sind die bisherigen Impfstoffe „fast sicher“weniger effektiv gegen die Variante. Der Frage geht auch der Impfstoffhersteller Biontech nach und rechnet mit Erkenntnissen spätestens in zwei Wochen.
Ist die neue Variante ansteckender? Einige Mutationen von B.1.1.529 begünstigen eine Aufnahme des Virus in Zellen. Das spricht für eine höhere Ansteckungsgefahr, erläutert Rki-präsident Lothar Wieler. „Wir sind tatsächlich in sehr großer Sorge.“Der Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité sagte am Freitag, es sei noch unklar, ob die Variante ansteckender sei oder ein anderer Faktor Grund für die Ausbreitung sei. Für die Wissenschaftlerin Susan Hopkins vom Imperial College in London ist die Variante „die besorgniserregendste, die wir je gesehen haben“.
Was wird unternommen?
Ab Samstag dürfen aus Südafrika nur noch Bundesbürger einreisen. Darüber hinaus beschränkt die Bundesregierung die Einreise aus acht Ländern der Region: Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho werden ab Sonntag um 0.00 Uhr als Virusvariantengebiete eingestuft, teilte das RKI mit. Auch die USA, Großbritannien, Belgien, Österreich, Italien, Malta, Tschechien und Israel haben ähnliche Maßnahmen ergriffen. Frankreich verhängte ein Landeverbot für Flüge aus dem südlichem Afrika. Diese Maßnahmen sind aus Sicht der WHO eigentlich noch nicht geboten. Sie will das Infektionsgeschehen weiter beobachten.
Reichen die Maßnahmen aus?
Das hängt davon ab, wie gefährlich die Variante ist und wie viele Menschen schon in den letzten Tagen aus dem südlichen Afrika eingereist sind. Aus Israel wird ein Fall (eine Person aus Malawi) gemeldet, ebenso aus Hongkong und Belgien – das Virus ist in Europa. In Großbritannien kommen täglich 500 bis 700 Passagiere aus Südafrika an.
Was droht schlimmstenfalls?
Sollte sich eine leichtere Übertragbarkeit bestätigen, sei es unvermeidlich, dass die Variante nach Großbritannien gelange, sagte Naismith der BBC. Die Frage ist, wie viele Infizierte via Großbritannien und über Drittstaaten nach Deutschland einreisen können.
Was sind die ökonomischen Folgen? Die Sorge um das Wachstum und höhere Us-zinssätze ist gestiegen. In Tokio wie auch an den europäischen Börsen brachen die Aktienindizes ein. Der Dax sackte am Freitag bis zum Börsenschluss um 4,15 Prozent auf 15.257,04 Punkte ab – das ist der tiefste Stand seit Mitte Oktober. Auch der Reisebranche drohen Umsatzverluste.