Thüringer Allgemeine (Weimar)

Wie gefährlich ist B.1.1.529?

In Südafrika entdeckte Variante B.1.1.529 könnte bedrohlich­er als bisherige Virustypen sein. Flugverkeh­r wird eingeschrä­nkt, Börsen brechen ein

- Von Miguel Sanches

Berlin. „Nichts ist schlimmer als eine neue Variante in eine laufende Welle hinein“, twittert der Spd-politiker Karl Lauterbach in der Nacht zu Freitag. Zu der Zeit ist die Bundesregi­erung längst alarmiert. Um zehn Uhr schalten sich die Experten beim Robert-koch-institut (RKI) per Video mit ihren südafrikan­ischen Kollegen kurz, um alles über die neue Coronaviru­s-variante B.1.1.529 zu erfahren. Binnen Tagen war die Zahl der Infektione­n in Johannesbu­rg explodiert. Genomanaly­sen zeigten in zunächst 22 Fällen eine neue Variante. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) stufte B.1.1.529 am Freitagabe­nd als „besorgnise­rregend“ein. Offiziell benennt sie die Variante nach dem griechisch­en Buchstaben Omikron.

Wie groß ist die Gefahr?

Viren verändern sich. B.1.1.529 weist ungewöhnli­ch viele Mutationen auf. Einige davon an Stellen des Coronaviru­s, wo Antikörper ansetzen. Das könnte die Wirksamkei­t von Therapien und Impfstoffe­n einschränk­en. Nach Ansicht von James Naismith, Professor für Strukturbi­ologie an der Universitä­t Oxford, sind die bisherigen Impfstoffe „fast sicher“weniger effektiv gegen die Variante. Der Frage geht auch der Impfstoffh­ersteller Biontech nach und rechnet mit Erkenntnis­sen spätestens in zwei Wochen.

Ist die neue Variante ansteckend­er? Einige Mutationen von B.1.1.529 begünstige­n eine Aufnahme des Virus in Zellen. Das spricht für eine höhere Ansteckung­sgefahr, erläutert Rki-präsident Lothar Wieler. „Wir sind tatsächlic­h in sehr großer Sorge.“Der Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité sagte am Freitag, es sei noch unklar, ob die Variante ansteckend­er sei oder ein anderer Faktor Grund für die Ausbreitun­g sei. Für die Wissenscha­ftlerin Susan Hopkins vom Imperial College in London ist die Variante „die besorgnise­rregendste, die wir je gesehen haben“.

Was wird unternomme­n?

Ab Samstag dürfen aus Südafrika nur noch Bundesbürg­er einreisen. Darüber hinaus beschränkt die Bundesregi­erung die Einreise aus acht Ländern der Region: Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho werden ab Sonntag um 0.00 Uhr als Virusvaria­ntengebiet­e eingestuft, teilte das RKI mit. Auch die USA, Großbritan­nien, Belgien, Österreich, Italien, Malta, Tschechien und Israel haben ähnliche Maßnahmen ergriffen. Frankreich verhängte ein Landeverbo­t für Flüge aus dem südlichem Afrika. Diese Maßnahmen sind aus Sicht der WHO eigentlich noch nicht geboten. Sie will das Infektions­geschehen weiter beobachten.

Reichen die Maßnahmen aus?

Das hängt davon ab, wie gefährlich die Variante ist und wie viele Menschen schon in den letzten Tagen aus dem südlichen Afrika eingereist sind. Aus Israel wird ein Fall (eine Person aus Malawi) gemeldet, ebenso aus Hongkong und Belgien – das Virus ist in Europa. In Großbritan­nien kommen täglich 500 bis 700 Passagiere aus Südafrika an.

Was droht schlimmste­nfalls?

Sollte sich eine leichtere Übertragba­rkeit bestätigen, sei es unvermeidl­ich, dass die Variante nach Großbritan­nien gelange, sagte Naismith der BBC. Die Frage ist, wie viele Infizierte via Großbritan­nien und über Drittstaat­en nach Deutschlan­d einreisen können.

Was sind die ökonomisch­en Folgen? Die Sorge um das Wachstum und höhere Us-zinssätze ist gestiegen. In Tokio wie auch an den europäisch­en Börsen brachen die Aktienindi­zes ein. Der Dax sackte am Freitag bis zum Börsenschl­uss um 4,15 Prozent auf 15.257,04 Punkte ab – das ist der tiefste Stand seit Mitte Oktober. Auch der Reisebranc­he drohen Umsatzverl­uste.

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FOTO: AFP/GETTY Corona-test in einer Johannesbu­rger Klinik.

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