Mit Tusche und Bleistift
Der Zeichner und Grafiker Rolf F. Müller ist im Alter von 89 Jahren in Gera gestorben
Er konnte auf nur ein Blatt bannen, wofür der Dramatiker Rolf Hochhuth viele, viele Seiten gebraucht hatte: Hakenkreuz und Kathedrale labyrinthisch verschränkt. In der Mitte, unter dem Kreuz, die sich weiß auf schwarzem Grund abhebende Figur des Papstes.
Hochhuths folgenreiches Stück „Der Stellvertreter“stellt 1963 die Frage: Durfte Papst Pius schweigen zur planmäßigen Ausrottung der europäischen Juden durch Hitlerdeutschland? Als drei Jahre später der 34-jährige Geraer Rolf F. Müller das Plakat für die „Stellvertreter“-inszenierung an den Bühnen der Stadt zeichnet, visualisiert er mit dieser ikonisch für Plakatkunst gewordenen Arbeit die Sprengkraft des Themas. Sie ist das sicher bedeutendste von unzähligen Plakaten des 1932 in Lobenstein geborenen Künstlers.
Schon die Diplomarbeit setzte Zeichen
Acht Jahre besucht Rolf F. Müller die Schule in Lobenstein, lernt dann Lithograf in der Druckerei Günther in Gera, absolviert die Facharbeiterprüfung, arbeitet in seinem Beruf und studiert ab 1952 Buchgestaltung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig. Schon seine Diplomarbeit setzt Zeichen und wird im Wettbewerb als eines der „Schönsten Bücher des Jahres“ausgezeichnet. 1958 lässt sich der inzwischen mit einer Geraerin verheiratete Künstler als freischaffender Gebrauchsgrafiker in Gera nieder. Er illustriert Bücher für den Greifen-, den Mitteldeutschen und den Eulenspiegelverlag, für Volk und Welt und den Kinderbuchverlag; er wird Vater, spitzt quasi im Jahrestakt seine Zeichenfeder zwecks grafischer Begleitung der Epigramme und Sprachglossen des scharfzüngigen Greizers Hansgeorg Stengel. Rolf F. Müller gestaltet Plakate für Theater und Kino, Film-, Literatur- und Kulturwochen und gewinnt immer wieder die hoch angesehenen Wettbewerbe um die besten Plakate und Bücher.
Wenn in der Geraer Künstlergemeinde von ihm die Rede ist, reicht es, man sagt Rolf F. Das F steht für Felix, der Glückliche, und es scheint ihm zu gelingen, was immer er anfasst. Ohne sich je parteipolitisch zu engagieren, arbeitet Rolf F. Müller in verschiedenen Funktionen im Verband Bildender Künstler. Der begnadete Zeichner lehrt ab 1985 an der Hochschule in Leipzig, wird Dozent und 1993 Professor an der HGB – auch in dieser Funktion wird sein Sohn Thomas in die Fußstapfen des Vaters treten.
Goldener Spatz ist die populärste Kreation des Künstlers
Als 1979 in Gera das Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“das Licht der Welt erblickt, steht Rolf F. an der Wiege. Nicht nur das Festivalsignet ist sein Kind, das er über Jahrzehnte beim Aufwachsen und Erwachsenwerden und auch nach seinem Teilabzug aus Gera begleitet. Der Goldene Spatz ist die populärste Kreation des Künstlers und doch nur eine kleine Facette in einem opulenten, von Feinsinn, Intelligenz und Witz geprägten Werk. Diese Woche nun ist der Menschen- und Kunstfreund Rolf F. Müller 89-jährig in Gera gestorben.
Wer das Glück hat, im 2002 zum 70. Geburtstag von Rolf F. Müller erschienenen Katalogbuch „felix/fecit“blättern zu können, wird trotz dieser traurigen Nachricht immer wieder schmunzeln. Wie kein Anderer vermochte dieser Mann es, grafisch die Essenz der Dinge zu finden: Ob auf den Schutzumschlägen für Patricia Highsmiths „Talentierten Mr. Ripley“oder Hermann Kants „Impressum“, ob im minimalistischen Cartoon die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses oder in den drei Buchstaben EHE sechsfach variiert alles, was einer Zweierbeziehungen frommt und droht. Danke, Rolf F.