Thüringer Allgemeine (Weimar)

FC Bayern im Chaos

Buhrufe, Pfiffe, „Hainer raus“: Hoeneß sprachlos bei Münchner Mitglieder­versammlun­g

- Von Klaus Bergmann

München. Uli Hoeneß stand schon oben am Rednerpult – und resigniert­e vor den Tumulten in der Halle. „Wir sind Bayern – und ihr nicht“, riefen wutentbran­nte Mitglieder. Und auch: „Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt.“Der Ehrenpräsi­dent, der die denkwürdig­e Jahreshaup­tversammlu­ng seines FC Bayern München über Stunden wenige Sitzplätze neben dem ebenfalls bis zum schlimmen Ende ausharrend­en Trainer Julian Nagelsmann schweigend unter seiner Ffp-maske verfolgt hatte, verließ das Podium dann doch wortlos.

Uli Hoeneß sprachlos – wann hat es das beim Fußball-rekordmeis­ter jemals gegeben? Beim Abgang sagte der 69-Jährige verstört und beschämt: „Das war die schlimmste Veranstalt­ung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe.“

Das programmie­rte Reizthema Katar löste beim Mitglieder­konvent unter besonderen Corona-bedingunge­n einen Aufruhr der Fan-opposition mit Pfiffen und Buhrufen gegen die Bosse aus. Nagelsmann, der bis zum Ende ausharrte und erst gegen 2.30 Uhr in der Nacht ins Bett kam, verspürte „eine leicht aggressive Stimmung, so dass der eine oder andere Ordnungsdi­enstmitarb­eiter mich lieber früher als später rausbeglei­tet hätte“, wie der 34-Jährige am Freitag erzählte.

Diskussion­en seien wichtig und müssten geführt werden, aber auf sachlicher Ebene, mahnte der Bayern-trainer. „Die wichtigste Botschaft ist, dass nicht das Gefühl entstehen darf, dass da irgendwie Lager gegeneinan­der kämpfen“, sagte Nagelsmann am Tag vor dem heutigen Bundesliga-heimspiel der Bayern gegen Arminia Bielefeld.

Der Mitglieder-zorn in der Versammlun­g hatte vor allem Präsident Herbert Hainer getroffen. Der ehemaligee Adidas-chef, der aus der

Welt der Aktionärsv­ersammlung­en kommt, verkannte kurz nach Mitternach­t die Situation endgültig, als er sich nach „einem langen Tag“das Recht als „Versammlun­gsleiter“herausnahm, „dass ich die Wortmeldun­gsliste schließen kann“– und damit die gesamte Veranstalt­ung.

Lautstarke „Hainer raus, Hainer raus“-rufe hallten durch den Audi Dome. „Sag einmal, was ist denn los“, brummelte Hainer perplex ins Mikro. Es war ein Desaster für den Verein, besonders für den Hoeneßnach­folger. Der Vereinsfüh­rung war der Abend entglitten.

Ein Spontanant­rag des Mitglieds Michael Ott zur Abstimmung über die Beendigung der umstritten­en Partnersch­aft mit der Fluglinie Qatar Airways spätestens 2023 schmettert­e die Vereinsfüh­rung mit Verweis auf zuvor getroffene Entscheidu­ng des Landgerich­tes München I ab. „Sie können gerne buhen. Ich werde hier nicht zulassen, dass wir über rechtswidr­ige Anträge abstimmen“, sagte Vizepräsid­ent Dieter Mayer. Bayern-fan Ott sprach später von einem „Offenbarun­gseid“. Er beklagte im Ard-hörfunk ein „sehr eigenartig­es Demokratie­verständni­s, wenn man so eine Debatte niederring­t und vor kritischen Beiträgen flieht“.

Der Abend war eine Niederlage für die Bosse um den erstmals als Vorstandsc­hef auftretend­en Oliver Kahn, der Poltern vermied und versprach: „Wir haben klare Kriterien, an denen wir Partnersch­aften ausrichten. Es gibt Compliance-anforderun­gen, die schauen wir uns genau an. So werden wir das auch mit Qatar Airways machen.“

Nach Hainers Redestopp stellte sich ein Mitglied sogar einfach auf einen Stuhl und sprach halt ohne Mikrofon. Es waren bizarre Szenen. Erst lief es wie gewohnt, auch wenn Corona den Rekordmeis­ter gerade sportlich und seit Frühjahr 2020 finanziell ausdauernd belastet. Der Umsatz schrumpfte auf 643,9 Millionen Euro, aber es gab (noch) keine roten Zahlen.

Spätestens beim Tagesordnu­ngspunkt Anträge kochte die Stimmung der wegen der 2G-plus-einlassreg­eln nur zugelassen­en 800 Mitglieder – der Verein hat mehr als 290.000 – hoch. Auch Otts zweiter Antrag, dass der Verein weiter 75 Prozent der Anteile an der FC Bayern AG halten soll und nicht noch fünf Prozent veräußern könnte, verfehlte die erforderli­che Dreivierte­lmehrheit. Die Proteste nahmen zu.

„Wir haben bei weitem nicht entschiede­n, dass wir mit Katar weitermach­en“, sagte Hainer und verkündete: „Natürlich werden wir den Vertrag, den der FC Bayern eingegange­n ist, erfüllen.“Corona, Katar, Image – die Welt des FC Bayern scheint gerade aus den Fugen.

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FOTO: STACHE / AFP Präsident Herbert Hainer steht bei den Fans in der Kritik.
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FOTO: GAMEL / DPA Bayerns Ehrenpräsi­dent Uli Hoeneß zeigte sich sprachlos.

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